Ghost Squad
Die Villagepeople - mit Maschinenpistolen
Mein Erstkontakt mit dieser Lichtpistolen-Schießbude liegt nun schon fast ein Jahr zurück. Ich kann mich so gut daran erinnern, weil dieser Tag eine wichtige Erkenntnis mit sich brachte. Ich war mit Kollege Metzger in Hamburg zu einem Presseevent eingeladen und wir hatten uns vorgenommen, im Anschluss noch eine Runde über die Reeperbahn zu drehen. Zwei Games-Redakteure am Puls von Deutschlands frivolstem Vergnügungsviertel. Leichten Mädchen, nackten Tatsachen und dem „S-Wort“ auf Leuchtreklamen in wirklich jeder nur erdenklichen Form und Schreibweise zum Trotz stuffelten wir zwei Freaks in die erste Arcade-Halle, deren Weg wir kreuzten.
Das war ein Moment in dem ich kurz (aber laut) lachen musste, denn mir wurde klar: Gäbe es ein staatliches Nerd-Diplom, ich hätte es am nächsten Tag im Briefkasten gehabt. Kristian nicht, seines hinge dann nämlich, mit Eselsohren, ordentlich vergilbt und vermutlich noch in altdeutschen Lettern, gerahmt an der Wand – aber das nur nebenbei.
Der auf Segas 2002er Chihiro-Board basierende Ghost Squad-Automat machte einen tollen Eindruck – nicht umsonst hat jeder von uns freiwillig mindestens einen Fünferpack an Euro-Stücken im Münzschlund versenkt. Das lag zum einen daran, dass er sich relativ fair spielte und damit nicht ganz so gierig nach unserem Kleingeld schnappte wie andere Arcade-Games, zum anderen aber an dem tollen Doppelpack an martialischen Plastik-MPs. Das Arbeitswerkzeug eines Ghost Squad-Kommandosoldaten war groß, von stattlichem Gewicht und massierte mit seinem beachtlichen Rückstoß bei jedem Schuss ordentlich die Schulter.
Auch auf der Wii ist Ghost Squad ein kurzer, aber grundsolider Lightgun-Shooter. Ihr spielt (abgesehen vom Anschaffungspreis) umsonst so oft Ihr wollt – und vor allem nicht mit einer, von einer Zehntausendschaft betrunkener Vergnügungssüchtiger abgegrabbelten Hardware, die man im Nachhinein lieber nicht angefasst hätte. Aber – und das ist ein großes „aber“ – eben auch mit dem Zapper. Und der Zapper ist keine drei Kilogramm schwere Replik einer Heckler & Koch MP-5 mit Visier, Gewehrkolben und sattem Force Feedback.
Natürlich hat man diese Sorte Spiel schon immer mit seltsam hohlen und knallig-bunten Plastik-Wummen bedient, sobald man aber einmal die Ghost’sche Luxusausführung in Händen hatte, will man nur ungern zu den fettleibigen Wasserpistolen zurück. In diesem Fall muss man aber notgedrungen und findet immer noch ein routiniertes Spiel von den Meistern des Genres, namentlich Segas AM2. Ghost Squad ist von 2004 läuft auf einer Hardware von 2002 und sieht irgendwie doch eher nach 2001 aus.
Glücklicherweise hat man nicht allzu viel Zeit sich darüber zu ärgern und man will es auch gar nicht, denn für das was sie darstellen muss, funktioniert die Engine zweckmäßig. Die Optik ist immerhin sauber, differenziert und erleichtert damit erheblich das Spielen. Das erfolgt wie immer auf festgelegten Bahnen durch drei Level mit diversen Kreuzungen und Abzweigungen, an denen Ihr Euch für eine der vorgegebenen Routen entscheiden müsst. 95% der Zeit schießt Ihr mehr oder weniger unvermittelt ins Bild springende Gegner über den Haufen und ladet nach, indem Ihr am Fernseher vorbei feuert. An manchen Stellen müssen auch Bomben entschärft (Drähte in der richtigen Reihenfolge kappen. Ja, auch den roten!), Minen unschädlich gemacht oder nichts ahnende Feinde per Sniper-Gewehr ausgeschaltet werden.
Keiner der drei Level (Regierungs-Anwesen im Wald, Airforce One, Dschungel) dauert dabei länger als zehn Minuten, die Flugzeug-Episode liegt sogar deutlich darunter. Seinen Wiederspielwert bezieht das Spiel aus der Neugier des Spielers, der bei einem Durchlauf aufgrund der Abzweigungen nur zwischen einem Viertel und einem Drittel des Levels zu sehen bekommt. Auch verschiedene Waffen locken den einen oder anderen Lightgun-Die Hard sicherlich wieder in bereits erledigte Abschnitte zurück.
Über die bestenfalls zweckmäßige Grafik haben wir ja schon gesprochen, die Präsentation setzt dem antiquierten Charme des Heimkonsolen Zugriffs des Ghost Squad aber noch einen drauf. Trashigste Zwischensequenzen (High-Five zu unpassendsten Gelegenheiten; ein Charakter steht erst direkt vor den Helden, nur um in der nächsten Einstellung wieder drei Schritte weiter hinten zu sein) und in Inhalt wie Darbietung ebenso C-Film taugliche Dialoge sorgen für einige Erheiterung. Ob gewollt oder ungewollt ist dabei egal: Den Spielspaß trüben sie jedenfalls in keiner Weise.
Ghost Squad ist also ein sehr kurzes, technisch maues, aber immer solide gemachtes Genrestück, das vor sympathischer Beklopptheit nur so sprüht. Und damit ist es das typische Beispiel eines Games, für das wohl nur Spieler mit Nerd-Diplom wirklich Verständnis aufbringen können. Das 60 Euro große Loch, das Ghost Squad nach Segas Meinung in die Haushaltskasse dieser Fans reißen soll, kann es aber auch mithilfe des chaotischen Vierspieler-Modus oder der Online-Ranglisten nicht wirklich ausfüllen.