DayZ-Update 0.60 ist die Rettung - aber kommt die noch rechtzeitig?
Update: Patch ist jetzt live!
Update: Der Patch ist gestern Abend auf dem stabilen Branch live gegangen und läuft, soweit wir das bisher beurteilen können, genau so reibungslos wie die experimentelle Version. Zu Spitzenzeiten waren gestern über 25.000 Spieler gleichzeitig online. Wer also keine große Lust hatte, sich mit Händen und Zähnen um einen freien Serverplatz zu prügeln, kann jetzt problemlos in das rundheraus verbesserte DayZ-Erlebnis einsteigen. Was uns im Einzelnen gut daran gefiel, lest ihr hier drunter in unserem Artikel von letzter Woche.
Ursprünglicher Artikel:
Es gibt wenige Spieleentwicklungen, bei denen Hass und Liebe so nah beieinander liegen wie bei DayZ. Wenn es funktioniert, verzeiht man dem ambitionierten Survival-Titel selbst gröbste Glitches und Bugs. Man weiß, ein solches High, wie es einem dieses Spiel beschert, schlimmste "Flight-or-fight"-Lähmungserscheinungen und Phasen beseelter, beinahe erholsamer Ruhe inklusive, das kriegt man sonst eigentlich nirgends.
Ist die Laune gut, nimmt man es hin, wenn man sich an einem zigarettenschachtelgroßen Kieselstein ein Bein bricht oder der vollgepackte Rucksack nach kurzem Ablegen auf Nimmerwiedersehen vom Server gefressen wurde. "Man, you were totally 'elphered'!", scherzen englischsprachige Fans dann in Anlehnung an den dicken neuseeländischen Akzent des Erfinders Dean Hall. "Ge-alpha-t" also, vom frühen Entwicklungsstadium des Titels übervorteilt.
Nur dass das Spiel nun seit zweieinhalb Jahren als Alpha deklariert ist. Das wiederum führt zusammen mit dem nur langsam nachtröpfelnden Content und der lange beklagenswerten Technik auf dem stabilen Zweig des Spiels zu Missmut. Und wenn eine so innige Liebe wie hier im Spiel ist, lodert der nur noch heller. Reihenweise wandten sich die User ab oder warfen mit einem Dauerfeuer an Schnippischkeiten um sich. Das Spiel setzte regelmäßig persönliche Negativrekorde bei den Spielerzahlen, die sich zwar immer noch auf einem Level bewegen, den andere Spiele niemals erreichen werden, aber mit der ausgedehnten Hochphase der Mod nichts mehr zu tun haben. Das könnte der neue Patch 0.60, der gerade auf dem experimentellen Arm der Server getestet wird, nachhaltig ändern, transformiert er das Spiel doch grundlegend.
Es ist eigentlich ganz einfach, das gefühlte Auf-der-Stelle-Treten bei Bohemia zu erklären. Frühe Fehlgriffe in Bezug auf die Wahl der Engine führten dazu miserabler Performance in Städten, der keine Hardware der Welt etwas entgegenzusetzen hatte. Der komplette Renderer musste umgeschrieben werden, in dem Maße, dass man nun von einer neuen Engine spricht. Was sich für die User wie Stillstand anfühlte, war eine ausgedehnte Korrekturphase. Mit "Das Spiel wird niemals fertig" hat das nichts zu tun. Es war einfach etwas, was das Team hinter sich bringen musste. Und nach ausgiebigem Genuss des Patches muss man sagen: DayZ sieht nicht nur besser aus als je zuvor - die Beleuchtung, die Nachtphase, der Regen, Nebel und Gewitter sind absolut fantastisch -, es läuft endlich auch überwiegend mit 60 Bildern pro Sekunde. Das Spiel ist wirklich kaum wiederzuerkennen und fühlt sich noch dazu fantastisch an.
Man hat tatsächlich so sehr das Gefühl, dass man hier einen Wendepunkt in der Entwicklung miterlebt - immerhin ist die schlechte Performance ein Problem gewesen, das die Community seit Jahren mit sich rumschleppt -, dass sich schnell das bekannte Suchtgefühl wieder einstellt, wegen dem man 2012 in der Mod die Nacht zum Tage machte. Die anderen Verbesserungen, zum Beispiel die umfassende Neugestaltung der größten Städte Chernogorsk und Elektrozavodsk, und die die gewaltige neue Militärbasis Tisy sind da fast nur noch schmückendes Beiwerk. Der neu eingeführte Nebel an der Küste verhindert zudem effektiv, dass Heckenschützen aus der Ferne frischen Spawns den Start ins Spiel versauen. Wunderbar!
In Sachen Funktionalität ist endlich das neue Inventarsystem vernünftig zu gebrauchen und deutlich eingängiger als das alte. Die Zombies sind wieder da und agiler denn je, klettern sogar über Mauern, um an saftige Spielerschenkel zu kommen. Und dass Waffen nun mit Aufsätzen und zufälligen Mengen an Munition spawnen können, sorgt für viele unvorhergesehene Situationen und "Jackpot!"-Momente. Die Rückkehr von westlichen Kalibern, wie dem sehr flexiblen M4-Sturmgewehr, erfreut ebenso wie die nötige Reinigung der Waffen, will man Ladehemmungen in lebensbedrohlichen Situationen vermeiden. Neue Rucksäcke und ein paar anderer neuer Gegenstände erweitern das Spiel unterdessen an seinen Rändern ein bisschen.
Der Haken an der Sache: Die nur 50 Test-Server für den "Experimental Branch" sind bis zum Bersten mit Spielern gefüllt. Und es wird noch etwas dauern - wir sprechen allerdings wohl eher von Tagen bis Wochen als Monaten -, bis auch die letzten "Blocker" ausgeräumt sind, die verhindern, dass das Spiel auf die stabilen Server und den Normalbetrieb losgelassen wird. Die Frage muss erlaubt sein, ob DayZ seine Spieler zu lange hat zappeln lassen. Natürlich sind die Twitch-Zuschauerzahlen seit dem Experimental-Release von 0.60 wieder rapide angestiegen und auch auf Reddit überwiegt wieder gute Laune und Zuversicht. Die Zeiten, in denen im Peak knapp 30.000 Leute zugleich DayZ spielten, scheinen aber erst einmal in weite Ferne gerückt.
Aber wie so vieles in DayZ ist es auch damit wohl wie im echten Leben. Vertrauen bekommt man nicht geschenkt, man muss es sich erst verdienen oder - in diesem Fall - wieder zurückerlangen. Das Spiel macht jetzt jedenfalls Spaß wie nie und man darf zumindest optimistisch sein, dass es nun, wo die Technik endlich auf stabilen Beinen steht, schneller geht mit neuen Inhalten.
Es steckt wieder Leben in DayZ und bis das alle gemerkt haben, wird noch eine Weile vergehen. Zeit, in der Bohemia mit dem nächsten Update nicht zu lange warten sollte. Wenn die vergangenen fünf Monate eines gezeigt haben, dann dass auch die treueste Early-Access-Community aushungern und verbittern kann. Der Kurs scheint korrigiert. Jetzt heißt es: Vollgas geben, Bohemia!