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Dead Space 2

Völlig losgelöst

Ihr nehmt dazu in einem Sessel Platz, in dem ihr nach Art einer interstellaren Achterbahn mechanisch eingeschnürt werdet, um anschließend zur Sprawl nach unten geschossen zu werden. Die Beschleunigung des Raketenstuhles nutzend, befreit sich Isaac nach einem Viertel des Weges aus dem Sitz, stößt sich nochmals von ihm ab und saust als menschlicher Meteorit auf die Station zu.

Während des ungebremsten Sturzes schweben zunächst kleinere Trümmer, dann ganze Wohntrakte in Isaacs Flugbahn – an einer Stelle nutze ich die Rotation eines aus der Station herausgebrochenen Korridores, um längs durch den Gang des treibenden Gebäudeteils zu fliegen. Hier zieht Visceral inszenatorisch wirklich alle Register.

Bei der Landung bekommt man schon vom Zugucken blau-grüne Flecken: Isaacs Fall wird zuletzt nur durch einen Lüftungsschacht gebremst, in dem er wie ein Stein durch mehrere Gitter und Mechanismen bis ins Innere der Sprawl kracht. Dort nutzt Visceral ein weiteres Mal die Chance, mir die verschiedenen neuen Gegner in Aktion zu zeigen. Der größte Mob von Feinden setzt sich aus den kindsartigen Rudelwesen „The Pack", mehrerer der modifizierten Slasher und einem Puker zusammen, dessen Spucke-Projektil wahlweise Isaac verätzt oder – in ihrer klebrigeren Variante – verlangsamt. Dieser Kampf ist von einer recht vertrauten Mischung aus Panik, Chaos und den Versuchen einer Taktik geprägt, weil man dringend vorhat, den Puker als erstes auszuschalten, das Pack aber den direktesten und schnellsten Weg zum Spieler sucht.

Kein Wegläufer: Der intergalaktischer Kammerjäger Isaac lässt Waffen sprechen.

Man bekommt das Gefühl, dass Viscerals Rechnung, den Puls des Spielers durch Herausforderungen, die das bloße strategische „Entgliedmaßen" der Feinde (bekannt aus dem ersten Teil) bei weitem übersteigen, in die Höhe zu treiben, durchaus aufgeht. Gleichzeitig stellt sich dabei auch die Frage, ob der Entwickler das noch im Frühjahr uns gegenüber getätigte Versprechen, Dead Space 2 bleibe trotz der Action-Anleihen definitiv im Horror-Genre verwurzelt, auch halten kann?

Wenn man nach einem Gefecht wie dem oben beschriebenen erst einmal knietief in den fädenziehenden Resten eines Feindesrudels steht, fällt es ein bisschen schwer, den Anflug Ärsche tretender Allmacht zu unterdrücken. In dem Church-of-Unitology-Abschnitt wiederum, der auf der E3 zu sehen war, springt einem scheinbar alle paar Schritte ein Mutant durch eine Glasscheibe vor den Plasma-Schneider und ruft damit jedes Mal aufs Neue wenig schmeichelhafte Assoziationen mit den virtuellen Geisterbahnen hervor, die Ende der Neunziger auf dem Erfolg von Resident Evil trittbrettfahren wollten.

Aber „Horror" – das ist doch vor allem das Versprechen eines unvorstellbaren Grauens hinter der nächsten Ecke, gepaart mit dem Gefühl, jeder Schritt könnte der letzte sein. Jegliche Monstrosität, jedes noch so schreckliche Ereignis, das sich der Entwickler ausgedacht hat, muss erst einmal mit den Kreationen konkurrieren, die unser Unterbewusstsein durch unseren Schädel wuchern lässt – sofern man es an den richtigen Stellen anstubst.

Bekommt der Puker Isaac zu fassen, werden Körperflüssigkeiten ausgetauscht.

Den Beweis, dass Viscerals Designer und Grafiker wissen, welche Stellen das sind, bleibt Papoutsis in dem von uns gespielten Abschnitt aber noch schuldig. Vielleicht haben Visceral und ich auch einfach nur eine unterschiedliche Definition des Begriffs Horror.

Dead Space 2 macht jedenfalls auch so weiterhin einen überlegten, routinierten Eindruck und hat alle Karten in der Hand, um den ersten Teil auf nahezu jeder Ebene zu übertrumpfen. Visceral ist sich sicher, für die Kritikpunkte am ersten Teil die passenden Mittel gefunden zu haben und demonstriert selbstbewusst eine ganze Reihe an Tweaks und Korrekturen, die Hand und Fuß haben. Hier sind vor allem der durch schneller ansprechende Kontrollen entschlackte Kampf und die wohlüberlegten Variationen im Ablauf zu loben – obwohl die Marke auch im zweiten Anlauf wohl nicht zum Synonym für Subtilität werden wird. Allein ob Dead Space 2 in der Summe am Ende mehr wird als eine potentiell verkopfte, am Reißbrett entworfene 2.0-Ausgabe des Debüts, vermag ich jetzt überhaupt noch nicht abzuschätzen. Aber keine Panik: Die Antwort ist irgendwo da draußen.

Dead Space 2 erscheint am 28. Januar 2011 für Xbox 360, PS3 und PC. Die Ausgabe für die Sony-Konsole kommt exklusiv mit einer überarbeiteten Version des Wii-Shooters Dead Space: Extraction – samt Move-Support.

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