Das macht Resident Evil 4 Remake besser als das Original – und warum ihr natürlich wieder schreien werdet
Unsterbliche Panik.
Ich bin mal vorsichtig und setze für diesen Artikel eine leichte SPOILERWARNUNG zum Beginn des Resident Evil 4 Remakes: Das ist nötig, weil ich auf Unterschiede zum Original hinweisen möchte, die helfen, die Natur dieses Updates zu charakterisieren. Ich denke, ihr verkraftet es.
Während das Intro zur Demo von Resident Evil 4 Remake läuft, wird mir klar, dass ich eine Sache an Capcoms Neuauflagen besonders mag: Mit dem nunmehr dritten Spiel, das nach ähnlichen Regeln in die Neuzeit geholt wird, etabliert Capcom gerade einen Ton, der einheitlicher ist, als die alte Resident-Evil-Reihe das jemals war. Resident Evil 2, 3 und 4 fühlen sich an wie aus einem Guss und ich muss sagen, das gefällt mir ausgezeichnet.
Resident Evil ist mit seiner Modernisierung eine kohärentere Geschichte geworden – und der Schritt, Resident Evil Village mit der Gold-Version eine Third-Person-Perspektive zu kredenzen, zerrt alles nur noch fester zusammen. So kann es gerne weitergehen. Beinahe würde ich mir wünschen, auch der erste Teil bekäme noch einmal diese Sorte Behandlung. Doch erst einmal: Resident Evil 4 Remake, das ich letzte Woche vorab schon anspielen durfte! So viel vorweg: Das wird große Klasse!
Wie schon beim Resident Evil 2 Remake wurde das komplette Spiel so nachgebaut, dass man zwar den Ton und die entscheidenden Beats vermittelt, aber alles zeitgemäßer wirkt. Und ja, ich habe auch das Gefühl, dass alles etwas größer angelegt ist. Und vor allem finsterer, was sicher auch der RE Engine geschuldet ist, die mit Licht sehr gut umgehen kann. Die Atmosphäre wirkt direkt noch unheimlicher, weil der Wald am Anfang organischer und geheimnisvoller wirkt und man im Unterholz alles Mögliche vermutet. Auch ist er eine Idee weitläufiger. Anstatt direkt zu Beginn das erste Häuschen zu sehen, irrlichtert man eine Idee länger den Pfad entlang. Schön, denn so hat man Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, was gerade auf einen lauert und warum Leon für diesen Auftrag nur sieben Schuss für eine bemitleidenswerte 9 mm mitgenommen hat.
Ansonsten sieht das hier aus, wie die Welt, in die man sich des Nachts nach einem durchspielten RE4-Tag hineingeträumt hat. Im Gegensatz zum etwas grau-bräunlichen Original eher hyperreal, ein wenig übersteigert, aber wundervoll plastisch und schmutzig. Die Bärenfallen, die Krähen, die man für eine Chance auf Items abschießen kann, wenn einem seine Munition nichts wert ist – alles noch da, nur eben anders, glaubwürdiger, dreckiger und weiter. Es sieht auf die gute Art räudig aus, dieses Spiel. Am Haus selbst gibt es dann eine Lektion, wie man geschickt die Erwartungen der Fans gegen sie verwendet. Wir alle erinnern uns an das erste Treffen mit dem Dorfbewohner, nur dass es hier ganz anders verläuft. Das beginnt schon außen, weil das Gebäude deutlich größer ist und aus mehr Zimmern und sogar einem Keller besteht. Es lohnt sich also, sich genau umzuschauen.
Drinnen, beim ersten Aufeinandertreffen, dann die nächste Überraschung. Denn nicht nur hat Leon ein paar Brocken Spanisch gelernt, er schickt den plötzlich aggressiven Mann in einer Zwischensequenz selbst auf die Bretter, anstatt dass ich selbst am Drücker wäre. Danach darf ich erst einmal das Gebäude weiter erkunden, mache im Keller … eine leckere Entdeckung und muss mich dann aus dem Staub machen. Auf dem Weg nach draußen kommt mir dann der totgeglaubte Dörfler dezent mutiert entgegen, was im Gegensatz zum Original direkt klarmacht, dass wir bei diesen Zeitgenossen nicht allzu zimperlich sein müssen. Ein kluger Schachzug, der mich ein wenig sorgloser in die kommenden Metzeleien entlässt.
Noch bevor ich das Haus verlassen kann, betreten einige weitere Dorfbewohner das Haus, sichtlich auf der Suche nach mir. Das Coole ist, sie suchen tatsächlich, denn sie wissen nicht, wo ich bin. Hier kommt ein neues Feature ins Spiel, das ich extrem spannungsfördernd fand: Stealth-Elemente, denn Leon kann neuerdings schleichen. Durch einen Riss in der Wand (der damals nicht da war) beobachtete ich für einen Augenblick meine Verfolger und verzog mich dann heimlich, still und leise. Ich hätte hier auch kämpfen können und sogar Stealth Kills sind möglich, wenn man sich von hinten anschleicht. Doch so weit war es mit meinem Mumm in dieser Szene noch nicht. Und sowieso: Auch das will wohlüberlegt sein, denn das dazu nötige Messer ist diesmal ein Verbrauchsgegenstand, eine Ressource, die irgendwann zerbricht. Ich finde es fantastisch, dass mir Resident Evil 4 Remake die Wahl in dieser Hinsicht gibt und bin überzeugt, dass Capcom die Szenarien so designt, dass die Meidetaktik nicht übermächtig wird.
Ich wähle also den einfacheren Weg und mache mich im geduckten Gang aus dem Staub, die Treppe hoch (damit klar ist, dass es Horror ist!), wo ich in einem weiteren neuen Raum einen ersten Hinweis auf Ashley finde. Leons Kommunikation mit Assistentin Hunnigan daraufhin ist auch erstmals nicht als statischer Bildschirm mit animierten Porträts inszeniert, sondern deutlich natürlicher. Ein paar Meter weiter geht es über eine Hängebrücke in einen Wald mit moosbewachsenen Bäumen und verfallenen Hütten, wo ich erstmals eine weitere Messertaktik lerne: das Parieren. Drückt man im richtigen Moment die R1, wehrt man einen Angriff ab und wirft den Gegner zurück. Der gerät ins Taumeln und kann mit einem Tritt zu Boden geschickt werden. Auch hierbei verliert das Messer allerdings an Stabilität.
Weiter durch den Wald geht es dem schicksalhaften Dorf entgegen, das ebenfalls einige Änderungen erfahren hat. Zunächst hatte ich Sorge, dass Schleichen, Stealth-Kills und Paraden ein wenig den Druck aus dieser legendären Szene nehmen würden, aber tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Irgendwann bricht um den Scheiterhaufen herum so oder so die Hölle los und das Schreien der Kettensäge klirrt unerbittlich in euren Ohren. Spätestens dann erzeugt die Anwesenheit der Parade für eine weitere Option, die aber vor allem auch mit einem Risiko verbunden ist: Vielleicht schafft man es, eine Attacke abzuwehren und kann danach noch einen schönen Tritt platzieren, der mehrere Gegner kurz von den Beinen holt. Aber was, wenn nicht? Ist Rennen nicht die bessere Option? Alleine das Abwägen dieser Möglichkeiten machte mich nervös.
Auch hier verläuft einiges anders. An einigen Stellen zerstört der Kettensägenriese die Stützbalken von Unterständen und Gebäudeteilen und schränkt damit meinen Bewegungsspielraum empfindlich ein, was für meinen Puls alles andere als gut ist, denn parallel dazu fluten mehr Feinde den Platz, als ich töten kann. Man fühlt sich wahnsinnig beengt und einfach... na ja... "Yikes"! Andernorts fängt in der Mitte des Gefechts plötzlich ein Rind in einer Scheune Feuer, rennt dann panisch durch die Menge und reißt ein paar Feinde mit in den Tod. Sogar die Flucht auf den Glockenturm hat eine Überraschung parat, auf die ich nicht gefasst war. Sonst wäre es aber wohl auch keine Überraschung.
Alles in allem fängt die Szene genau wie damals dieses wundervoll kribbelige, frenetische Gefühl von tödlichem Verfolgungswahn ein. Das hat Resident Evil 4 über Nacht zur Sensation gemacht – und provoziert mich im Remake immer noch zu schrillen, spontanen Lauten, wie sie für wahnsinnig männliche Gewinnertypen wie diesen Alex hier so typisch sind. Es ist ein Spielemoment für die Ewigkeit – durch dieses Remake für zeitgemäße Geschmäcker konserviert und an genügend Stellen auffrischt, um auch Fans des Originals auf dem falschen Fuß zu erwischen. Steuert sich traumhaft, sieht fantastisch aus – und schlägt mit mehr Mut zu Finsternis und Dreck möglicherweise sogar einen entspannteren Spagat zwischen Horror und Action als die Vorlage Anno 2004.
Wirklich schade, dass es an dieser Stelle auch schon wieder vorbei war, mit der Demo. Das war eine eindrückliche halbe Stunde mit einem Spiel, auf das ich mich jetzt wahnsinnig freue.
Resident Evil 4 Remake erscheint am 24. März 2023