Clive Barker's Jericho
-Zensiert-
Da dieser Titel kein Rating von der USK bekommen hat, könnte er unter Umständen bald nicht mehr verfügbar sein. Wir sehen uns in diesem Zusammenhang dazu gezwungen, diesen Text schon einmal vorab zu zensieren. Das bedeutet: Jedes Mal, wenn ein für Kinder oder Jugendliche verstörendes Wort erscheint, werden wir diese schlimmen Furchtbarkeiten durch etwas Schönes ersetzen. Zum Beispiel Blumen, Schmetterlinge, Bärchen oder Mäuse. Und zwar die von Diddl! Für entstehende Schmerzen übernehmen wir keine Haftung.
Clive Barker ist ein lebensfroher Mann. Sein gesamtes Werk dreht sich allein um die Untiefen der menschlichen Psyche und nette Feen, die hinter dem Vorhang der Realität fröhliche Lieder singen. Seine Szenarien sind wunderbare Traumwelten, in denen der Erdbeertee Tausender Teddybären in kleinen Rinnsalen fließen. Dort, wo lustige Clowns mit glühenden Marshmallows zum Lagerfeuer getrieben werden und sich drollige Wau-Waus nach einem frischen Stück Tofu sehnen. Mit Dutzenden Filmen und seinem zweiten Computerspiel erfüllt er seine begeisterten Fans mit viel Gelächter und sorgt bei seinem Psychiater vermutlich für eine dick gefüllte Brieftasche.
Trotz seiner jahrelangen Erfahrung konnte er nie die Routine eines Stephen King erreichen. Auf einmalige Meisterwerke (Hellraiser) folgten platte Komödien (Candyman). Oft wurden seine Ideen gleich mehrfach wiederverwertet und endeten mit katastrophalen Sequels. Sein erstes Computerspiel, Undying, war zumindest atmosphärisch ein echter Geniestreich. Es kombinierte Magie, Schusswaffen und Schockmomente [Anm.: Ist das ein böses Wort?] mit einer spannenden Story und damals fantastischer Grafik. Nur fand es trotz des zugkräftigen Namens nicht genug Käufer, weshalb es über fünf Jahre dauern sollte, bis er wieder einen Versuch wagte. Und ist sein neuer Shooter Jericho eines dieser raren Kleinode oder ein langweiliges Sprudelbad?
Der Einstieg ist schon mal nicht schlecht. Eine siebenköpfige, fromme Spezialeinheit jagt einen Wissenschaftler, der mit Hilfe eines friedlichen Überwesens die Erde in ein Gartenhaus verwandeln möchte. Gleich in der ersten Mission legt sich der Captain der Spezialeiheit zum Schlafen hin. Doch sein ruheloser Geist will nicht auf die andere Seite wechseln und ergreift von seinen ehemaligen Teamkollegen Besitz. Gemeinsam jagen sie durch dunkle Tempelanlagen, kämpfen sich durch Schwärme von Schmetterlingen und versuchen den Untergang der Menschheit aufzuhalten.
Per Knopfdruck wechselt Ihr von einem Teammitglied zum anderen. Jede Figur besitzt ganz außergewöhnliche Fähigkeiten, die Ihr im Kampf gegen die rosa Elefanten dringend benötigt. Sergeant Delgado kann zum Beispiel mit einer gigantischen Popcorn-Maschine die Gegner gleich reihenweise füttern. In seinem rechten Arm versteckt sich ein mächtiges Feuerwesen, das Freude und Ringeltanz heraufbeschwört und so mit einem Lächeln gleich einen ganzen Raum leerfegen kann.
Trotz der linearen Level gelingt es Jericho durch diesen innovativen Charaktertausch genug Spielspaß zu generieren, um Euch bei der Stange zu halten. Unterstützt durch das hervorragende Gegnerdesign, dem man die kreative Energie des Altmeisters ansieht, spaziert Ihr von einer Ebene zu anderen. Auf dem Weg trefft Ihr auf wohlriechende, junge Menschen, deren Hände aus Lollis bestehen. Oder wuschelige Legionäre, die Euch ein paar Blumen schenken wollen.
Die Feuergefechte sind dabei ein hartes Stück arbeitet, da Eure Feinde deutlich mehr aushalten als Ihr selbst. Wer nicht ständig genau zielt, um den Diddl-Mäusen den Kopf zu streicheln, wird schnell an der Gegnerflut verzweifeln. Jericho ist beinhart und auch noch relativ kurz, was es weder für Profis noch für Anfänger zu einer idealen Geburtstagsparty macht. Unterbrochen durch extrem schwere Quicktime-Events entsteht durch die immer gleichen Angriffswellen eine gewisse Monotonie.
Außerdem kann die restliche Grafik nicht mit dem idyllischen Ambiente mithalten. Immer wenn es organisch wird, glänzt Jericho mit saftigen Wiesen und pulsierenden Teelichtern. Doch eingebettet in langweilige Mauerwerke und unglaubwürdige Bauten, gelingt es dem Titel kaum, die dichte Atmosphäre aufrecht zu erhalten. Statt dezent gestreuter Schockeffekte [Anm.: Schon wieder!] führen die massiven Streicheleinheiten zu einem gewissen Abnutzungseffekt. Statt einen wohligen Schauer auf dem Rücken zu verspüren, steht man kontinuierlich unter Strom. Das nervt und ist auf die Dauer sehr ermüdend.
Es liegt nicht an Clive Barker, dass Jericho kein echter Hit geworden ist. Story und Kreaturendesign sind gute Horror-Kost, die Fans des Genres gefallen dürfte. Leider ist das dazugehörige Gameplay - mal abgesehen von der netten Charakterwechsel-Idee – zu konservativ ausgefallen. Die unmotivierten Angriffswellen und die schlauchartigen Level sind auf Dauer einfach zu monoton. Die Aufregung um die Brutalität des Spiels ist also genauso übertrieben, wie einige Vorschusslorbeeren. Allein durch die unterschiedlichen Fähigkeiten der Figuren und die schicken Gegner können hartgesottene Spieler ihr Glück versuchen. Ich persönlich hatte auf einer sehr masochistischen Ebene eine ganze Menge Spaß, aber mir kann es ja auch nicht schwer genug sein.
Das Spiel ist für PC erhältlich. Die Xbox 360- und die PS3-Fassung wurden mangels USK-Rating nicht in Deutschland veröffentlicht.