Das ultimative MMO? Pax Dei legt den Spielern seine Unreal Engine 5 Welt zu Füßen
Ihr seid das Spiel!
“Social Sandbox MMO” stand auf der Einladung zur Präsentation von Pax Dei. Das malte eine Menge Bilder im Kopf, die ich in Verdacht hatte, letztlich doch eher abseits der Wahrheit zu liegen. Ebenso neugierig wie verunsichert, was ich zu erwarten hatte, kreuzte ich also auf dem Discord von Pax Dei für einen Plausch mit den Entwicklern auf. Ich muss sagen, dafür dass ich bisher nichts von diesem Spiel gehört hatte, war ich umso beeindruckter von der Vision, die sich in einer langen Anspiel-Session im Anschluss als tatsächlich realisierbar herausstellte.
Wundern muss einen das nicht, rekrutiert sich Entwickler Mainframe doch aus ehemaligen Entwicklern von, unter anderem, CCP, Remedy und Blizzard. Sowohl Know-how als auch Ambitionen hat man da vermutlich automatisch.
Das ist Pax Dei
Worum es geht? Nun ja, um das volle Paket. Darum, dass man eine komplett offene MMO-Sandbox ganz den Spielern überlässt. Ein wenig wie EVE Online, als virtuelle, im steten Wandel befindliche Gesellschaft. Nur eben im Gewand eines modernen Action-Rollenspiels mit bildhübscher Grafik und tiefschürfenden Crafting- und Aufbau-Elementen. Die Spieler können zu Beginn ein Fleckchen Land für sich beanspruchen, auf dem sie frei bauen können. Spieler können Clans bilden, ihre Grundstücke zusammenführen und dann gemeinsam Bauprojekte realisieren.
So sollen nach und nach Dörfer und Städte, richtige Gemeinden, entstehen, mit einer Spieler-getriebenen Wirtschaft, in der jeder auch seine Rolle ausfüllt. Es soll, wenn ich das richtig verstanden habe, komplett erfüllend sein, sich überwiegend als Jäger zu verdingen und so gut darin zu sein, dass man etwa die besten Tierhäute produziert. Die kann dann jemand anders mit seiner eigenen Expertise etwa zu Rüstungen weiterverarbeiten. Ununterbrochen verdient ihr für alles, was ihr tut, Erfahrungspunkte und schärft dadurch eure Skills. Beim Verarbeiten von Zutaten werdet ihr sukzessive effektiver, Rezepte werden in ihrer Schwierigkeit eingeordnet und abgesehen von den als “unmöglich” deklarierten Dingen könnt ihr euch an allem versuchen.
Abhängig vom Schwierigkeitsgrad habt ihr immer eine Chance, dass es euch gelingt – geht aber auch ein umso größeres Risiko ein, einen Großteil der Ressourcen bei fehlgeschlagenen Bastelversuchen zu verlieren. Das klingt zäh, und könnte es am Ende auch sein. Aber ich gebe zu, an diesem einen, sehr, sehr langen Tag, den ich Pax Dei spielte, fühlte es sich extrem belohnend an, am Schluss eben doch in die perfekt passenden Wildlederhosen zu schlüpfen. Da war dann plötzlich auch egal, dass der Weg dorthin ein wenig an Arbeit grenzte und viel Hirsch-Grind vorausgesetzt hatte (aber fragt bloß die Hirsche nicht).
Übung macht den Meister
Backen, Kochen, Brauen, Fleischern, Schneidern, Schmieden – Erfahrung und Level sammelt ihr in 16 Crafting- und 15 Kampf-Skills. Recht zügig eignet man sich grobe Fertigkeiten für den Anfang an, sodass schwierige Kreationen sukzessive einfacher werden, von sehr schwer zu schwer zu moderat zu einfach und trivial. Für Perfektionismus muss man aber deutlich mehr produzieren, als man eigentlich selbst braucht. Beste Voraussetzungen, sich einer Spielersiedlung anzuschließen und dann im Tausch Dinge zu bekommen, an die man selbst nicht herankommt, während man sich weiter darin übt, es in seiner Disziplin zur Meisterschaft zu bringen. So soll es auch möglich sein, dass selbst Profis von den Erzeugnissen von Anfängern profitieren, die zum Beispiel mit dem Pilze- oder Kräutersammeln angefangen sind, um als Alchemisten Tränke zu produzieren.
So ist jedenfalls der Gedanke. An meinem Startort in der Alpha-Version traf ich bisher noch auf keine anderen Spieler, was aber auch den Vorteil hatte, dass diese kleine Insel mitten auf dem Fluss aber auch wirklich meine eigene ist. Auf diese Weise hatte ich viel Zeit, zu lernen, wie der Hase läuft, und die wunderbare Atmosphäre dieser rauen Wildnis einzusaugen. Am ersten Tag habe ich es noch nicht einmal zu einem Dach über dem Kopf gebracht, aber die Zeit fühlte sich dennoch nicht verschwendet an.
Ebenfalls stellte ich fest: Diese Welt ist noch reichlich leer, denn zum Konzept gehört natürlich auch, dass es keinerlei NPCs gibt. Nicht von Spielern gesteuerte Menschen dieses Low-Fantasy-mit-ein-bisschen-Zauberei-Szenarios gibt es höchstens als Feinde in Ruinen und Dungeons, in denen man wohl Teile der Geschichte und Hinweise für Quests finden wird. Ich habe, abgesehen von meinem Bogen, noch nicht einmal eine vernünftige Nahkampfwaffe und hatte bisher selbst mit den käsigsten Cheesing-Taktiken keinen Erfolg gegen Gegner, die es ernst meinten. Liegt sicher auch daran, dass mein selbst geschnitzter Pieksestock keinen eigenen Skilltree hat. Für Magie gibt es den übrigens auch nicht, denn es ist die Ausrüstung, die magisch ist, nicht ihr.
Auch die Entwickler haben noch viel zu tun
Außerdem fand ich interessant, dass die Gegner nicht einmal gebrauchsfertiges Loot droppen. So weit geht die Entschlossenheit der Entwickler, dass die Spielenden alles herstellen sollen, was in der Welt gebraucht wird. Stattdessen gibt es zur Belohnung gute Ressourcen zum Weiterverarbeiten und – in den tiefsten Dungeons – Relikte, die euch zu neuen handwerklichen Glanztaten bemächtigen. Ich bin sehr gespannt, wie die Community das aufnimmt.
Insgesamt ist das alles noch recht früh, was man auch am Kampfsystem merkt, das deutlich reaktiver sein müsste. Aktuell schluckt man trotz erhobenem Schild noch Schaden und eine Horde Wildschweine im Rückwärtsgang zu erledigen ist alles andere als spaßig oder gut kontrollierbar. Das reichhaltige Wildleben reagiert noch nicht wirklich natürlich, läuft kopflos durch die Gegend und spawnt nach sehr kurzer Zeit in gleicher Menge an exakt demselben Ort, wo man sie gerade geerntet hat. Glaubwürdig ist das nicht. Dann wiederum war ich in meiner persönlichen Wildlederhosen-Queste sehr froh, nicht ziellos durch die Gegend rennen zu müssen, auf der Suche nach Wildschweinen und anderem Waldgetier.
Das Baumenü ist recht eingängig gelungen, aber bisher ist nicht vorgesehen, einmal platzierte Gegenstände, wie Kisten oder Werkbänke, zu verschieben (wenn doch, habe ich die Funktion nicht gefunden). PvP ist zudem noch Work-in-progress und niemand soll gezwungen werden, gegen andere zu kämpfen. Zugleich will Mainframe aber natürlich auch Anreize dafür bieten. Ein schwieriger Spagat. Und dann sind da noch die Realitäten des Early Access, die Mainframe vor Herausforderungen stellen dürften: Der Entwickler warnt bereits vorher, dass es ohne Wipes von Erbautem und Charakteren nicht geht. Ich bin nicht sicher, wie oft ich die Ausbildung meiner Figur von vorn spielen möchte. Aber vielleicht geht euch das ja anders?
Pax Dei Ersteindruck
Wenn das Spiel am 18. Juni auf Steam in den Early Access geht, wird Mainframe dafür rund 40 Euro verlangen, die euch Zugang für ein Jahr gewähren. Komplett festgelegt, wie das Geschäftsmodell des Titels am Ende aussehen wird, hat sich das Studio noch nicht. Aber es klingt schon nach einem Abonnement.
So oder so: Pax Dei wird eine Investition. Vor allem Zeit müsst ihr hier viel hineinstecken und es ist vermutlich die Sorte Spiel, die neben sich keine anderen duldet. Und doch: Auf den 350 Quadratkilometer großen Karten, mit ihren gigantischen Sichtweiten, dem wunderbar organisch auf dem Boden verstreuten Laub und der blendenden Ausleuchtung könnte auch ich mich gut verlieren, fürchte ich. Kaum auszudenken, was passiert, wenn hier mehr und mehr Spieler aufeinandertreffen und gemeinsam anpacken, um ganze Ortschaften aus dem Boden zu stampfen. Ich bin gespannt, ob Pax Dei ein ebenso wild-kreativer Geschichtengenerator wird, wie es Eve immer war.