Tomb Raider: Anniversary
Alte Liebe rostet nicht
Die Kämpfe stehen zugunsten dieser Rätsel klar im Hintergrund, was sicher viel Fans des Originals begrüßen werden. Um ehrlich zu sein, Kämpfe in Tomb Raider waren nie ein großes Highlight und auch Anniversary macht von dieser Regel keine Ausnahme. Die zum Glück relativ seltenen Gefechte mit Wölfen, Bären und Raptoren wirken meist etwas zu aufgesetzt und häufig genug scheitert die Kameraführung an genau diesem Punkt, wenn es darum geht, einen Feind in Laras hübschen Rücken ins Visier zu nehmen.
Einige Neuerungen, zumindest in Bezug auf Tomb Raider, bereichern den Kampf aber dann doch deutlich. Bullet Time gehört mittlerweile zwar zu den ausgetretendsten Schuhen der Actionwelt, hier fällt der Einsatz aber so sporadisch aus, dass es niemanden schmerzen dürfte. Sollte ein Gegner mal richtig sauer werden, nachdem Lara mehrere Magazine auf ihn entleert hat, wird er sich voller Inbrunst auf sie stürzen. In diesem Moment heißt es ein geschickt getimtes Ausweichmanöver einzuleiten und im richtigen Moment einen tödlichen Kopfschuss abzugeben, der einen T-Rex zwar nicht gleich fällt, aber ihn doch mehr schmerzen wird.
Richtiges Timing ist dann auch das Stichwort für eine weitere Neuerung, die es derzeit aufgrund eines ungeschriebenen Gesetzes wohl in jedem Spiel geben muss: Quick-Time-Events. Dramatisch Szene wird abgespielt, im richtigen Moment den richtigen Knopf drücken, sonst Lara tot. Das übliche, etwas unnötig aber nicht wirklich schlimm, da die Rücksetzpunkte hier sehr fair verteilt sind.
Dies ist leider nicht im ganzen Spiel der Fall und teilweise werdet Ihr durchaus beachtliche Strecken zurücklegen, bevor Ihr an der gleichen Stelle Euch erneut in den Tod stürzen dürft. Auf dieses Manko des Originals hätten einige von Euch sicher gern verzichtet, aber irgendwie gehört es wohl auch zum Feeling des Klassikers dazu und es schärft zumindest Eure Sinne.
Selbige, besonders die visuelle Wahrnehmung, werden auf der neuen Xbox 360-Version übrigens nicht gerade übermäßig verwöhnt werden. Es mag durchaus sein, dass Anniversary auf der Grundlage der Legend-Engine entwickelt wurde, nur warum sieht es dann, über ein Jahr nach diesem, deutlich schlechter aus? Es ist natürlich mehr als ein Quantensprung von Tomb Raider 1 entfernt, aber das galt auch für die PS2-Version von Anniversary, die, von der höheren Auflösung abgesehen, den Bildern der 360 verdächtig ähnelt.
Ein paar Lichteffekte hier und da, eine etwas zu triefend nasse Lara, die irgendwelchen Flüssen und Seen entsteigt, das war es dann auch größtenteils schon mit den Unterschieden zur PS2. Die Sichtweite und die an einigen Stellen riesigen Räume scheinen die 360 gelegentlich sogar zu überfordern und ein leichtes Ruckeln macht sich bemerkbar. Eine Konsole, die BioShock und Co. flüssig darstellen kann, sollte hier eigentlich keine Probleme haben und die Schuld trifft wohl eher das Team von Crystal Dynamics.
Man war sich dort wohl auch bewusst, dass man hier nicht unbedingt ganz echtes Technik-Next-Gen abgeliefert hat und bietet das Spiel zu dem sehr fairen Preis von ca. 40 Euro inklusive einer Bonus-DVD an. Diese enthält vor allem den traumhaften Soundtrack und ein paar Trailer zu vergangenen Spielen. Nichts Bewegendes, aber nett. Wer auf solche Goodies verzichten kann und schon Legend im Schrank stehen hat, darf sogar eine Alternative zur klassischen Retail-Variante wählen. Im Marketplace wird Anniversary aufgesplittet in zwei Teile für je 1.200 Punkte oder in vier Teilen zu je 600 Punkten angeboten.
Es war ein langes Ringen, ob die offensichtliche Faulheit der Programmierer, der Xbox 360-Version von Anniversary den letzten Schliff zu geben, mit einem kleinen Abzug bestraft werden sollte. Ein Augenaufschlag von Laras resoluten Augen reichte aber: Nein, keine Sorge, meine Liebe, ich bringe es nicht übers Herz. Schließlich bietet das wohl gelungendste Remake der Spielegeschichte auch auf Microsofts Konsole Tomb Raider in seiner besten Form. Dank perfekter Spielbarkeit, teuflischen Rätseln, einer bezaubernden Mrs. Croft und einem relativ kleinen Preis gibt es keinem Grund, die alte Romanze nicht noch einmal aufzufrischen.