Dead Island
Wenn in der Hölle kein Platz mehr frei ist, fahren die Toten in den Badeurlaub
Konzentriert man sich auf seine Waffenfertigkeiten, bekommt man trotzdem ein Gefühl für Fortschritt und das, obwohl die Zombies fleißig mitleveln. Bei geschickterer Strukturierung der Fähigkeiten würde jeder Spieler aber deutlich individuellere Charaktere formen, wodurch sich auch mehr Möglichkeiten für ein enger verzahntes Koop-Spiel ergeben würden. Doch dazu später mehr. Es ist wirklich schade, was hier an Potential verschenkt wurde. Wirkliches Rollenspielen "geht" in Dead Island jedenfalls nicht.
Echt gut ist hingegen, wie Techland die von vergammelnden Kannibalen überrannte Insel in Szene setzt. Ein tropisches Szenario mit im Wind schwankenden Palmen und sich sachte wiegenden Grashalmen ist für jedes Spiel ein Gewinn und die offene Auslegung der großen Umgebungen bedeutet, dass ihr eure Kämpfe mit Bedacht wählen müsst.
Mithilfe des langen und schnellen Sprints umkurvt ihr kleinere Gruppen der normalen "Walker" problemlos und müsst euch nur um die direkt und samt Schreieffekt aus Left 4 Dead entliehenen, schnellen "Infected" wirklich kümmern. In engen Passagen helfen Sprengkörper, Fleischköder oder einfach ein Überraschungsmesser in den Rücken - wenn ihr schnell genug seid. Gerade zu Anfang fühlt man sich ordentlich bedroht und wirklich verloren.
Allerdings bekommt auch diese wunderbare Postkarte vom Ende der Welt irgendwann Knicke und Risse. Das geht damit los, dass eine geschlossene - wohlgemerkt nicht verschlossene - Tür selbst für den härtesten Untoten noch ein unüberwindbares Hindernis ist. In einem geschlossenen Raum habt ihr nichts zu befürchten, niemals. Selbst wenn es sich um eine Bretterhütte handelt. Zu keinem Zeitpunkt verlangt das Spiel, dass ihr einen Eingang verrammelt, indem ihr irgendetwas davor schiebt, ihn zunagelt oder dergleichen.
Und das würde die Physik auch nicht erlauben. Gartenmöbel, Pappkartons und andere hüfthohe Dinge verbleiben wie angenagelt an ihren Plätzen, selbst wenn sich mal wieder ein Zombie darin verkeilt, weil sich seine Wegfindung aufgehangen hat. Warum fliegt hier derart urbanes Unterholz nicht in hohem Bogen durch die Gegend, wenn ein Rudel hungriger Stinker den kürzesten Weg in meine Richtung sucht? Komisch ist dabei auch, dass hin und wieder doch ein Gegenstand, meistens ein Stuhl, umfallen kann. Ich schätze, dass es ungefähr einer von Hundert ist. Warum hier eine beinahe versehentliche Physik dann doch an und an einen wirkungslosen Einsatz hat, ist nicht ersichtlich. Unterm Strich wirkt diese Welt dadurch einfach statisch und berechenbar.
Warum fliegt hier mal nicht ein Zombie durch ein Fenster oder eine geschlossene Tür herein? Es wäre schön, wenn man wenigstens hören könnte, wie die lebenden Leichen versuchen, mir an die Tür hämmernd in das nächste Zimmer zu folgen. Womit wir schon beim nächsten Punkt wären: So gut sich die Chrome 5 Engine in der von uns getesteten PC-Version Außenarealen auch schlägt, so steril und überholt wirkt sie doch in den abgedunkelten Innenbereichen, von denen das Spiel durchaus einige parat hat. Ein Supermarkt, ein verlassenes Hotel und vor allem die Kanalisation wirken wachsartig, künstlich und durch die Wiederholung immer gleicher Raumelemente austauschbar.
Durch die Kanäle schickt einen das Spiel im Rahmen einer Story-Mission sogar zwei Mal - hin und wieder zurück - und hier wird dann auch klar, dass es Techland mit dem Leveldesign nicht so hat. Was unter freiem Himmel vom offenen Ansatz lebt, von der Unübersichtlichkeit des Dschungels und der Hotelanlagen und von der Wahl, sich auf einen Kampf einzulassen oder nicht, das wird in engen Korridoren zum eindimensionalen, transparenten Gemetzel in höchst mittelprächtiger Grafik. Als auf meinem Rückweg durch die Kloake der Stadt Moresby sogar wieder alle Zombies erneut an derselben Stelle auf mich warteten, an der ich sie vor zwei Stunden bereits in handliche Einzelteile zerlegt hatte, verschlug es mir schon ein bisschen die Sprache.