Hellgate: London
Götterdämmerung im Multiplayer
Kennt Ihr diesen Moment: Ihr seid Euch nicht sicher, ob Euch ein Spiel gefällt oder nicht. Dieser kurze Augenblick. Ihr überlegt, den Rechner auszuschalten, um Euch lieber einen guten Film anzuschauen. Diese Sekunde, in der das Geschehen auf dem Bildschirm verblasst und Ihr das Gefühl habt, dass Euch die Entwickler vom Haken gelassen haben. Es ist eine Emotion voller Enttäuschung, die – angetrieben durch Erwartungen – schnell in Wut umschlagen kann. Genau dann stellt man sich und den Entwicklern die Frage, was denn nun eigentlich schief gelaufen, warum das Spiel doch nicht der erwartete Hit geworden ist.
Keine Sorge, Ihr habt Euch nicht verlesen und seid aus Versehen im Fazit gelandet. Hellgate: London erreicht zwar diesen Moment viel zu früh, doch es steckt mehr dahinter als ein paar enttäuschte Erwartungen und ein schwacher Einstieg. Ich muss zugeben, die Beta-Phase hat nicht dabei geholfen, den Anfang des Tests spannender zu gestalten. Durch mehrere Updates habe ich rund ein halbes Dutzend neuer Charaktere begonnen, da die alten über Nacht gelöscht wurden und mich so zwangen, die ersten Level immer und immer wieder zu spielen.
Und es sind gerade die ersten paar Stunden, die bei Hellgate so unspektakulär ausfallen, dass man an den Fähigkeiten der ehemaligen Blizzard-Mitarbeiter zweifelt. Doch der Titel ist besser als es zu Beginn den Anschein hat. Mein Ausflug in die Hölle brachte zwar auch einige Enttäuschungen, doch unter dem spröden Äußeren versteckte sich ein Spiel, in dem noch ein unglaubliches Potential steckt.
Um die große Erwartungshaltung der Fangemeinde zu verstehen, muss man wissen, dass einige Entwickler der Flagship Studios, allen voran der geistige Vater Diablos, Bill Roper, in den alten Tagen praktisch das Action-Rollenspiel erfunden haben. Mit Diablo 2 haben sie es anschließend noch weiter evolutioniert und damit eine Legende geschaffen.
Kein Wunder also, dass der Erstling der FlagshipStudios in den Köpfen der Community zu einem Diablo 3 wurde, das ihnen Blizzard schon seit Jahren verwehrt. Doch das neu gegründete Studio schlug zumindest Story-technisch einen anderen Weg ein.
Weg mit Fantasy, weg mit der klassischen Iso-Perspektive. Bill Roper und seine Bande schufen eine ganz neue Art von Action-Rollenspiel, das mit einem Shooter nicht nur die Perspektive gemeinsam hat.
Furchtlos wandte sich das Team von der klassischen Fantasy ab und versetzte das Spielgeschehen in die nahe Zukunft. Im Jahre 2038 wurde die Welt nicht etwa von den Menschen zugrunde gerichtet, sondern die von Nostradamus vorhergesagte Apokalypse machte schon mal einen Zwischenstop. Die Tore zur Hölle öffneten sich, blühende Landschaften verwandelten sich in brennende Schutthalden und die Menschheit wurde damit an die Grenze ihrer Auslöschung gebracht. Die Dämonen sind dabei so gründlich vorgegangen, dass wahrscheinlich ein Dritter Weltkrieg nicht mehr Schaden angerichtet hätte.
Natürlich haben sich die Menschen angepasst, sind in den Untergrund geflüchtet und haben ein neues System aufgebaut. Einige von ihnen haben die neuen Mächte studiert, können sie nun anzapfen und gegen die Feinde richten. Andere haben die moderne Technik gewählt, um aus ihr das Schwert der Vergeltung zu formen, das am Ende hoffentlich die Mächte der Finsternis zurückdrängen kann. Sie sind die Helden von Hellgate: London, sie sind das Kernstück und die größte Errungenschaft, die dieses Spiel für sich verbuchen kann.
Auf den ersten Blick wirken die unterschiedlichen Klassen von Hellgate wie eine plumpe Kopie von Blizzard-Ideen. Da werden wild Figuren aus Diablo 2, Warcraft 3 und World of Warcraft gekreuzt und einige Skills fast ohne Veränderung wiederverwendet. Meistens verpackt in ein moderneres Äußeres, versteckt sich hinter einem Guardian zum Beispiel ein schnöder Paladin und der Summoner könnte mit ein paar kleinen Änderungen auch als Warlock durchgehen.