Das gemeinste Spiel des Jahres: Dreams in the Witch House ist Unwohlsein in Adventure-Form
Wenn Überleben das geringste deiner Probleme ist...
Einmal im Jahr erwischt mich die Lust auf ein klassisches Point-and-Click-Adventure mit voller Wucht. Bis vor einer Weile erwartete ich dabei selten deutlich mehr, als im Rahmen der bekannten Regeln solide-nostalgisch unterhalten zu werden. Aber seit ein paar Jahren sind regelmäßig Spiele dabei, die weit hinauf in meine Bestenlisten klettern. Letztes Jahr liebte ich etwa The Excavation of Hob’s Barrow nicht zu knapp und in diesem Jahr ist es Dreams in the Witch House.
Dieser kleine, aber feine Mix aus Point and Click der Amiga-Ära und leichten RPG-Elementen ist mit Abstand das gemeinste Spiel, das ich dieses Jahr erleben durfte. Gut, das war zu erwarten, wenn man sich einer H.P. Lovecraft-Geschichte mit viel erwachsenem Respekt vor dem Ursprungsmaterial nähert – und gleichzeitig mit einigem Willen, dem Spieler die Initiative zu überlassen, wie zielstrebig er seinem Untergang entgegensteuern will.
Herausgekommen ist ein Titel, der einem mit jedem Schritt signalisiert, dass man sich freien (wenn auch nicht unbedingt heilen) Geistes einem schlimmen Ende nähert. Wobei, so muss es ja nicht sein, denn Dreams in the Witch House hat offenbar mehrere unterschiedliche Enden, das eine oder andere davon offenbar gut. Dennoch: Das Gefühl, das hier dominiert, ist das einer kosmischen Gruselkatastrophe mit Ansage – und doch fühlt man sich machtlos, kann nicht anders, als den übernatürlichen Geschehnissen in Walter Gilmans Apartment auf den Grund zu gehen.
Das ist trotz der einfach gehaltenen Pixel-Grafik zeitweise überraschend gruselig und auch spielerisch ziemlich fesselnd, denn ihr klickt euch nicht einfach nur durch Puzzles und Dialoge, ihr managt vor allem das Zeitkontingent des Studenten. Und so einer muss ja auch essen, in der Bibliothek pauken muss und schließlich Prüfungen ablegen, wie mir gesagt wurde. Jederzeit locken dabei die okkulten Bücher aus einem finsteren Teil der Universität – findet sich die Lösung für Walters Probleme etwa darin?
Hach, was für ein cooles, kleines Spiel. Gänsehaut von der besonders noppigen Sorte, die die gut zehn Euro, die sie mich kostete, mehr als wert war. Ohne großes Gewese ist es eines der besten Lovecreaft-Spiele, die ich je erleben durfte, vermutlich auch, weil die Aufmachung viel der Fantasie überlässt. Und was die in meinem Kopf anstellt, macht Dreams in the Witch House zum gemeinsten Videospiel dieses Jahr.
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