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Das Spiel, mit dem keiner gerechnet hat: Flashback HD

Wie Vector Cell nach Amy das Vertrauen der Spieler zurückgewinnen will.

Im Januar flatterte ein erstes Bild von etwas durchs Netz, das verdächtig nach einem in zeitgemäßer Optik nachgebauten Flashback aussah. Mehr als den einen Screen gab es aber nicht, keiner machte den Mund auf und so konnte sich niemand so wirklich sicher sein, ob es sich um eine tatsächlich existierende Neuauflage des Amiga-Klassikers oder um hoffnungsfrohes Fan-Artwork handelte. Wellen schlug es so oder so keine sonderlich großen, was angesichts der großen Verehrung, die aller Orten für Flashback vorherrscht, schon ein bisschen überraschte.

Auch meine Überraschung war groß, als ich auf einmal und ohne Vorwarnung Flashback HD letzte Woche Montag auf Ubisofts Digital Day in spielbarer Form zwischen den Fingern hatte. Wer den Titel nicht 1992 zu seinem Erscheinen gespielt hat, kann sich die Gänsehaut bei diesem unverhofften Wiedersehen kaum vorstellen. Im Grunde hatte man es bei Paul Cuissets Spiel mit einer Action-Adventure-Version von Another World zu tun - tatsächlich hielten seinerzeit viele sogar Flashback für einen Nachfolger davon -, die in Sachen Weltendesign ein ähnlich mysteriös-abenteuerliches Flair versprühte.

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Worum ging's? Nun, das Übliche eigentlich. Gejagt von Außerirdischen strandete der ebenso glücklose wie wortkarge Held Conrad auf einer fremden Dschungelwelt, ohne jede Erinnerung, wie er dorthin kam, oder warum überhaupt auf ihn geschossen wird. In Bild für Bild umschaltenden, wunderschön gestalteten Screens rannte, kletterte und schoss der Wissenschaftler wundervoll animiert, was dadurch möglich wurde, dass die Bewegungen der mittels Vektoren gestalteten Figuren wie schon in Another World im Rotoskopie-Verfahren angefertigt wurden. Es war damals wirklich ein unglaublicher Effekt, diese flüssigen Sprünge und Rollen in Aktion zu sehen. Kniff man ein wenig die Augen zusammen, meinte man fast, einen Menschen über den Bildschirm rennen zu sehen - jedenfalls kam es mir seinerzeit so vor.

Mit einem stummen Protagonisten hätte ich gut leben können.

Wer das Original nicht kennt, dem ist in Sachen Spielablauf mit einem Vergleich mit Shadow Complex geholfen, das allerdings in der Struktur deutlich offener ist. Auch etwa Outland oder Deadlight weisen Parallelen auf, sind aber beide deutlich actionorientierter. In jedem Fall schaut ihr auch in der HD-Version von der Seite auf die Welt, rennt, duckt und rollt euch durch die etagenweise angelegten Level, um hier und da neue Ausrüstung zu finden, die Türen öffnet oder den Weg in den nächsten Abschnitt ebnet, wo Conrad hoffentlich die Antworten auf all seine Fragen findet.

Der Name, der lediglich mit dem Zusatz HD daherkommt, legt dabei allerdings eine originalgetreuere Umsetzung nahe, als das hier wohl letzten Endes der Fall ist. Die Eckpunkte des Abenteuers und seine Spielumgebungen sind die gleichen - im Dschungel aufwachen, dann schleunigst einen gewissen Ian finden -, aber das Layout der Level, die Platzierung und Art der Gegner und der Aktionsspielraum wurden modernen Möglichkeiten angepasst. Während das separate Zielen auf dem rechten Stick durchaus eine lohnende Ergänzung ist, sind die Erfahrungs- und Skill-Punkte, die man sammelt, um Conrads Fähigkeiten in drei etwas oberflächlich wirkenden Kategorien zu steigern, noch etwas, woran man sich erst gewöhnen muss.

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Gewöhnungsbedürftig war ebenfalls das Sprung- und Laufverhalten, das allerdings, weil das Spiel sich hier wieder mehr am Original orientiert und die Bewegungen des Gestrandeten einer gewissen Trägheit unterliegen. Die Steuerung der Sprünge entspricht unterdessen tatsächlich der 21 Jahre alten Vorlage. Lediglich nach oben zu drücken, sorgt für einen Sprung in Richtung einer höher gelegenen Plattform. Drückt ihr die A-Taste, macht Conrad immer einen gleich langen Satz nach vorne. Das System ist deutlich flexibler als damals, millimetergenaue Platzierung ist nicht länger erforderlich, was das Vorankommen durchaus erleichtert, wenn man erst einmal begriffen hat, dass man nicht exakt unterhalb der Kante stehen muss, die man greifen will.

Flashback HD - Trailer

Insgesamt wirkt dieser erste Abschnitt aus dem Abenteuer dennoch etwas ruppig, das Design ist nicht ganz so clean und stilvoll wie das von 1992 und die Bewegungen sehen stellenweise etwas seltsam aus, vor allem in den Übergängen und wenn Conrad mit gezogener Waffe rennt. Doch diese Ungereimtheiten lassen sich bis zur Veröffentlichung später im Jahr hoffentlich noch geradeziehen. Ein Punkt gefällt mir allerdings überhaupt nicht: Die Sprecher, allen voran der Hauptcharakter selbst, ziehen die Handlung auf Theater-AG-Niveau herunter. Da wären mir die Texttafeln von einst lieber gewesen, denn Conrad als Nathan-Drake-Verschnitt mit noch deutlich jüngerer Stimme will einfach nicht so recht zu meinem Bild von ihm passen.

Es ist sicherlich ein Bonus, den jüngere Spieler ohne Vorkenntnis nicht vergeben können, aber es machte mir sehr viel Spaß, diese vertraute und zugleich fremde Welt zu erkunden, nach Unterschieden Ausschau zu halten und mich in die Handhabung neu reinzufuchsen. Dans des Originals erkennen viele audiovisuelle Kniffe auf Anhieb wieder. Zu Beginn ertönt zum Beispiel eine Neuauflage des musikalischen Themas, für das ich damals eigens meinen Rechner stundenlang den Startbildschirm von Flashback mit voll aufgedrehter Lautstärke darstellen ließ. Und optisch sind es vor allem die Türen und Lichtbrücken, die einen direkt 20 Jahre in der Zeit zurückversetzen. Es fällt nicht schwer, dem Ubisoft-Sprecher vor Ort zu glauben, wenn er sagt, dass das hier das Flashback ist, wie Paul Cuisset es sich damals vorgestellt hat.

Die Frage ist nur, inwieweit sich Cuissets Vorstellungen mit denen derjenigen decken, die dem Original einst den Guinnessbuch-Eintrag als erfolgreichstes französisches Computerspiel aller Zeiten einbrachten? So viele Elemente ich auch freudig wiedererkannte, so klobig und etwas unbeholfen wirkten andere. Technisch hat man Deadlight vom letzten Jahr wenig entgegenzusetzen und gestalterisch legt Flashback HD gelegentlich eine Beliebigkeit an den Tag, die man im Original an keiner Stelle ausmachen konnte. Zugegeben, das hier ist alles noch "Work in Progress" und es ist ohnehin gut möglich, dass diese Erkenntnisse gefärbt sind von der Erinnerung an Amy, das im letzten Jahr meinen Glauben an Cuissets Studio Vector Cell tief erschütterte. Welches Spiel könnte also besser geeignet sein, das Vertrauen der Fans von einst zurückzugewinnen, als ein in liebevoller Detailarbeit neu aufgelegter Meilenstein?

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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