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Dawn of Magic

Mit Frau und Pfanne

Ich weiß nicht, ob man in Russland auch Aprilscherze kennt. Doch fast bin ich geneigt, ja zu sagen. Denn als ich in Dawn of Magic das erste Mal meinen Helden auswählen wollte, kam ich mir schon reichlich ver....äppelt vor. In meinen fünfzehn Berufsjahren hatte ich noch nie die Wahl zwischen albernen Charakteren, als in dem Action-Rollenspiel aus Russland. Statt blondgelocktem Heroen darf ich mir aussuchen, ob ich lieber einen verwirrten Gelehrten, einen fetten Mönch, eine verschlagene Zigeunerin oder… und jetzt kommt’s… eine dicke Bäckersfrau spielen will.

Kein Scherz, die Gute ist mit einer Bratpfanne bewaffnet, die sie über die ersten paar Levels als sehr effektive Nahkampfwaffe einsetzen kann. Und weil mich die Dame ein wenig an meine selige, aber deutlich gutmütigere Tante Hertha erinnert, habe ich mich kurzerhand für die dralle Matrone entschieden. Jetzt noch flugs eine Gesinnung auswählen (gut, neutral, böse), die zu einem geringen Teil die Art der Missionen bestimmt und schon geht’s los. Womit? Ach ja, in den Kampf gegen einen Oberbösewicht namens Modo. Der will die Welt unterjochen und wirkt gegen die ungewöhnlichen Charaktere beinahe langweilig. Je nach Gesinnung müssen wir sein Vorhaben fördern oder versuchen, es zu verhindern.

Nach einem langatmigen Tutorial („zum Drehen der Karte bitte die mittlere Maustaste drücken“, etc.) durfte ich endlich meine erste Quest erledigen. Da ich im Gedenken an Tante Hertha den guten Weg eingeschlagen habe, sollte ich für einen verletzten Mitschüler in der Zauberakademie zehn Insekteneier besorgen. Dass währenddessen ein immerhin großzügiges Zeitlimit tickt, erfährt man aber nicht aus der Questbeschreibung, sondern erst, als die erste runtergetickte Minute bereits vergangen ist. Egal, das schaffe ich doch locker. Autsch, was war das? Auf dem grün-braunen Untergrund ist mir die erste Ameise/Termite/Wasauchimmerinsekt glatt entgangen. Dann zoome ich eben näher ran und schon kann ich Freund und Feind deutlich besser unterscheiden.

Wer den Handelsskill beherrscht, kann sich einen kaufwütigen Dschinn herbei zaubern.

Per Mausklick links teile ich Dresche mit der Pfanne aus, mit rechts setzt es Zaubersprüche. Die sind das A und O in Dawn of Magic. Es gibt allein zwölf Zauberrichtungen mit insgesamt über 90 Sprüchen, die man zudem noch variieren kann. Denn einige Sprüche dienen mittels passiver Sekundärmagie anderen als Unterstützung, verleihen spezielle Resistenzen und fügen Gegnern Extraschaden zu. Dabei bietet sich viel Raum zum Experimentieren. Ich habe vor allem mit Feuermagie (Flammenbällen und Explosionsschaden) gearbeitet. Wer mag, kann seine Feinde aber auch verstrahlen oder per Lichtmagie zerbröseln.

Ebenfalls sehr praktisch: Per Handelsspruch zaubert man sich einen Dschinn herbei, der alle überflüssigen Gegenstände in klingende Münze tauscht.

Zurück zur Quest. Binnen weniger Minuten habe ich die Eier beschafft, den Mitschüler gerettet und mir meine Erfahrungspunkte abgeholt. Ab dann geht’s weiter, wie man es von der vereinten Genrekonkurrenz gewohnt ist. Immer mehr und neue Aufgaben führen die Pfannen-bewerte Heldin in insgesamt fünf Akten kreuz und quer durch die Welt. Am Ende jedes Aktes lauert stets ein besonders dicker Zwischengegner, der aber überwiegend relativ leicht besiegbar ist. Ein Beispiel: Mullog. Der Obermotz des ersten Aktes ist theoretisch ein schwerer Gegner, zaubert er sich doch kräftige Elementargolems als Verteidiger herbei. Wer aber wie ich einfach stur auf den Gegner los rennt und mit allem drauf eindrischt, was das Repertoire hergibt, zieht ihm nach und nach seine Lebensenergie ab. Klar stirbt der eigene Held dabei. Aber ich hatte die Bäckersfrau in der Charakterauswahl auf „unsterblich“ gestellt. Also wird sie immer wieder neu belebt. Den Schaden, den Mullog vorher kassiert hat, bleibt jedoch erhalten.

Die wenigsten Gegner sind so groß wie dieser Zwischenboss.

So nach dem siebten bis achten Tod hat man den Kerl schlussendlich geknackt. Lediglich wer seinen Helden von vornherein sterblich lässt, muss den Kampf tatsächlich in einem Anlauf gewinnen. Apropos Tod: Stirbt der Charakter in normalen kämpfen irgendwo auf der Karte, wird er danach am zuletzt benutzten Portal wieder belebt. Allerdings sollte man dann eiligst zur Stelle des Ablebens zurückzukehren, sonst geht das gesammelte Geld flöten. Die Ausrüstung bleibt indes weiterhin erhalten. Nicht so prickelnd: Gespeichert wird erst, wenn man das Spiel verlässt. Startet man erneut, setzt einen das Spiel nicht an der selben Stelle ab, sondern an einem der seltenen Rücksetzpunkte. Dadurch muss man unnötig oft lange Laufwege in Kauf nehmen, um zum nächsten Gegner zu finden. Das hätte man durchaus besser lösen können.

Generell ist Dawn of Magic ein sehr hektisches Spiel. Das liegt vornehmlich daran, dass die Gegner sehr flink herum wuseln und sich dabei teilweise auch recht clever anstellen. Schamanen etwa greifen mit Feuerbällen an, teleportieren wild durch die Gegend und sind nur sehr schwer zu fassen. Das wird noch verstärkt durch die nicht immer optimale Farbwahl. Sehr häufig besitzen Feinde und Landschaft eine ähnlich Farbe. Dunkelrot vor bräunlich-schwarzem Hintergrund ist nur sehr schwer erkennbar. Wenn man zudem die Karte der besseren Weitsicht zuliebe heraus zoomt, lauert oft der vorschnelle Heldentod im wüsten Gewimmel auf dem Bildschirm. Völlig flöten geht die Übersicht, wenn gleichzeitig Blitze über den Monitor huschen. Ebenfalls sehr störend: Ständig fliegen rein dekorationsmäßig Vögel herum. Deren Schatten auf dem Boden sehen in der Hektik eines Gefechts oft nach Gegner aus und verwirren zusätzlich.

Manche Effekte, wie diese flackernden Blitze, machen die Freund- Feinderkennung unnötig schwer.

Während das Magiesystem gut austariert und durchdacht ist, leidet die Steuerung an einigen Unschönheiten, die leicht vermeidbar gewesen wären. So kann man die Inventarleiste am unteren Bildschirmrand zwar nach Kategorien sortieren, trotzdem gestaltet sich die Gegenstandssuche und der Verkauf schnell als fummeliges Ärgernis. Zudem erwischt man die Gegner sehr häufig nicht mit der Maus, weshalb der Held daneben haut. Das Ganze ist sehr nervös und alles andere als perfekt. Immerhin gibt es eine Reihe der bekannten Komfortfunktionen wie „Alle Gegenstände auf einmal aufsammeln“ oder „Heiltrank trinken“ auf Knopfdruck. Und die Idee mit dem Handels-Dschinn ist ebenfalls sehr praktisch.

Optisch geht’s bunt und effektvoll zu. Die Zauber sind klasse inszeniert, irgendetwas zischt immer über den Monitor. Allerdings geht dabei auch schnell die Übersicht verloren. Hinsichtlich der Landschaft zeichnet sich ein eher karges Bild. Die Städte wirken wie vom Reißbrett und nicht wie echte Ortschaften. Netter Gag am Rande: Der jeweilige Held verändert sich im Laufe des Abenteuers je nach Spielweise. Wer oft Luftmagie einsetzt, dem wachsen Flügel. Meine Heldin bekam dank exzessiven Einsatzes der Erdmagie Klauen an den Händen.

Die Story ist etwas belanglos, die Helden gewöhnungsbedürftig und der Schwierigkeitsgrad dank blöder Speicherfunktion unnötig hoch. Trotzdem habe ich Dawn of Magic ein Weilchen ganz gern gespielt. Denn das Ausprobieren der Zauberspruch-Kombinationen macht Spaß, die zahllosen, teilweise endlos wiederholbaren Quests bieten massig zu tun. Was hingegen das Spielvergnügen ein Stück weit mindert, sind kleine Ungereimtheiten. Allen voran der nervige Kopierschutz, der meinen Rechner ein paar Mal abstürzen ließ. Hier und da bleibt der Held auch schon mal in der Landschaft hängen, dann hilft nur noch ein Teleportzauber. Und manchmal verschwinden nach dem Ableben sämtliche Nebenquests, die man sich dann mühsam neu holen muss. Diese Mankos sind aber eher ärgerlich als wirklich tragisch.

Alles in allem ist Dawn of Magic ein klarer Fall für Profis, die bereits goldenes Jubiläum in Diablo, Dungeon Siege und Titanquest gefeiert haben. Die werden an dem ausgefuchsten Magie-System viel Freude haben.

Ab dem 27.4.2007 könnt Ihr mit der Bratpfanne Monster verdreschen. Wer vorher mal loslegen will, sollte sich die Demo auf der offiziellen Webseite herunter ziehen.

7 / 10

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