Das haben die mal gemacht?! - Die vergessenen Spiele von Bethesda
Was Publisher in ihrer übermütigen Kindheit so alles getrieben haben…
Ich bin letztens mal - ich weiß gar nicht mehr, warum - durch ein paar Publisher-Backkataloge gegangen und was man da so findet... Es ist spannend, womit sich die Großen und Kleinen des Business mal so die Zeit vertrieben haben. Da war manchmal erstaunlich viel Ambition, Ehrgeiz und Mut dabei. Und von ungerechten Misserfolgen bis hin zu ungerecht gescheiterten kleinen Meisterwerken ist da alles Mögliche dabei. Es sind verlorene Spiele, an die sich heute keiner mehr erinnert, aber die sich lohnen, mal wieder zumindest für einen Augenblick ans Tageslicht gezerrt zu werden. Warum? Eigentlich nur so, aber auch, weil ich bei jedem dieser Spiele überlegt habe, ob sie heute in einer modernisierten Version funktionieren würden. Und das Ergebnis dieser Überlegungen fiel sehr unterschiedlich aus. Fangen wir mit der Firma an, bei der ich zuerst über solche Spiele stolperte: Bethesda Softworks.
Wayne Gretzky Hockey Amiga, PC 1988
Ja, mit einem Sportspiel anzufangen ist problematisch, aber keine Sorge, es ist das einzige in dieser Reihe. Und natürlich funktionieren Eishockey-Spiele auch heute noch, EA haut brav jedes Jahr sein neuestes heraus. Nicht, dass ich es spielen könnte. Kurz gesagt, ich bin zu blöde für diese Spiele. Zu viele Tasten, zu viele Variablen und vor allem zu viel drumherum. Damals mochte ich Sportspiele, weil sie nicht versuchten, realistisch zu sein - oder vielmehr: Sie taten ihr Bestes und scheiterten an den technischen Möglichkeiten -, und einfach zu handhaben waren. Wayne Gretzky Hockey spielte ich mit einem Freund auf dem Amiga und das Spiel musste mit zwei Tasten und einem einfachen digitalen Stick auskommen. Und das ging. Es war schnelles, simples Arcade-Hockey. Das habe ich verstanden, es war Spaß und ja, die Typen, die Elder Scrolls machen und id übernehmen sollten, starteten mit zwei Sportspielen. Einem Spiel, von dem man bis heute munkelt, dass sich EA für das erste Madden Football den Code "geborgt" haben soll, und einem Aracde-Eishockey.
The Terminator PC 1990
Nach zwei weiteren Hockey-Spielen ging man ein Wagnis ein: Man überließ mal eine Filmlizenz nicht US-Gold, sondern gönnte sich die Lizenz zu The Terminator, einem damals sechs Jahre alten B-Action-Film, der zwar erfolgreich war, aber 1990 eben sechs Jahre alt war. Nicht direkt vom Box-Office ins Laufwerk. Bethesda ging aber noch viel weiter und es könnte das sinnloseste überambitionierte Spieleprojekt dieses und sicher einiger der umliegenden Jahre gewesen sein. Wie gesagt, 1990. MS-DOS-PCs waren nicht die Spielmaschinen, die sie ein paar Jahre später sein sollten. Ein leistungsstarker PC mit einem Farbmonitor kam auf locker 4000 bis 5000 Mark, ein Amiga kostete im Vergleich mit allem Drum und Dran keine 2000. Trotzdem wurde The Terminator ein reines MS-DOS-Projekt und übrigens auch das erste Spiel zum Terminator überhaupt.
Vielleicht ist es bis heute auch das einzige, das wirklich akkurat den Film simulieren möchte. Statt einfach ein Fünf-Level-Hüpfspiel rauszuhauen und die Lizenzkosten wieder gutzumachen, baute man LA in untexturierten Polygonen nach. Ungefähr 160 Quadratkilometer, die sich relativ akkurat an den Stadtplan halten und zumindest ein paar Sehenswürdigkeiten auch gerade noch als solche erkenntlich halten. Hier ein paar Vergleiche: Skyrim hat etwa 40 Quadratkilometer, GTA V 80 und Witcher 3 kommt mit 140 schon nah ran. The Terminator hat aber 160! Im Jahr 1990!!
Es ist aber nicht nur groß wie ein Open-World-Game - oder sogar größer -, es funktioniert auch so ähnlich. Zumindest teilweise. Es gibt keine "Quests", keine Nebenquests, keine Sammelitems. Es gibt nur euch und Sarah Connor. Ihr wählt zwischen Kyle Reese oder dem Terminator aus. Und wenn ihr als der Terminator vor Kyle an ihrem Haus ankommt, habt ihr praktisch gewonnen. Spielt ihr Kyle, schnappt ihr euch erst Sarah, dann geht ihr durch die Stadt, sucht Waffen oder kauft sie und irgendwann findet ihr euren Widersacher und klärt das Schicksal der Menschheit. Das war es auch schon, mehr an Missionen gibt es da nicht. Es war 1990.
Der Grad der Freiheit ist trotzdem faszinierend, allein schon vom Blickwinkel der Thematik her. Wann jemals konntet ihr mit dem Terminator in einen Laden gehen, Kondome und eine Intimspülung stehlen - diese Objekte haben keine Funktion, auch wenn Kyle sie sich greift - und dann draußen einen Dutzend Polizisten niedermachen, weil sie nicht wollten, dass sich die Kampfmaschine schlechthin mit seiner unwahrscheinlichen Beute davonmacht? Hatte das einen Sinn im Spiel? Nein. Konntet ihr es tun? Auf jeden Fall. Was es heute allerdings wirklich nicht gibt, ist, dass ihr in einem Open-World-Spiel einfach über euren Widersacher stolpern, ihn erledigen und das Spiel gewinnen könnt. Oder komplett verlieren, weil er euch in den Rücken schießt. Es ist ein für seine Zeit so aberwitzig ambitionierter, komplexer und gleichzeitig verblüffend einfacher Gedanke für ein Spiel. Wie kommt es also, dass wir heute nicht ständig The Terminator als die Geburtsstunde der modernen Open-World preisen?
Nun, zum einen erschien es auf dem PC 1990. Dazu lief es nur auf einem Bruchteil der damals existenten Maschinen auch halbwegs schnell und dort stürzte es auch noch gern und oft ab. Wenn es das mal nicht tat, killte die Keyboard-Steuerung - fließende Mausbewegungen zur Steuerung einer 3D-Umgebung waren in Spielen noch nicht wirklich erfunden - jeden Spielspaß, da mehr als die Hälfte aller Tasten mit irgendwas belegt waren. Sollte das einen nicht stoppen, dann tat es in der Regel die erste Polizeipatrouille und spätestens der erste Kontakt mit dem jeweiligen Widersacher, denn die Kampfsteuerung war absolut grausig. Nein, The Terminator war vielleicht das ambitionierteste und gewagteste Spiel seiner Zeit, aber es war ganz sicher nicht das unterhaltsamste. Um nicht zu sagen, dass man schon selbst mindestens so ambitioniert sein musste, um es auch nur einmal bis zum Ziel zu schaffen. Es gab zig Spiele, auch auf dem PC, wo so viel Einsatz und Hingabe zu einem wirklich nicht guten Spiel nicht nötig waren, und so geriet das erste Terminator-Spiel schnell in Vergessenheit.
Nicht zu Unrecht, wenn es um den Spielspaß geht, aber heute? Ein Spiel, das L.A. 1984 zeigt - was für sich schon genial wäre, egal was sonst darin passiert -, in dem es nur einen Gegner gibt, den ihr wirklich töten müsst, der jederzeit um die Ecke kommen könnte und jeden Menge Mist, den ihr machen könnt, aber nicht müsst. Das Ganze auf absurd vielen Quadratkilometern. Hm, könnte was werden. Wäre auf jeden Fall besser als alle Terminator-Spiel der letzten zehn Jahre.
Where's Waldo? NES 1991
Nur kurz, aber es ist zu absurd, um es ganz liegenzulassen. Und ja, "Wo ist Walter?" oder "Where's Waldo?" in den USA würde heute funktionieren und tut es auch. Es ist der Urvater aller Wimmelbilder. Ihr habt eine Szene, in der alles Mögliche passiert, und irgendwo darin steckt Walter/Waldo, den die Kinder finden sollen. Zeitlose Bücher, bis heute beliebt, echte Klassiker. Das 1991 umzusetzen zu versuchen war an sich schon ambitioniert. Die mit beste Auflösung zu der Zeit war der augenfeindliche Overscan des Amigas mit 704×576. Kein Modus, in dem mal länger als drei Minuten Waldo suchen sollte, aber immerhin. Das NES unterstützte 256x240 und kannte kaum mehr als 50 Farben insgesamt. Damit ein Wimmelbild zu kreieren ist... komplett irrsinnig. Ungefähr so gut, wie man sich das vorstellen würde, funktionierte es auch und die statischen Bilder voller winziger, extrem blockiger Charaktere waren nur dazu geeignet, um Kinder von der Konsole wegzutreiben oder sie zu bestrafen. "Okay, du willst dein Zimmer nicht aufräumen? Kein Problem. Dan Spielst du WALDO!" Ein vollkommen absurdes "Spiel" von der Firma, die nur drei Jahre später The Elder Scrolls: Arena vorstellen würde.
Delta V
Ziemlich direkt im Anschluss von Arena setzte man auf das Modethema Cyberpunk und veröffentlichte mit Delta V 1994 wieder nur für den PC - der jetzt aber schon deutlich auf dem Vormarsch war und den Amiga mehr oder weniger ablöste - einen Rail-Shooter, der eben nicht auf Rails lief. Etwas wie StarFox zu der Zeit zu realisieren, aber mit texturierten Polygonen, war fast noch unbekannt. Die PlayStation war noch Jahre weg und selbst in der Spielhalle hatten nur absolute Top-Automaten wie SEGAs Daytona USA aufwändig texturierte Polygon-Welten zu bieten. Das zu Hause, flüssig, mit einer Cyberpunk-Story? Bitte, hier mein Geld.
Nun, ich bekam all das. Irgendwie. Die Story hatte herzlich wenig Sinn und war oberflächlich - was sie prädestinierte, um in der nächsten P&P-Runde von Cyberpunk genutzt zu werden. Das war aber auch das meiste, was ich aus diesem Spiel ziehen konnte, denn wie sich herausstellte, war Net-Running noch nicht ganz auf dem Niveau der Matrix angekommen. Es bestand darin, durch einen gefühlt endlosen Graben zu fliegen, nicht genau identifizierbare Gegner abzuschießen und nicht alles zu rammen, was da war. Während der feindliche fliegende Geometrie-Kurs noch eine gewisse Herausforderung bot, war das Fliegen dank des sehr gemütlichen Tempos kein Thema. Ja, das Spiel war relativ detailliert, hatte für die Zeit ordentliche Texturen und sogar eine ordentliche Sichtweite. Kein Wunder, simulierte es doch das Web-Matrix-Äquivalent eines Rentner-E-Rollers.
Heute jedoch, mit einer soliden Engine und gutem Tempo ausgestattet? Klar, der Download-Markt macht alles möglich und auch wenn ewige Grabenballereien nicht mehr das Material für Vollpreisspiele sind, da lässt sich was draus machen.
The Elder Scrolls: Battlespire & Redguard
The Elder Scrolls: Arena und der ebenso erfolgreiche Nachfolger Daggerfall veränderten für Bethesda alles und man verwandelte sich vom Entwickler hin zum Publisher, der für eine ganze Weile immer weniger eigene Projekte veröffentlichen würde. Ein wieder mal ambitioniertes Spiel, The 10th Planet, das nicht weniger als die beste Space-Action-Sim seiner Zeit werden sollte, wurde gecancelt, weil die Optik nichts, aber auch gar nichts mit dem absolut fantastischen Trailer gemein haben würde. Nicht im Jahr 1997. Wie sollte ein Spiel mit dem mithalten können, was Roland Emmerichs Firma Centropolis rendern konnte?
Man ersparte sich und allen anderen die vorprogrammierte Enttäuschung und veröffentlichte 1997 und 1998 zwei ungewöhnliche Spiele, die ich heute gerne wiedersehen würde. Das wäre kein Problem, basieren sie doch auf Elder Scrolls und nahmen einfach eine kleine Ecke der weiten Welt, um ein etwas anderes Spiel zu machen. Nach dem Motto "Es muss ja nicht immer RPG-Open-World sein" wandelt Elder Scrolls Legend: Battlespire fast schon auf Survival-Pfaden und fast mit Horror als Anhang. Als Magier in seiner Abschlussprüfung muss der Held durch sieben Levels in Oblivion kommen, da seine eigentliche Prüfung von Dämonen gekapert wurde. Es gibt keine offene Welt, keine Händler, nicht mal Goldstücke. Ihr müsst nehmen, was ihr findet, und Horden von Dämonen mit euren Zaubern erledigen und weiterkommen bis zum finalen Boss. Es ist ein großer Dungeon und der Fokus lag auf Action und Survival. Das Problem war dabei nicht die Idee, die halte ich auch heute noch für absolut gangbar. Es war eher mal wieder so, dass die Engine nicht so stabil lief, wie sie sollte. Der Kampf war für ein darauf fokussiertes Spiel nicht ausgefeilt genug und, ehrlich gesagt, scheiterte das Spiel nicht nur bei mir damals an den Erwartungen an einen "Elder-Scrolls"-Titel. Viele Kritiker ignorierten das "Legend" im Titel, ich auch, und wir waren alle sauer. Es war halt kein großes, offenes Rollenspiel, sondern ein eher kleines Spin-Off. Der Erfolg hielt sich in Grenzen.
Trotzdem wagte Bethesda es nur ein Jahr später, 1998, mit Redguard noch einmal. Man hat allerdings aus dem "Legend"-Debakel gelernt und ließ sich etwas einfallen, was garantiert keiner ignorieren würde: "Elder Scrolls Adventure: Redguard". Hey, das sind eine Menge Buchstaben um Elder Scrolls herum, das wird schon klappen. Nun, in gewisser Weise tat es das. Die neue 3DFX-Engine ließ das Spiel gut aussehen, und bei manchen schmierte es immer wieder mal ab und nicht bei den meisten. Das Action-Konzept eines Third-Person-Metzlers wurde verfeinert und auch wenn es sicher nicht mit den besten im Reigen dieses Genres mithält, auch damals schon nicht, war es ein interessantes Spiel. Ich hatte mich selbst zu dem Zeitpunkt mehr damit abgefunden, dass Elder Scrolls wohl als RPG tot sein dürfte - 1998 dachten wir alle, dass Rollenspiele tot wären, zumindest bis dann Baldur's Gate kam -, und konnte es als das akzeptieren, was es sein wollte. Ein ambitioniertes Spin-off, das eine kleine Geschichte aus einer viel größeren Welt erzählt.
Ehrlich gesagt hätte ich nichts dagegen, wenn Bethesda etwas in der Richtung versuchen würde. Ich weiß nicht genau, was, aber da ist diese riesige Welt, da ist ein hoher Bekanntheitsgrad. Es muss ja nicht immer gleich ein halber Kontinent sein. Vielleicht mal etwas wie Witcher 2 - kleine, detaillierte Locations, Obsidian hat sicher Zeit, um ein paar Quests zu schreiben -, eine persönlichere Geschichte in einer größeren Welt. Vielleicht ein Drachenreiter-Action-Game in Skyrim. Lair hatte schon eine gute Idee, die könnte man doch mal in ein gutes Spiel verwandeln. Oder etwas ganz anderes. Überrascht mich.
Bethesda überraschte nach Redguard keinen mehr, jedenfalls nicht mit Eigenentwicklungen. Sehr konsequent hauten sie in regelmäßigen Abständen in den USA ein Bowling-Spiel und einen Drag-Racing-Simulator raus, und das sehr beständig bis 2006. Alle paar Jahre ein Elder Scrolls, seit Teil 3 auch Fallout, und sonst wurde man Publisher. Hier ging man mit Sachen wie Dishonored auch löbliche ungewohnte Wege, die sich zum Glück häufig genug auszahlten, aber doch wäre es schön, wieder mal ein eigenes Bethesda-Projekt wie in den 90ern zu sehen: komplett überambitioniert, ein bisschen größenwahnsinnig und die Grenzen des Machbaren ein wenig ignorierend. Hey, mit 20 Jahren mehr Erfahrung auf dem Buckel und heutiger Technik? Vielleicht wird es das beste Spiel überhaupt. Oder zumindest kann es schon mal eines der wichtigsten Genres der Zukunft vorwegnehmen, wie es The Terminator in gewisser Weise tat.