Skip to main content

Das neue, alte Tamagotchi in Zeiten der Generation Smartphone

Mehr Nostalgie als alles andere.

"Kinder der 90er können ein Stück ihrer Kindheit neu erleben", versprach Bandai Namco jüngst, als das Unternehmen die Rückkehr des digitalen Haustiers Tamagotchi im Oktober verkündete. In diesem Jahr feiert es seinen 20. Geburtstag und anlässlich dessen veröffentlichte das Unternehmen den Klassiker erneut auf dem hiesigen und in anderen Märkten.

Nun, neu erleben konnte ich meine Kindheit nicht. Damals, als das Tamagotchi im Jahr 1997 die Herzen vieler Kinder eroberte, ging der große Hype weitestgehend an mir vorbei. Ich hatte keines und bei meinen Freunden bekam ich ebenso wenig eines zu Gesicht oder in die Hände. Ich war neugierig. Wie ist es, so ein Tamagotchi zu haben? Wie ist es, sich darum kümmern zu müssen? Und verspüre ich heute noch etwas von dem damaligen Hype?

Also adoptierte ich eines der digitalen Haustiere, das auf seinem pixeligen LCD-Bildschirm hin und her springt, nach essen und Aufmerksamkeit verlangt und schläft. Wie das bei neuen Haustieren so ist, werfe ich zuerst einen Blick in die Bedienungsanleitung, schließlich will ich ja nichts falsch machen. Die Funktionen sind aufgrund der gerade mal drei vorhandenen Buttons eher eingeschränkt, viel Interaktion gibt es nicht. Im Grunde müsst ihr nur schauen, dass ihr es füttert, ihm ein bisschen Aufmerksamkeit schenkt und nachts das Licht ausknipst.

Meine Erkenntnis der ersten Stunden: Das Tamagotchi verkriecht sich zur selben Zeit ins Bett wie ich. Morgens schläft es knapp eine Stunde länger. Ich spüre einen Anflug von Neid. Bereits am ersten Tag geht mir das eher penetrante Piepsen des Tamagotchi auf die Nerven, wenn es etwas von mir will. Sofort erschließt sich mir, wie sich damals Millionen Eltern fühlen mussten, als ihre Kinder damit hantierten. Mit einigen Jahren Verspätung haben sie sich mein Mitgefühl verdient. Den Sound schaltete ich danach nicht wieder an und erfreute mich an der Ruhe. Ich schaute dann zwar ein paar Mal mehr auf den Bildschirm, als ich es sonst getan hätte, aber das ist ja nicht weiter schlimm.

Nachdem mein Tamagotchi ausgewachsen war, packte mich die Neugier, ob hinter den sechs möglichen Varianten des Haustiers eine tiefere Bedeutung steckt oder nicht. Ich suchte im Internet und fand heraus, dass mein virtueller Schützling anscheinend eine schlechte Gesundheit hat und tendenziell jung stirbt. Na toll. Nichtsdestotrotz kümmerte ich mich weiter darum, statt einfach den Reset-Knopf zu drücken und von vorne zu beginnen.

Möglichst regelmäßig versuchte ich, einen Blick auf das Display zu werfen, die Häufchen wegzuräumen und es mit Futter zu versorgen. Halt das, was bei einem Haustier so anfällt, selbst wenn es nur virtuell ist. Recht schnell stellte sich dabei eine gewisse Monotonie ein. Alles Wichtige erledigt und dann wird es für die nächsten Stunden wieder zur Seite gelegt. Und zwischendurch besteht kein großer Anreiz, damit etwas anzustellen. Durchgehalten hat es insgesamt rund zwei Wochen, bevor es vor kurzem das Zeitliche segnete. Jetzt prangt ein Grab auf dem Bildschirm und es ruht in Frieden.

RIP

Meine Motivation, neu anzufangen, hält sich in Grenzen. Die Begeisterung, die das Tamagotchi damals und seither entfachte - bislang wurden mehr als 82 Millionen Stück verkauft -, kann ich zumindest in dieser Originalform nicht nachempfinden. Ich vermute, es liegt daran, dass sich die Zeiten mittlerweile geändert haben, die Welt hat sich weitergedreht und die Technik hat Fortschritte gemacht. Ich empfand es zum Teil eher lästig, dieses Ei ständig zusätzlich einzupacken und mit mir herumschleppen zu müssen, damit ich mich um mein virtuelles Haustier kümmern kann. Es spornte mich nicht dazu an, das zu wollen, vor allem zum Ende hin verkam es eher zur Pflichtaufgabe.

In der Zeit, in der das Tamagotchi auf den Markt kam, konnte man von Smartphones nur träumen. Ich freute mich über Snake auf meinem Nokia-Handy und das Tamagotchi-Ei mitzunehmen, war eine der wenigen Möglichkeiten, seine Spieloptionen unterwegs ein bisschen zu erweitern. Zumindest sofern man keinen Game Boy hatte. Aber heute sieht das alles ein bisschen anders aus. Nahezu jeder hat ein Smartphone und Hunderte, tausende Apps und Spiele buhlen um eure Aufmerksamkeit. Darunter übrigens Tamagotchi Classic, das für ein Viertel des Preises dieses Retro-Tamagotchi-Eis erhältlich ist. Damit seid ihr eigentlich besser beraten, wenn ihr das virtuelle Haustier heutzutage erleben wollt. Es sein denn, ihr gehört zu denjenigen, die wirklich die Originalerfahrung mit dem Ei haben wollen.

Grundsätzlich war es für mich eine nette Gelegenheit, diese ganze Tamagotchi-Sache aus erster Hand zu erleben. Immerhin bin ich nun nicht nur als Redakteur, sondern ebenso als Spielbegeisterter um eine weitere Erfahrung reicher. Brauchte ich das heutzutage unbedingt? Eher nicht. Vielleicht hätte ich als Kind oder Jugendlicher anders darüber gedacht, wenn ich seinerzeit ein Tamagotchi bei mir aufgenommen hätte. Ich weiß es nicht. Sofern in den nächsten Jahrzehnten niemand eine Zeitmaschine erfindet, werde ich es auch nicht mehr herausfinden. Und wenn ich ehrlich bin, so scharf bin ich darauf sowieso nicht.

Schon gelesen?