Daylight - Test
Ein Spiel, das die Kontrolle über den eigenen Horror verliert.
Manchmal frage ich mich wirklich, aus welchen Gründen sich Entwickler dazu entscheiden, ein Horrorspiel zu machen. Bei Daylight scheint es weniger die Liebe zum Genre und mehr die Ausnutzung aktueller Popularität zu sein. Vor allem in Bezug auf YouTube-Videos, in denen junge Kerle wie verängstigte Schulmädchen schreien und dabei ihr Gesicht in der Facecam verziehen. Ein Spiel, das über die Internetplattform plötzlich Aufmerksamkeit erregte, war Slender vor zwei Jahren. Was für ein Zufall. Daylight kopiert das Grundprinzip und fügt sinnlosen Krempel hinzu, damit man es als vollwertiges Spiel verkaufen kann.
Abwechslung war gestern
Im Prinzip folgen bis auf ein paar Areale mit viel zu einfachen und monotonen Rätsel alle Level dem gleichen Schema: Durchsucht ein Labyrinth, sammelt eine gewisse Anzahl an Objekten und lauft zum Ausgang. Währenddessen verfolgt euch ein Gespenst, dessen Aggressivität zunimmt, je mehr Gegenstände ihr findet. Ach ja, und Schaden nehmt ihr nur, wenn ihr die Bestie direkt anguckt. Hört sich bekannt an? Das könnte daran liegen, dass es kaum von Slender abweicht. Nur vergaß man dabei, was den kleinen Internettitel so erfolgreich machte.
Zuerst einmal wäre da euer Gegenspieler. In Slender verfolgt euch natürlich die namensgebende Figur, deren Design so simpel wie genial ausfällt. Ein großer, schmaler Mann im schwarzen Anzug, sein Gesicht bloß eine weiße Fläche. Allein die fehlenden Gesichtsmerkmale sorgen beim Anblick in dunklen Wäldern für Angstschweiß. Hinzu kommt seine stille Vorgehensweise. Nie bewegt er sich. Still steht er weit entfernt zwischen zwei Bäumen. Als hätte er alle Zeit der Welt und euch schon längst in seiner Gefangenschaft. Es impliziert seine Macht und die Oberhand im Spiel mit euch. Er muss sich nicht anstrengen. Nur beobachten. Doch er wechselt den Platz. Allerdings erst, wenn ihr euch von ihm abwendet. Daher wollt ihr ihn ansehen, um den Abstand zu überprüfen. Womit ihr zunehmend dafür sorgt, dass er schneller agiert und noch größere Schritte vollführt, die ihr nicht bemerkt.
Vergleicht diesen Ansatz nun mit dem Geist aus Daylight. Noch auffälliger hätte man sein Aussehen nicht gestalten können. Leuchtende Augen, die zwar eine gewisse Wut vermitteln, aber schnell ihren Reiz verlieren, nachdem ihr sie ein paar Mal gesehen habt. Ihn umhüllt kein Geheimnis. Er ist nur ein Geist, der ein wenig leuchtet und laut kreischt. Womit wir beim nächsten Problem wären. Seine Schreie mögen beim ersten Treffen zu Unruhen und kurzem Zucken führen. Doch sobald ihr versteht, dass es ebenso seine Position verrät, nutzt ihr das Gebrüll geschickt aus, um ihn besser lokalisieren zu können. Ihr fühlt euch im Gegensatz zu Slender nicht mehr gezwungen, nach hinten zu sehen. Denn solange ihr den Schrei hört, wisst ihr, dass er hinter euch ist. Zwar kann sich der Verfolger wie Slender teleportieren, doch wirkt es bei einem Geist weniger mysteriös als bei einer Figur im Men-in-Black-Cosplay.
Horror? Kann man das essen?
Außerdem scheint das Team nicht verstanden zu haben, was großartigen Horror ausmacht. Es sind nicht die Effekte, nicht die klischeebehafteten Poltergeistmomente oder gerne verwendeten Orte wie Wälder und verlassene Psychiatrien. Horror entsteht durch perfektes Pacing, wenn man die Erfahrung des Spielers zumindest teilweise kontrolliert oder voraussehen kann. Genau aus diesem Grund testet Frictional Games Titel wie Amnesia immer wieder mit neuen Leuten. Um ihr Verhalten zu beobachten oder erkennen zu können, welche Levelstruktur sich besser eignet. Jeder Zentimeter der Karte ist sorgfältig und gezielt durchgeplant. So wenig wie möglich wird dem Zufall überlassen. Selbst in Slender folgte die Figur einem clever entwickelten, jedoch überraschend simplen Algorithmus.
"Das Team scheint nicht verstanden zu haben, was großartigen Horror ausmacht."
Anstatt ein ähnliches Mantra zu verfolgen, schickt euch Daylight bei jedem Durchgang in zufällig erstellte Level. Genau deswegen erscheint jedes Areal als Labyrinth, da so die einzelnen Bauteile leichter aneinandergepackt werden können. Leider entstehen dadurch langweilige und öfter sogar seltsame Layouts, bei denen ihr den gleichen Gang mehrmals seht. Die Karte auf eurem Smartphone, das gleichzeitig als Taschenlampe fungiert, hilft zwar bei der Orientierung, dient aber nur zum Ausgleich für die verwirrende Levelstruktur. Trotzdem steckte ich an einer Stelle ziemlich lange fest, weil ich das letzte Objekt nicht finden konnte. Auf Dauer macht es einfach keinen Spaß, wenn ihr sinnlosen Suchaufträgen folgt. Selbst die knapp zwei bis maximal drei Stunden Spielzeit fühlten sich gegen Ende wie reine Arbeit an.
Dabei beginnt es überaus positiv. Trotz des ausgelutschten Settings wirkt die unheimliche Psychiatrie beängstigend. Ihr wisst nicht, was in den nächsten Minuten auf euch zukommt, und die eingestreuten Geräusche erzeugen leichte Gänsehaut. Dieser Spannungsbogen steigt bis zum ersten Treffen mit dem Gespenst an und fährt anschließend schlagartig in den Keller. Ja, je nach eurer persönlichen Schreckhaftigkeit führt das überraschende Auftauchen des Geists zu erfolgreichen Jump-Scares. Doch viel zu schnell fühlt sich dieser Trick, dem man bis zum Ende nichts beifügt, abgenutzt und alt an. Wie ein Witz, der sich durch zu häufige Nutzung auf einmal nervig anhört.
Reizüberflutung
Als einzig interessante Idee bleibt die Twitch-Einbindung, die jedoch ebenso meine Befürchtungen der YouTube-Theorie bestätigt. Streamt ihr das Spiel über Twitch, können eure Zuschauer mit bestimmten Eingaben eure Umgebung beeinflussen und beispielsweise dafür sorgen, dass irgendwo ein Geräusch auftaucht. Problem an der Sache: Entweder seid ihr nicht bekannt genug, damit euch jemand zusieht. Und wenn doch, müsst ihr darauf hoffen, dass der Chat sich nicht übernimmt und sämtliche Ausführung ständig wiederholt. So zerstört man eher die ohnehin schon dünne Atmosphäre und zieht das Erlebnis komplett ins Lächerliche.
"Je nach eurer persönlichen Schreckhaftigkeit führt das überraschende Auftauchen des Geists zu erfolgreichen Jump-Scares."
Was bleibt noch? Dämliche Texte der Protagonistin, die wegen des zufälligen Leveldesigns nicht immer zu dem passen, was ihr gerade auf dem Bildschirm seht. Wenigstens unterstreicht das Niveau die übergreifende Handlung, die in einem dermaßen schlechten Twist endet, nicht einmal M Night Shyamalan würde ihn in seinem nächsten Film verwenden. Darüber hinaus erwarten euch in der PC-Fassung je nach Glück mehrere Abstürze. Zumindest wenn ihr es überhaupt zum Laufen kriegt. Fast das gesamte Steam-Forum des Spiels ist vollgepackt mit Leuten, die den Horrortrip gar nicht erst starten können. Dabei sieht es trotz Unreal-Engine 4 nicht einmal besser aus als konkurrierende Spiele.
Ich könnte mich noch länger über Daylight aufregen, doch ist es die Mühe nicht wert. Ignoriert es einfach. Spielt lieber Penumbra, Amnesia oder Outlast. Selbst danach kann ich euch mit Seiten voller Horrortitel bombardieren, die besser sind als diese langweilige Suche nach Objekten in verwirrenden Korridoren.
Daylight bedient sich dreist an bekannten Indie-Kollegen und mit der Twitch-Unterstützung ist klar, auf welche Personengruppe man damit abzielt. Leider zeigen die Entwickler keinerlei Verständnis für das Genre und scheinen nicht zu wissen, was guten Horror ausmacht oder wie er überhaupt entsteht. Lieber nehmen sie einen Jump-Scare und wiederholen ihn solange, bis selbst die schreckhaftesten Spieler müde mit den Schultern zucken. Es ist das Gegenteil von dem, was ich in einem guten Horrorspiel suche.