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Scarface: The World Is Yours P2H

Sex, Drugs & viele Tote

Wenn Ihr nicht gerade damit beschäftigt seid, die halbe Stadt zu beleidigen, NPCs vollzulabern und einen von 250 möglichen Dialogen zu führen, erobert Ihr langsam aber sicher die vier Gang-Reviere Miamis zurück. Grafisch macht die Metropole übrigens nicht sehr viel her und erreicht höchstens gutes PS2-Mittelmaß. Mit blöd Quatschen allein hat aber noch niemand ein Drogenimperium aufgebaut, deshalb müssen wir uns zu Beginn wieder selbst auf die Straße wagen und dort Missionen aller Art absolvieren. Um das Drogengeschäft anzukurbeln, ist uns jedes Mittel recht. Gangs auslöschen, Geldwäsche, Drogentransporte per Auto oder Boot und allerlei anderer Nebentätigkeiten wie Glücksspiel verschaffen uns das Vertrauen von Lieferanten und Dealern sowie ein dickes Bankkonto.

Von Vorteil ist dabei den "Gang-Heat" niedrig zu halten. Wer also ständig ballernd durch die Gegend rennt, bekommt nicht nur schneller Ärger. Auch die Bullen sind häufiger hinter uns her und machen uns das Leben schwer. Hängen uns zu viele Cops an der Stoßstange, gibt es kein entrinnen mehr. Schmiergeld hält uns dann Bösewichte und Bullen vom Hals. Eine niedrige Heat-Anzeige steigert auch den Profit bei Drogenverkäufen.

Rück die Kohle raus, du Gangster!

Dreckiges Geld aus diesen Geschäften muss reingewaschen werden, bevor es auf dem Konto landet. Das überlässt man am besten der Bank seines Vertrauens, die dafür im Gegenzug einen Prozentsatz als Gewinn einbehält. Wie hoch dieser Anteil ist, hängt von Eurem Geschick ab. In verschiedenen Verhandlungs-Situationen des Games wird mit einer Golf-Schwung-Ähnlichen Steuerung die Höhe des Abzugs festgelegt, wie viel uns die Drogen bringen oder ob es uns gelingt, unsere Gesprächspartner einzuschüchtern. Auf unserem steigenden Ruhm dürfen wir uns jedoch nicht ausruhen. Wenn wir nicht aufpassen, schlägt die Konkurrenz zurück und überfällt die von uns kontrollierten Läden. Genug Kohle vorausgesetzt installieren wir Abwehrmaßnahmen und Wachpersonal und schützen so unsere Geschäfte.

Mord und Totschlag

Trotzdem gehen wir häufig genug mit außerordentlicher Brutalität vor. Wo es nicht reicht Drogen zu verhökern, um sich langsam vom Dealer-Dasein, über den Besitz von Verteiler-Schuppen, Lagerhäusern voller Koks auf das große Parkett zurückzuarbeiten, hilft nur eins: Mord und Totschlag. Letztendlich steigern wir mit allen gelungenen Handlungen unsere Reputation und klettern auf der Gangster-Karriereleiter nach oben. Davon werden auch die NPCs beeinflusst, die ihr Verhalten uns gegenüber ändern. Sie überlassen uns später beispielweise bereitwillig ihre Autos ("Hier ist der Schlüssel, Mr. Montana ..."), Frauen gehen eher auf Anmachen ein und so weiter.

Selten habe ich zuletzt soviel blutige Gewalt gesehen, abgesehen vielleicht von einem in Deutschland jüngst zensierten Zombie-Slasher. Bei Treffern spritzt das Blut nur so nach allen Seiten. Rückt Euch ein Gegner zu sehr auf die Pelle, gibt es automatisierte Finishing-Move-Skripte, mit denen sie hingerichtet werden. Bei Kopfschüssen bleibt meist nicht mehr als ein Blut spritzender Stumpf übrig. Keine Frage, dass die gerade Getöteten anschließend auch noch eine üble Beschimpfung über sich ergehen lassen müssen - mitten im Kugelhagel muss dafür schließlich noch Zeit sein! Sogar gezieltes Feuern auf bestimmte Körperteile ist möglich - Nieren, Arme, Kopf, sogar, ehm, die Weichteile werden gezielt ins Visier genommen. Das hemmungslose Töten wird übrigens von einem köstlichen Soundtrack begleitet, der einen genreübergreifenden Mix weltbekannter Künstler bietet. Klasse!

Bist du lesbisch?

Hey Baby, wie wär's mit uns beiden?

Und trotzdem hat auch dieser Tony Montana sich einem eigenen Moralkodex unterworfen. Niemals würde er auf Frauen oder Kinder ballern. Auch das Spiel erlaubt das nicht und trägt mit damit zur großen Authentizität bei, die die Intensität des Gameplays erhöht. Sein trockener Kommentar: "Ich brauch' diesen Scheiß nicht!" spricht für sich. Frauen sind für ihn lediglich Sexobjekte, doch auch seine große Klappe erspart ihm einen Korb nach dem anderen nicht. Doch Tony ist schlagfertig. Weibliche Spielfiguren, die auf unser grobschlächtiges Werben nicht oder nur zögernd eingehen, werden schonmal mit der Frage: "Bist du lesbisch?" konfrontiert. Waren seine F-Wort-Ausbrüche im Film schon berüchtigt, übertrifft das Spiel dies mit Leichtigkeit. Wahre Kanonaden überschütten Feinde und Angebetete gleichermaßen. Dabei hören wir zwar leider nicht Al Pacinos Originalstimme. Dem Vernehmen nach hat er aber höchstpersönlich den wirklich tollen Sprecher ausgewählt, der die exzellente Vertonung bereichert.

Scarface bietet ein intensives und abwechslungsreiches Gameplay im GTA-Stil, das sich mit einigen frischen Ideen wohltuend vom Genre-Einerlei abhebt. Die dichte Atmosphäre der Filmvorlage, mit all ihrer Brutalität, wird auch vom Spiel häufig erreicht. Nicht zuletzt das übermäßig drastische Gameplay, die vielen Flüche und Beleidigungen sowie sexistischen Dialoge sind aber sicher nicht jedermanns Sache. Kleine Macken wie träge Menüs, lange und recht oft vorkommende Ladezeiten und sich wiederholende Missionen trüben jedoch teilweise das positive Gesamtbild. Wer aber endlich einmal wissen möchte, was passiert wäre, wenn Tony Montana vor 23 Jahren davongekommen wäre, wird an Scarface: The World Is Yours nicht vorbei kommen.

UPDATE: Die deutsche Version ist natürlich entschärft. Zwar fließt immer noch Blut, aber Körperteile könnt Ihr nicht mehr abschießen. Es wird auch nicht eingeblendet, ob Ihr den linken oder rechten Hoden eines Gegners im Visier habt, wobei wir mit dieser Einschränkung recht gut leben können. Eine Mission, in der unter anderem eine Kettensäge zum Einsatz kommt, fiel leider komplett der Schere zum Opfer. Die PC-Version erscheint übrigens am 27. Oktober.

8 / 10

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