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Das Lieblingsspiel 2024 kommt auf PS Plus kostenlos: The Plucky Squire - Der Kühne Knappe liefert voll ab

PC und Xbox'ler bereuen den Kauf vermutlich trotzdem nicht.

Wenn ihr mich fragt, ist das hier die heilige Videospiel-Dreifaltigkeit: Ein Titel mit dem Spielwitz eines hungrigen, unverbrauchten Indies, Ambitionen, die weit über das hinausgehen, was kleinere Teams sonst so abliefern und eine Technik, die mit größeren Titeln problemlos mithalten kann. Das ist im Grunde das volle Paket und nicht weniger als das scheint The Plucky Squire beziehungsweise “Der Kühne Knappe”, wie der deutsche Name so von der Zunge stolpert, abzuliefern.

Ein bisschen mehr als zwei Stunden war ich in der Bilderbuchwelt unterwegs und auch wenn ich jetzt noch nicht sagen kann, wie gut All Possible Futures’ Abenteuer letztlich auf langer Strecke wird: Ich bin mir jetzt schon sicher, dass sein Stil, sein gewinnendes Wesen und die vielen A-ha-Effekte den Titel auf viele Lieblingslisten katapultieren werden. Das Konzept ist einfach wie dafür geschaffen, sich alleine oder mit interessierten Nachwuchs davorzusetzen, wie vor ein schönes (Bilder-)Buch, und sich zusammen über die alle paar Meter zum Staunen anregenden Einfälle zu freuen.

Ein Spiel, das man gesehen haben sollte

Das Konzept, für alle, die das erste Mal hiervon hören, ist eigentlich recht einfach erklärt: Der Kühne Knappe findet zu Beginn allein auf den Seiten eines handgezeichneten Bilderbuches statt, das sichtbar auf einem realistisch gerenderten Schreibtisch im Kinderzimmer eines Jungen liegt. Es beginnt also als Comic-Version eines Zelda, mit einem Art-Design zum Niederknien. Wir reden von einem Stil mit dem Wiedererkennungswert eines Grüffelo, Pettersson und Findus oder Gregs Tagebuch. Man könnte sich den Kühnen Knappen tatsächlich als Kinderbuch von Weltformat vorstellen, so hinreißend sieht das aus.

The Plucky Squire - Der Kühne Knappe in Bildern

Erreicht ihr den Rand einer Seite, wird umgeblättert, was das Spiel oft genug für einen Perspektivwechsel nutzt, etwa, wenn das Buch für eine Sidescroller-Sequenz einen tiefen Schacht hinunter plötzlich hochkant gekippt wird. Hier und da erklärt begleitender Text auf den Seiten, was passiert, aber auch ein charismatischer Erzähler begleitet das Abenteuer immer wieder – im übrigen auch auf Deutsch von einem sehr beschlagenen Erzähler gesprochen. Ihr schlagt mit eurem Schwert, werft es wie Kratos seine Axt, inklusive Rückruf, rollt Angriffen aus dem Weg. Das ist selten schwer, zerhackte Büsche füllen euer sechsfach segmentiertes Herz im Nu wieder auf, aber es fühlt sich trotzdem griffig genug an, um sich irgendwie nach mehr anzufühlen.

Umgebungsrätsel werden vor allem durch das Manipulieren des Textes auf der Seite gelöst, denn gelegentlich könnt ihr ein Wort durch ein anderes ersetzen. Tauscht den undurchdringliche Baumwand des Waldes durch “Ruine” und die Lücken in der Mauer lassen euch vielleicht hindurch. Ein winziges Seerosenblatt auf einem Fluss wird durch Einsetzen des Wortes “riesig” zu einer Brücke darüber. Manchmal müsst ihr sogar das Buch ein wenig vor und zurückblättern, um Begriffe aus früheren Szenen zu bescchaffen. Ach, und wenn man einmal kurz nicht hinschaut, verwandelt sich Der Kühne Knappe schon mal für einen einzigen Kampf, und dann nie wieder, in einen Punch-out-Klon.

Kreativität als Motor

Dieses Spiel dreht sich in allererster Linie darum, euch auf jedem Meter zu überraschen, was ein Grund ist, dass es so schwer aus der Hand zu legen ist. Zumal auch der Look und das Feeling eines hochglänzenden, wertigen Druckerzeugnisses, dessen Charaktere zum Leben erwacht sind, wirklich punktgenau getroffen ist. Und dann hätten wir da vom großen Kniff noch gar nicht gesprochen, wenn nach etwa einer Stunde Hauptfigur Jot von seiner Nemesis aus dem Buch geworfen wird und fortan auch in der realen Welt auf dem Schreibtisch herumlaufen kann. Hier wird The Plucky Squire plötzlich zum 3D-Abenteuer in wunderschön ausgeleuchteter und recht realistisch anmutender Grafik.

Es ist wahnsinnig cool über die Seiten des Buches zu laufen, in die Zellstoff-Welt hinein- und wieder herauszuploppen. Und wenn sich im Papier unter Jots Füßen seine Sidekicks Viola und Krass (Thrash im englischen Original) in Sprechblasen darüber unterhalten, was er in der Dimension außerhalb des Buches so treibt, ist das einfach schwer charmant. Dieses buchstäbliche Um- oder Übergehen der Buchwelt spielt in vielen Rätseln eine zentrale Rolle und ist jedenfalls unfassbar reizvoll. Nie weiß man, was als Nächstes passiert.

Was sicher auch Methode hat, denn dem Vernehmen nach haben die Entwickler das Spiel auf maximale Dichte, nicht Länge, ausgelegt und das kommt wohl nicht nur mir entgegen. Es gibt genug Spiele, die ich vor lauter Systeme und Features kaum in meinen Gaming-Alltag integrieren kann, da kommt mir ein gehaltvoller, herziger Titel mit hoher Ereignisdichte gerade recht. Mehr noch, ich weiß ihn umso mehr zu schätzen, denn er weiß um den Wert unserer Zeit. Ich schlage vor, ihr revanchiert euch beim Kühnen Knappen, indem ihr ihn genau im Auge behaltet.

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