Das Spiel des Jahres 2024 - wenn ihr die Eurogamer.de Redaktion fragt
Die Lieblinge von Ana, Leonie, Melanie, Markus, Martin, Alex und den Benjamins.
Für die Leserwahl habt ihr ja schon eure Stimmen abgegeben und uns geschildert, welche Titel eure Lieblinge waren. Jetzt sind wir an der Reihe und quasseln ein wenig über die Titel, die uns dieses Jahr am meisten umgetrieben haben. Genauer gesagt, über den einen Titel, den wir am besten fanden. Natürlich mochte jeder von uns viele, viele Spiele dieses Jahr, aber die kommen in den 2. traditionellen Eurogamer.de-Awards noch zur Sprache – und natürlich in unseren Kommentaren zur Leserwahl.
Also, hier sind sie, die Lieblingsspiele Spiele des Jahres jedes einzelnen Redakteurs
Ana: Metaphor ReFantazio – ein ganz besonderes Kunstwerk, verkleidet als JRPG
Keine Ahnung, wie ich mich in diesem Jahr für ein Atlus-Spiel entscheiden soll, mein Favorit wechselt jeden Tag, aber wenn ich das Gesamtwerk betrachte und dabei eine Neuauflage weglasse, darf es ganz objektiv eigentlich nur einen JRPG-Gewinner geben und das ist natürlich Metaphor ReFantazio. Ich bin so froh, dass Studio Zero sich nicht für Persona 6 entschieden hat, sondern stattdessen einen ganz neuen, unabhängigen Titel (im komplett unerwarteten Fantasy-Genre) hervorzauberte.
Auch mal etwas anderes zu probieren, das hat ja schon bei Catherine wunderbar funktioniert. Metaphor ReFantazio hat sich mächtig ins Zeug gelegt: Das flexible Jobsystem, die reichhaltige Welt, ein einzigartiges Menü-Design und die unterschiedlichen Charaktere mit ihren ganz eigenen Intentionen im Kampf um den Königsthron, wären schon genug, um es meinem JRPG des Jahres zu machen. Aber dann ist da ja noch der OST von Shoji Meguro, der das Spiel mit seinem Buddha-Rap zu einer absoluten Suchtmaschine machte. Denn so vergisst man auch die etwas längeren Passagen in den Dungeons. Abgesehen davon, genieße ich es noch bis heute, jeden Dialog in Ruhe zu lesen und gedanklich sinken zu lassen, denn die philosophische Tiefe, die in vielen Haupt- und Nebenaufträgen verborgen liegt, erinnert mich an Shin Megami Tensei (und die Reihe ist mein heiliger Gral, zumindest was die Darstellung von Moralkonflikten anbelangt).
Metaphor ReFantazio ist das Resultat dessen, was Atlus in 35 Jahren Entwicklung gelernt hat. Es behält zu jeder Zeit seine Einzigartigkeit bei und füllt sie mit neuer Kreativität. Dass man es dabei noch vollbringt, einen frischen Blick auf Fantasy zu werfen, eine Themenwelt, die fürs Studio komplettes Neuland ist, während man bei den Bossen Hieronymus Bosch zitiert, macht diesen Titel zu einem wahren JRPG-Juwel dieses Jahr. Nächstes Mal aber, liebes Atlus-Team, darf euer Spiel ruhig auch mal 10-30 Stunden kürzer sein.
Melanie: Neva ist, wenn Schönheit sprachlos macht
Ihr kennt mich als Fan von kompetitiven Spielen, schnellen Shootern und dem ein oder anderen Kartenspiel. Dennoch ist Neva bei mir ganz oben gelandet. Ein stimmungsvoller, ruhiger Plattformer, von dem ich eigentlich gedacht hätte, dass ich nicht geduldig genug für ihn wäre. Doch in mir schlummert auch eine Liebhaberin von besonders ausdrucksstarken und emotionalen Spielen, die dann auch noch thematisch all das in mir berühren, für das mein Herz seit Jahren brennt. Das Spiel erinnert nicht nur optisch und durch die kämpfende Frau mit dem riesigen Wolf an Ghiblis Prinzessin Mononoke. Nein, Neva macht hinter seiner bezaubernden Grafik auf Umweltprobleme aufmerksam und erzählt die traurige Geschichte einer wunderschönen, aber sterbenden Welt.
Mit Kreativität, Ideenreichtum und dem Wissen über die richtigen wunden Punkte zum Aktivieren eurer Tränendrüse hat mich Neva einfach mitgerissen. Die Verbindung zwischen Alba und Wölfin Neva wächst merkbar im Laufe der recht kurzen, aber bedeutungsschweren Geschichte. Dazu kommen ein stimmungsvoller Soundtrack, überraschend spannende Kämpfe und eine melancholische Atmosphäre, die schmerzlich bewusst macht, dass auch all das Schöne auf dieser Welt dazu verdammt ist, irgendwann zu sterben. Das kleine Kunstwerk vereint leichte und schwere Kost zu einem gefühlsbetonten Abenteuer, das mich in einigen Momenten sprachlos zurückgelassen hat.
Benjamin Jakobs: Dragon Age: The Veilguard müllt mich nicht mit sinnlosem Zeug zu
Bei Dragon Age: The Veilguard hatte ich dieses Jahr das Gefühl, dass es meine Zeit und Geduld respektiert, indem es mich in mehrerer Hinsicht nicht mit sinnlosem Zeug überschüttet. Ich hatte etwa nicht den Eindruck, dass die überschaubaren Nebenquests verschwendete Zeit sind. Zumindest hatte ich mehr Spaß daran als in den Vorgängern. Und mir gefiel sehr, wie die ausufernden Questreihen der Begleiterinnen, Begleiter und Fraktionen miteinander verwoben sind. Und das Wichtigste: Ich muss mich hier nicht durch tausende nutzlose Items wühlen, die mir in anderen Spielen das Inventar überfluten und eigentlich sowieso nur da sind, um sie auszuschlachten oder zu verkaufen. Mag sein, dass das typisch RPG ist, aber manchmal nervt es mich so dermaßen.
So konnte ich mich auch weit mehr und besser auf die Story konzentrieren, deren Inszenierung mich, wie auch das Kampfsystem, echt begeistert und an den Bildschirm gefesselt hat. Man merkt zugleich deutlich den Sprung, den BioWare besonders in technischer Hinsicht seit den ersten beiden Teilen gemacht hat. Wundervolle Fantasy-Welten, gut aussehende Charaktere und ich liebe diese Haarphysik. Es ist schön zu sehen, wie der eigene Charakter im Laufe des Spiels immer mächtiger wird, und ich mag das damit einhergehende, actionreichere Gameplay, wie meine Schurkin über das Schlachtfeld huscht, von Gegner zu Gegner springt, zuschlägt und aus der Ferne mit Pfeilen bombardiert.
So schnell wie Dragon Age: The Veilguard habe ich schon lange kein Spiel mehr durchgesuchtet - und ich war am Ende immer noch rund 90 Stunden damit beschäftigt. Ja, das lag zum Teil sicherlich daran, dass ich dank Corona einige Tage kränkelnd auf der Couch verbrachte und mich irgendwie beschäftigen musste, doch ich hätte es nicht getan, wenn ich nicht so viel Freude damit gehabt hätte. Für mich hat sich die lange Wartezeit auf Teil vier gelohnt, bis zum nächsten Teil dauert's hoffentlich nicht so lange.
Alex: Indiana Jones und der Große Kreis als perfektes Abenteuer
Für mich war es ein starkes Jahr – und doch fiel mir am Schluss die Entscheidung leicht: Denn Indiana Jones und der Große Kreis ist das beste Lizenzspiel, das ich je zocken durfte, zu dem Popkultur-Werk, das mir offenkundig am meisten bedeutet. Dass dem so ist, das merkte ich zwar auch erst, als ich mittendrin war. Dann aber umso mehr, wenn allein Indys Schattenriss an einer Wand vor mir intensive Glücksgefühle in mir weckte.
Schon lange wünsche ich mir ein Action-Adventure, das nach Art des ersten Tomb Raider kaum oder gar nicht auf Action setzt und die Erkundung und das Rätseln in den Vordergrund stellt. In dieser Hinsicht liefert Machine Games dermaßen übertrieben gut ab, dass ich das erste Mal in einem Spiel mit optional durchaus ordentlichem Action-Anteil komplett die Schusswaffen vergaß. Einfach nur ich, in der ägyptischen Wüste und den Grabmalen darunter. Dazu eine flotte Handlung mit erinnerungswürdigen Charakteren und wuchtige Faustkämpfe gegen Nazis. Das war für mich pure Magie in diesem Jahr.
Das Spiel ist sicher nicht frei von jeder Kritik. Eine Menge Titel haben bessere KI oder ausgefeiltere Schleichsysteme. Aber nur wenige Games treffen so genau den Geist des angepeilten Erlebnisses wie dieses hier. Der Große Kreis ist der beste Abenteuerfilm, in dem man auch mitspielen darf und besser als die letzten Kinoauftritte unter Beteiligung von Harrison Ford. Ein respektvolles und wundervoll unterhaltsames Denkmal für den größten Helden meiner Kindheit. So kann popkulturelle Unsterblichkeit also auch aussehen!
Martin: Astlibra Revision - Das Souls-2D-Action-J-RPG, das die Welt noch dringend brauchte
Mein Spiel des Jahres - ja, ich weiß, Ende letzten Jahres erschienen, aber ich habe es erst nach Silvester gespielt, damit zählt es für mich - ist der verrückte Traum eines einzelnen Japaners, der seit Mitte der 2000er an Astlibra herumbastelt. KEIZO startete und beendete sein Traumspiel als Hobby, aber nicht, weil er die perfekte Idee hatte, die sonst keinem kam, sondern weil es nicht genug Games nach seinem Geschmack. Zugegeben, zu der Zeit gab es wirklich nicht viele 2D-Action-RPGs. Hätte er gewusst, was die Indie-Zukunft bringt, hätte er sich vielleicht die Mühe gespart.
Aber wenn man schon mal dabei ist, macht man eben ein visuell so komplett gegen die Wand gefahrenes Etwas, das durch diese Wand bricht und schon wieder einen ganz eigenen Charme hat. Packt dazu ein gleichzeitig recht simples und aber mit Optionen vollgestopftes Kampfsystem, das sich irgendwie im Endergebnis dann herausragend spielt. Dann eine hinreißend verworrene Zeitreise-Lovestory und das klare Gefühl, dass die Fertigkeiten des Entwicklers mit jedem Level stiegen und ihr so die Entwicklung im Laufe des Spiels mitverfolgt, dann ist das Ergebnis eben Astlibra. Ein Spiel, das es irgendwie schaffte, soweit aus der Zeit zu fallen, dass es wieder in sie hineinpasst. 2D und Action-RPGs, das ist in Mode und Astlibra Revision nun mittendrin, zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ein Happy End für die persönliche Development Hell eines Fans mit einem Traum.
Und ja, ich weiß, dass es eigentlich Ende 2023 erschien, aber ich habe es 2024 getestet. Whatever, Astlibra hat all die Aufmerksamkeit verdient, die es bekommen kann.
Markus: Helldivers 2 – perfektes Chaos im Kampf für Demokratie und Freiheit!
Mein Spiel des Jahres ist Helldivers 2. Zum einen, weil ich die Anlehnung ans Starship Troopers-Franchise mit seiner völlig überzogenen Gewalt und fanatischen Indoktrination seit dem ersten Film liebe, zum anderen, weil es einfach ein gelungener Koop-Shooter ist, der bei mir für viele Lacher gesorgt hat. Er bietet kurzweiligen Spaß (je nach Mission 15 bis 45 Minuten), in den man sofort einsteigen kann, ohne davor Bossguides auswendig lernen oder die Ausrüstung eine Stunde lang vorbereiten zu müssen. Die Kämpfe sind actionreich und nicht selten enden sie trotz totalem Chaos im Erfolg - jeder hat schon mal eine falsch platzierte 500-KG-Bombe auf den Kopf bekommen oder ein Teammitglied "aus Versehen" mit dem Orbital-Laser gegrillt.
Es gibt viele verschiedene Welten / Missionen / Gegner-Variationen, sodass für genügend Abwechslung gesorgt ist und man sich individuelle Taktiken überlegen muss. Es gibt regelmäßig Neues: Erst kürzlich ist mit den Illuminate eine altbekannte Fraktion hinzugekommen, die beim Kampf zur Verbreitung von gelenkter Freiheit und Demokratie eine weitere Front eröffnet. Überhaupt haben sich die Entwickler ein Fleißsternchen verdient, denn die Kommunikation mit der Community ist hervorragend und man hört auch auf Wünsche und Kritik und setzt sie schnellstmöglich um.
Leonie: Silent Hill 2: Das Remake, von dem ich nie gedacht hätte, dass es mich so begeistern würde
Jahren stand ich vor meinem liebsten Gaming-Store und sah durch die Glasscheibe direkt auf die PS2-Spiele. Dort lag es: mein absolutes Wunschspiel. Doch leider hatte das USK-18-Schildchen immer das letzte Wort, und so vergingen Jahre, bevor ich das Spiel selbst spielen konnte. Jetzt, Jahrzehnte später, halte ich das Remake in den Händen – es fühlt sich schockierend gut an.
Das polnische Entwicklerstudio Bloober Team hatte zwar einige Achtungserfolge zu verbuchen, war zuletzt aber nicht gerade für herausragende Horrorspiele bekannt. Und Konami hatte nach Kojimas Weggang ebenfalls keinen nennenswerten Erfolg vorzuweisen. Die ersten Trailer zum Remake wirkten für mich fast wie ein schlechter Scherz. Doch als ich das Spiel endlich selbst spielen durfte wurde mir klar: Das Remake ist viel mehr als leere Versprechungen.
Die emotionale Tiefe des Spiels hat mich überrascht. Luke Roberts’ Darstellung von James Sunderland war in Performance-Capture und stimmlicher Vertonung beeindruckend und von subtilen Tränen in James’ Augen bis zum ekelerfüllten Griff in ein widerliches Klo spielte der Titel mitreißend auf meiner Gefühlsklaviatur. Sogar kampftechnisch hatte sich das Spiel weiterentwickelt. Besonders bemerkenswert fand ich, wie Bloober Team die Bosskämpfe modernisiert hat.
Dank neuer Enden und kluger Anpassungen an moderne Mechaniken hat das Silent Hill 2 Remake nicht nur meine Erwartungen übertroffen, sondern sich auch zu meinem Spiel des Jahres entwickelt. Liebes Bloober Team: Ich will mehr!
Benjamin Schmädig: Stellar Blade – Das perfekte Actionspiel ist für mich auch das Spiel des Jahres
Selten fiel es mir so schwer, das eine „mein Spiel des Jahres“ zu küren. Nicht, weil es 2024 zu wenige gute Spiele gegeben hätte! Ganz im Gegenteil: Ich fühlte mich in den vergangenen zwölf Monaten ausgesprochen gut unterhalten. Es gab für mein Empfinden allerdings auch nicht diesen einen wegweisenden Titel, der mir die Augen in Richtung kreativer Zukunft geöffnet hätte.
Ich mach’s deshalb einfach so: Titel, denen ich einen Award vergeben habe - die verleihen wir in den nächsten Tagen -, fallen an dieser Stelle durchs Raster. Und dann wird es sogar recht einfach, denn ein Spiel will ich unbedingt noch hervorheben und das heißt Stellar Blade. Alleine die packenden Bosskämpfe – dynamischer und mitreißender als die der Soulslikes, wenn ihr mich fragt – sind ein famoser Hochgenuss!
Dazu die für mich stärksten Ohrwürmer des Jahres in einem gigantischen zehnstündigen Soundtrack sowie das unheimlich motivierende Erkunden, weil man hinter jeder Ecke noch zwei weitere findet, an denen eine wertvolle Belohnung oder die nächste Gabelung warten.
Stellar Blade erfindet das Videospiel mitnichten neu. Es ist aber so rund, dass ich es damals als perfektes Actionspiel bezeichnet habe – gut, von der vorhersehbaren Geschichte vielleicht mal abgesehen. Und an diesem hervorragenden Eindruck hat sich bis heute nichts geändert.