Das schönste Spiel der gamescom? The Plucky Squire ist genauso wundervoll, wie es der Trailer versprach
So geht Genre-Mix!
Seit dem ersten Trailer von The Plucky Squire ist klar, dass auf diesem Spiel mein Name steht. Etwas derart Kreatives und in seiner Prämisse Anregendes hatte ich lange nicht gesehen. Seit einer Weile ist klar, dass der technisch beeindruckende Genre-Mix von All Possible Futures und Devolver erst 2024 erscheinen wird, was mich aber nicht davon abhielt, mir den Titel auf der gamescom hinter verschlossenen Türen einmal ausgiebig demonstrieren zu lassen.
Natürlich bedeutet das, dass ich es leider nicht selbst gespielt habe, aber binnen 30 Minuten vermutlich einen umso besseren Überblick darüber bekommen habe, was The Plucky Squire eigentlich ist. Das Erste und vielleicht wichtigste, was es ist: Es soll kein allzu langes Spiel werden, denn die Entwickler setzen alles darauf, den Spieler von einem Moment zum nächsten zu überraschen. Von fünf bis sieben Stunden war die Rede und ich weiß nicht, wie es euch geht, aber zwischen Baldur’s Gate, Armored Core und Starfield bin ich jedes Mal froh, wenn ich von überschaubaren Spielen wie diesem höre. Das bedeutet natürlich auch, dass ich mir schon einen guten Teil dieses außergewöhnlichen Titels auf der Messe habe verderben lassen. Aber hey, Berufsrisiko!
Also, The Plucky Squire will eine Art Wundertüte für Leute sein, die Spiele lieben. Auf dem Parkett eines von oben inszenierten Zelda-Klons, der auf den Seiten eines niedlichen Bilderbuches stattfindet, dreht All Possible Futures ein paar mächtig wilde Pirouetten. Das beginnt damit, dass der böse Zauberer Humgrump so neidisch auf den Helden Jot war – dem titelspendenden “beherzten Knappen” –, dass er ihn buchstäblich aus dem Buch warf.
Für einen Augenblick fand sich der eigentlich handgezeichnete Jot plötzlich in der realen Welt wieder, auf dem Schreibtisch des Kindes, dem das Buch gehört. Hier wechselt der komplette Artstyle von einem 2D-Indie-Abenteuer mit wahnsinnig hohem Wiedererkennungswert in ein 3D-Action-Adventure vor fast fotorealistischer Kulisse. Der Wechsel zwischen beiden Welten wird fortan zum zentralen Antrieb des Spiels. Wo immer ein magischer Kringel auf einer Buchseite oder anderen Stücken Papier zu sehen ist, kann Jot von der 2D-Welt in die reale und zurückspringen.
Das ist nicht nur visuell sehr effektvoll, sondern auch spielerisch cool, wenn man auf der rechten Buchseite einen Schlüssel findet, die dazugehörige Tür auf der Linken aber wegen der gezeichneten Level-Begrenzung nicht erreichen kann. Springt einfach an einem Kringel auf der linken Seite in die “echte” Welt, mit dem Schlüssel in der Hand, und wuchtet ihn zum Krinkel auf der rechten Seite, wo ihr nun die Tür aufbekommt. Ihr seht schon, das wird bisweilen alles sehr meta, etwa wenn Jots Freunde Violet und Thrash, die ihn in der Bilderbuchwelt begleiten, begreifen, dass auch sie nur Nebenrollen in einer Geschichte spielen.
Und das zieht sich eben so durch, auf regelmäßig sehr erheiternde Weise, die einlädt, mit dem kuriosen Regelwerk dieser Welt zu spielen. An einigen Stellen tauscht ihr einzelne Wörter des Buchtextes aus, um etwa ein riesiges Monster in ein kleines zu verwandeln oder ein verschlossenes Tor in ein offenes. Ich hatte durchaus das Gefühl, dass man hier im kleinen Rahmen auch etwas experimentieren darf, wo die Wörter noch einsetzbar sind und welchen Effekt sie dort erzielen.
Das Highlight war aber ein Abschnitt, in dem Jot klarwurde, dass er einen Bogen brauchen würde, um einen Schwarm Fledermäuse zu besiegen. Den hatte aber keiner der drei Helden einstecken. Die Lösung: Eine ganz bestimmt nicht von Magic the Gathering abgeschaute Spielkarte einer Elfen-Waldläuferin auf dem Bauklotz- und Regale-Gipfel hinter dem Schreibtisch des Kindes. Eine Puzzle-Plattform-Passage die Hindernisse hinauf später liefert sich Jot im Artwork der Karte ein rundenbasiertes Gefecht mit der Elfin, die ihn nach seinem Sieg mit dem Bogen als Leihgabe belohnt. Zurück im Bilderbuch nutzt Jot die Waffe dann in einer kurzen Fadenkreuz-Shooter-Einlage, um die Fledermäuse zu beseitigen. Spielerisch nicht wahnsinnig anspruchsvoll, das alles, aber mit viel Witz und Liebe zum Detail umgesetzt.
Gleichzeitig merkte man, dass The Plucky Squire noch nicht fertig ist. Über die Natur eines bestimmten Sammelgegenstandes konnte man uns noch keine Auskunft geben. Und es klang nicht danach, als wäre das ein Geheimnis, sondern eher so, als experimentiere noch, was genau man nun damit anstellen wird. Alle inhaltlichen Systeme scheinen demzufolge noch nicht an Ort und Stelle zu sein.
Abgesehen davon aber war es ein umwerfend charmanter erster Live-Auftritt von The Plucky Squire, dessen Art Direction unmittelbar ikonisch ist. Ich warte gerne noch ein bisschen hierauf – nicht zuletzt, damit ich von dieser eindrücklichen Präsentation etwas Abstand gewinne und mich dieses Spiel im nächsten Jahr von Anfang bis Ende überraschen kann.