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Alt+F40: Das virale zweite Leben von Hypercharge - und Card Shark beweist, dass Tutorials auch als Spielinhalt taugen

Folge 52: Vom Leichtsinn älterer Herrschaften.

Am Wochenende haben wir unser Glück ein wenig auf die Probe gestellt: Nach mehr als zwei Jahren strenger Masken- und Selbsttestdisziplin und ohne jeden Corona-Infekt in der unmittelbaren Familie wollten wir den 40. Geburtstag meiner Frau doch im kleinen Kreis feiern. Wir dachten: bevor wir im Herbst wieder vermehrt in die Isolation gehen (müssen) oder uns die Seuche ohnehin beim Einkaufen oder über die Kita ereilt, lassen wir es zu diesem Anlass ein wenig darauf ankommen. Also hatten 12 im tagtäglichen Leben verantwortungsvolle, vorsichtige und regelmäßig getestete Erwachsene im gut gelüfteten Wohnzimmer am letzten Samstag einen schönen Abend.

Zwei Tage später kam dann der Anruf eines Gastes, ein neuer Test sei positiv ausgefallen, was natürlich nicht überraschte. Wir wussten ja, worauf wir uns einließen, trotzdem verhagelte es uns nachträglich ein bisschen die Party. Zum Glück sind unseres Wissens bislang wir und alle restlichen Besucher negativ, ich schätze also, wir sind glimpflich davongekommen. Ich bin aber nicht sicher, ob wir in absehbarer Zeit noch einmal Lust auf ein Sit-in dieser Dimensionen haben. Aber ok, so schnell wird hier ohnehin keiner wieder 40.

Gleichzeitig machte ab Dienstag unser Kleiner klar, dass es auch noch andere Krankheiten als Corona gibt, und lag erst einmal mit zum Teil beinahe 40 Fieber wie ein bestellter, aber nicht gegessener Pfannekuchen flach. Passend zum Wochenende ist er jetzt aber wieder fit.

Wie "risikofreudig" seid ihr in diesen Zeiten? Wann werdet ihr schwach und wo zieht ihr die Grenze?

Inhalt


Hypercharge und die wunderbare, gruselige Macht des Internets

Die Macht sozialer Medien ist bekanntlich ein zweischneidiges Schwert. Dieser Tage kann man das wieder deutlich sehen. Auf der unerfreulicheren Seite eskalierte das, was als unappetitlicher 4Chan-Witz über das Attentat an Japans Ex-Premier Shinzo Abe begann, beinahe zu einer von Verblendung und Inkompetenz angetriebenen Verleumdungskampagne gegen Hideo Kojima. Auf der anderen Seite bekommt auf einmal Hypercharge: Unboxed, ein zwei Jahre altes Switch- und Steam-Indie-Spiel, auf Twitter ein zweites Leben in Aussicht gestellt, nur weil die richtigen Leute einen Tweet darüber abgesetzt haben.

Damit ging es los: Jake Lucky findet Hypercharge dufte.

Soweit sich das rekonstruieren lässt, begann alles mit einem Post von E-Sports-Persönlichkeit Jake Lucky, der binnen kurzer Zeit Hunderttausende Male geliked wurde. Das dazugehörige Video wurde in zehn Tagen mehr als 14 Millionen Mal geschaut. Der Rest ist Geschichte: Im Anlauf auf die kommende Xbox-Version nahm das Interesse an Fahrt auf und die Entwickler von Digital Cybercherries rühren jetzt kräftig die Werbetrommel. Aufrufe, einzelne Posts zu verbreiten, um bei etwa 10.000 Retweets neue Gameplay-Videos mit der Community zu teilen, folgten (nicht zur Freude derjenigen, die sich ungern für Werbekampagnen einspannen lassen) und auf Steam schoss das Spiel wieder plötzlich in die Verkaufscharts. Zwei Jahre, nachdem der eigentliche Start kaum bemerkt wurde, ist das keine kleine Leistung. Insbesondere in diesem schnelllebigen Geschäft.

Hypercharge: Unboxed bringt tatsächlich ein paar recht coole Qualitäten mit, die den öffentlichen Dialog begünstigen. Die eigentliche Überraschung ist sogar eher, dass dieses Spiel in Zeiten von Nostalgie-Molkereien wie Stranger Things, Ghostbusters Afterlife und Dokumentationen wie The Toys That Made Us nicht schon früher viral gegangen ist. Die Freude, seine Action-Spielzeuge mit dem Verve eines Kindes aneinanderzuprügeln, ruft Hypercharge nämlich bestens in Erinnerung.

Im Spiel ballert man aus Spielzeug-Perspektive durch ganz alltägliche Umgebungen vom Kinderzimmer bis in die Garage und verteidigt mithilfe platzierter Fallen und Geschütztürme einen oder mehrere "Hypercores" vor dem Ansturm generischer Roboterhorden, Beyblade-Verschnitten und schließlich Bossen von Transformer- oder Dino-Format. Auch ein an Halo erinnernder Versus-Modus ist mit dabei und das spielt sich alles sehr gefällig. Die Art Direction veralbert gekonnt nicht nur diverse populäre Spielzeugreihen von He-Man über GI Joe bis hin zu Marshall Brave Starr.

Spielerisch solide, optisch sehr anziehend. Es wundert nicht, dass die Leute darauf anspringen.

Mir gefällt vor allem der Detailreichtum und der selbst in den "Verpackungen" dieser virtuellen Spielzeuge steckt. Selten habe ich das Freischalten neuer Teile für meine Spielfigur so sehr gefeiert wie hier und immer wieder mal ist etwas dabei, von dem ich schwören könnte, dass es das schon mal von Mattel gab. Nicht alles ist so subtil, etwa im Spielzeugladen ein Spielzeugwaffen-Display zu sehen, das eins zu eins von NERF kommen könnte, nur eben, dass die Spielzeugserie "OP (please nerf)" heißt. Keinerlei Verwechslungsgefahr. An diversen anderen Markenlogos ließ man zum Teil einfach nur Buchstaben weg oder verfremdete sie anderweitig eher schlecht als recht. Wer kennt sie nicht, Monitore von "Ace"? Und wolltet ihr nicht schon immer den Helm haben, den Robert Downey Jr. im Mazen-Film Ion Bot trug?

Das ist nicht immer nur frech, sondern meistens auch wirklich gut gemacht, wenn dänische Bildo-Steine und Pseudo-Masters-Burgenteile aus gestanztem Plastik auch wirklich nach dem Material aussehen, aus dem sie wirklich gemacht waren. Sehr nett: Dass man zwischen den Verteidigungsphasen auch noch mit Sprung-Pads die Umgebung nach Sammelgegenständen erkunden darf, presst das Maximum aus dem Szenario heraus, diese Welt aus Knöchelhöhe zu sehen. Ich mag es wirklich sehr und es wundert mich nicht, dass die Leute nun neugierig werden.

Megagut: Die individualisierbaren Verpackungen und Figuren!

Zugleich ist es längst nicht erwiesen, dass diese neue Aufmerksamkeit sich auch eins zu eins in Verkäufe und eine größere Spielerbasis ummünzen lässt. Jake Luckys Tweet erweckte den Eindruck, das Spiel sei noch nicht draußen, was mit Blick auf die Xbox-Version ja auch stimmt. Auf Steam haben sich die aktiven Spieler binnen zwei Wochen zwar vervielfacht, die gemittelten Zahlen sind aber bislang dennoch kaum der Rede wert. Wir werden sehen, ob die Leute hier einfach nur eine Version für die Xbox abwarten, oder ob der virale Hype – wie so oft – ein auf die sozialen Medien begrenztes Strohfeuer war.

Denn auch das zeigt diese ungreifbare, neuerliche Berühmtheit: Twitter und Co. sind jeweils ihre eigene Bubble – wie eine Seifenblase eben, die beim leisesten Kontakt mit der Realität zu zerplatzen droht. Darin liegt für Leute, die so gefährlich online sind wie unsereiner immer wieder eine wertvolle Lektion, die es lohnt, sie regelmäßig aufzufrischen.


Das Wichtigste der Woche, KW 28/2022, Alex Edition

In der Rotation: Bei Barry fehlen mir bis zum Ende von Staffel 2 nur noch zwei Folgen. Ich bin nicht sicher, ob ich die Drama-Seite von Bill Haders Herzensprojekt so wahnsinnig überzeugend finde und habe häufig ein tonales-emotionales Schleudertrauma hier. Aber es ist wahnsinnig unterhaltsam und toll gespielt – vor allem von Hader und Henry Winkler. Und natürlich musste ich auf Apple TV Plus In with the Devil anfangen, weil ich Ende der 00er Jahre ein riesiger Dennis-Lehane-Fan war. Taron Egerton ist seit Kingsmen-Zeiten kaum wiederzuerkennen. Der smarte Brite sieht aus wie eine griechische Götterstatue, als hätte er für eine Marvel-Rolle trainiert. Nach den ersten zwei Folgen ist diese finstere Undercover-Geschichte vor allem eines: Langsam, hält dank guter Darbietungen von Egerton und Kinnear aber dennoch das Interesse.

Kontrovers, aber ich glaube A Link Between Worlds ist eines der besten Zeldas.

Spielerisch geht es für mich bei Dragon’s Dogma weiter, bei dem mir aber gut 50 Level fehlen, bevor ich mich nach Finstergram aufmachen kann. Außerdem habe ich auf dem 3DS Zelda – A Link Between Worlds erneut angefangen, das ich sehr, sehr mag.


Musiktipp der Woche: CANT – Too late, too far. Grizzley-Bear-Bassist und Sänger Chris Taylor hat vor gut zehn Jahren ein ebenso interessantes wie eingängiges Album herausgebracht, das zu googeln oder Streaming-Anbietern nachzuschlagen echte Kopfschmerzen bereitet. Die Suche lohnt sich aber, denn man entdeckt ein wechselweise treibendes und dann fast wieder zärtliches und interessant arrangiertes Stück Art Rock.


Höhepunkt der Woche: Das über Devolver erschienene Card Shark ist ein bemerkenswertes kleines Spiel – nicht über das Kartenspielen an sich, sondern über das Betrügen dabei. Das ist eine wichtige Unterscheidung, denke ich. Als bettelarmer Stummer zieht ihr im frühen 18. Jahrhundert zusammen mit einem hochgeborenen Halunken durch Frankreich, um vermögenden Menschen im Spiel das Geld aus der Tasche zu ziehen. Fast 30 Betrugsmaschen erlernt ihr im Laufe des höchst amüsant geschrieben und mit seinem Wachsmalkreiden-Look ebenso gewagten wie erinnerungswürdigen Titels.

Wein ausschenken und gleichzeitig in die Karten schauen und anschließend dem Komplizen ein Signal geben, was für ein Blatt der Gegner hat.

Dabei erfährt man eine Menge darüber, wie Kartentricks auch in der Realität funktionieren und wie gängige Halsabschneider mit eigentlich simplen Tricks und viel Fingerfertigkeit Publikum oder Gegenspieler täuschen. Ich fand das wahnsinnig interessant – das Studieren und Proben dieser Tricks, bevor man tatsächlich den Fuß in einen Salon setzt, um das ganze unter Zeitdruck und mit echtem (Spiel-)Geldeinsatz an einem Opfer durchzuziehen. Ein Erlebnis, wie ich es dieses Jahr kein zweites Mal hatte. Und das, obwohl das bedeutet, dass gut zwei Drittel des Spiels aus einer Art Tutorial bestehen, in dem ihr die Funktionsweise, die Abläufe und die einfachen Controller-Kommandos der einzelnen Betrugsmaschen lernt.

Erzähl mir mehr! So lasse ich mich gerne vom Spiel belehren.

Es gehört eine Menge dazu, dass ich mich für ein Tutorial interessiere, aber Card Shark macht das so charmant und stellt den Lernvorgang derart in das Zentrum des Erlebnisses, dass ich meine gepuderte Perücke davor ziehen möchte. Ich wusste nicht, dass das überhaupt geht. Jetzt habe ich sogar große Lust, einige dieser Tricks in der Realität zu üben. Ich schätze, was ich sagen will: Schaut euch dringend mal Card Shark an (und spielt eine Weile besser erst mal nicht Karten mit mir)!


Mittelpunkt (!?) der Woche: EA hat die Karten auf den Tisch gelegt und Skate. (auf den Punkt legen sie Wert!) offiziell vorgestellt. Bei vielen blieb aber in erster Linie hängen, dass es ein Service-Game wird, das Free-to-play startet und sich über Mikrotransaktionen finanziert. Das kam erwartungsgemäß bei Teilen der Fangemeinde nicht so super an, was mich wiederum ein Stück weit deprimiert hat. Zweierlei: Zum einen haben die Entwickler des Spiels Apex Legends als Vorbild ausgegeben, das bekanntermaßen bei exzellenter Qualität des zugrundeliegenden Spiels eine sehr faire und rein optionale Monetarisierung hat. Zum anderen muss man sich bewusst sein, dass für ein Unternehmen wie EA die Skate-Reihe wirtschaftlich bisher bestenfalls Kleinholz produziert hat. Die Entscheidung, die zum Projektstart getroffen wurde, dürfte ergo nicht zwischen "Vollpreis" und "Free-to-play" gefallen sein, sondern zwischen "Free-to-play" oder "gar kein neues Skate".

Es ist noch früh für Skate. Aber das heißt nicht, dass wir es jetzt schon abschreiben sollten.

Ich habe trotz des selbstbewussten Punkts, der wohl signalisieren soll, dass nach Skate. nichts, aber auch gar nichts mehr in Richtung skaten kommen kann, keine Ahnung, ob das Spiel etwas taugen wird. Aber die Zeiten, in denen man allein wegen der Wahl von Free-to-play den Teufel an die Wand malen und die Macher verbal vierteilen sollte, sind eigentlich schon lange vorüber.


Tiefpunkt der Woche: So sehr ich den Game Pass immer wieder verteidige und auch lobe – zuletzt in der letzten Ausgabe Alt+F40 – so fassungslos bin ich doch, wie schlecht Microsofts Verabreichungsmechanismus dafür ist. Die Game Pass App ist unzuverlässig, langsam und so launisch wie unser Zweijähriger an einem schlechten Tag. Regelmäßig versagen das Programm und so gut wie alle darüber installierten Game-Pass-Spiele auf meinem Laptop häufiger den Dienst, als dass sie funktionieren würden. "Installation Fehlgeschlagen" oder "Testlizenz abgelaufen" waren am Mittwochabend die nichtssagenden Fehlermeldungen, die dazu führten, dass ich von Norco bis Astalon erst mal nichts weiterspielen und auch nicht in Garden Story reinschauen konnte.

Ich hatte große Lust auf Garden Story an diesem Abend (das, wie ich anschließend erfuhr, leider nur mit 30 FPS läuft).

Lösungen für jedes der vielen Probleme, die so unvorhersehbar auftreten können, gibt es eine Menge. Fast immer scheint eine andere die Richtige zu sein, ob nun wsreset.exe oder das Ändern der Region. Selbst auf meinem primären Rechner gibt es hier und da Probleme, wie ich zuletzt beim Versuch, eine Session State of Decay 2 mit alten Freunden zu starten, feststellen musste. Mit Portfreigaben musste ich mich zuletzt in Zeiten der Xbox 360 herumschlagen (nur, dass es im Gegensatz zum State-of-Decay-Koop hinterher lief). Da ich offensichtlich kein Einzelfall bin: Microsoft, eure App ist zu aufgeblasen, unintuitiv und fehleranfällig. Regelt das! Es ist an der Zeit.


Mal wieder eine Menge Ableger, auch wenn sie ihren Platz noch nicht so recht gefunden hat.

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