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Deadlight - Test

Vor den Flashback zur Another World hat der Entwickler den Frust gesetzt.

Im Grunde war es für das neue Studio Tequila Works eine einfache Rechnung: Shadow Complex plus Limbo - kann ja eigentlich nur ein Knaller in bester Summer of Arcade Tradition werden. Zumal man auch noch Zombies mit in den Mix wirft, für maximale Breitenwirkung. Ganz so viel Kalkül möchte ich den Spaniern aber dennoch nicht unterstellen, denn was man mittlerweile auch ohne eingehendere Analyse als hochpopuläre XBLA-Formel identifiziert, ist in Wirklichkeit eine Hommage an Spiele ganz anderen Jahrgangs. Man zieht eindeutig eher den Hut vor den Flashbacks und Another Worlds der 16-Bit- und Amiga-Ära.

Folglich ist Deadlight die Sorte 2,5D-Action-Adventure, bei der die Figur eine gewisse Trägheit mitbringt und oft genaue Positionierung erfordert. Wie von diesen Klassikern bekannt, resultiert ein Sprung ohne Bewegung des Sticks darin, dass Protagonist Randall Wayne senkrecht nach erhöhten Kanten greift, während die beiden unterschiedlichen Laufgeschwindigkeiten ihn zwei festgelegte Distanzen überwinden lassen. Und das funktioniert auf Anhieb die ersten 45 von bei mir insgesamt knapp 150 Spielminuten - die Bruttospielzeit dürfte fast drei Mal so lang sein - ganz ausgezeichnet, während ihr euch mit den Wandsprüngen, Klettereien und dem Verschießen eurer spärlichen Munition per rechtem Stick vertraut macht.

Sogar der langsame und von einer Ausdauerleiste in beklemmendem Maße portionierte Nahkampf mit der Feueraxt funktioniert zur Abwechslung mal gewollt ungenau. Schnell beginnt man, abzuwägen, ob es die Situation erfordert, auf Tuchfühlung mit den hier 'Shadows' genannten Untoten zu gehen, oder ob man auch den Revolver sprechen lassen kann. Deadlight hat in seinem eröffnenden Kapitel also leichtes Spiel, sofern einem diese Sorte nachdenklicher und düsterer Plattformer gefällt.

Deadlight - Trailer

Großen Anteil daran hat nicht allein die Nostalgie, sondern vor allem die Art, wie der Entwickler seine lineare Abfolge von Räumen, Korridoren und offenen Bereichen strukturiert. Diese Apokalypse im äußeren Nordwesten der USA - in und um Seattle - wirkt wie aus einem Guss, wenn ihr euch in verschiedenen Zoomstufen über die Straßen, durch Häuser, Lüftungsschächte und schließlich Kanalisation schlagt. Es verfehlt seine Wirkung nie, nach einer Flucht durch ein loderndes Straßeninferno in einer weitwinkligen Totale und einem Sprung durch ein Apartmentfenster auf einmal ganz nah an der Figur zu sein. Hier setzt Tequila Works gelungene Ruhephasen, etwa wenn man noch atemlos in vermeintlicher Sicherheit die traurigen Überreste eines ehelichen Schlafzimmers erkundet und eines der zahlreichen versteckten Goodies, etwa verlorene Tagebuch-Seiten Randall Waynes, findet.

Und dann fällt das Spiel auf einmal auf die Nase, denn irgendwann während der Entwicklung hat Tequila Works anscheinend zu viel Canabalt gespielt. Plötzlich steht ihr vor Hindernisparcours, die keinen einzigen Fehler erlauben oder ohne Ansage unter strengem Zeitlimit gelöst werden müssen. Beides Aufgaben, dem das schön animierte, aber einfach etwas behäbigere Bewegungsmodell Waynes nicht angemessen gewachsen ist. Das Resultat ist ein spätestens ab der Mitte des Spiels regelmäßig nervender Trial-and-Error-Spießrutenlauf, bei dem man viele, viele unvermittelte Tode stirbt, weil man nicht millimetergenau abgesprungen ist oder wegen eines normalen anstatt eines senkrechten Sprunges eine zeitraubende Von-der-Wand-abfedern-Animation über sich ergehen lassen musste. Von der Steuerung her besser gelöst hat das seinerzeit Housemarque mit seinem exzellenten Outland, bei dem man jederzeit wieselflink Herr der Lage war.

Dazu kommen vollkommen humorlos platzierte Fallen, von denen man einerseits mangels Hellsichtigkeit nichts ahnt und die man andererseits wegen der Detailfreude des durchaus eindrucksvollen visuellen Designs nicht rechtzeitig sieht. Wo zum Beispiel Limbo mit optischer Reduktion und Klarheit seine Fallen und grausamen Tode zumindest andeutet, macht die belebte, aber gleichzeitig an den Kanten recht ausgefranste Optik Deadlights es euch schwer, Gefahren zu orten. Die Tode begleiten zudem etwas zu lange Ladezeiten und willkürlich gesetzte Checkpoints.

Auch lassen sich zu viele Rätsel und Problemstellungen, die euren Fortschritt bremsen, letzten Endes auf Suchbilder reduzieren, bei denen es oft einfach nur schwer festzustellen ist, was nun im Hinter- oder im bespielbaren Vordergrund steht. Nicht "schwer", sondern einfach nur "schwer zu sehen" ist hier oft die Devise und das, obwohl Deadlight hier und da sogar wichtige Elemente etwas hervorhebt. Die klare Trennung von vorn und hinten betrifft leider auch die Gegner, die oft aus der Ferne in eure Richtung wanken und die man dann manchmal einfach nicht trifft, weil sie noch nicht wirklich "da" sind. Das hat mich einige Leben gekostet, denn sobald euch einer aus einem Rudel der Zombies zu packen bekommt, kann das Spiel ganz schnell vorbei sein. Wieder einmal.

Überhaupt hat sich vieles von den grundlegenden Abläufen schon ziemlich abgenutzt, bevor das Spiel richtig begonnen hat. Selten macht man etwas, das man noch nicht kannte. Viele der Kletter- und Sprungpassagen könnte man mit einer neuen Voyager-Sonde ins All schicken, wollte man einer fernen Intelligenz irgendwo in der Milchstraße die absoluten Basics von Videospiel-Leveldesign vermitteln. Und dann müsste man sich schämen, nicht einen der ungezählten anderen Titel genommen zu haben, die haargenau dieselben Abläufe schon millionenfach vor Deadlight vom Spieler verlangten.

Unterbrecht mich, wenn euch dieses Rätsel bekannt vorkommt: Ihr steht vor einer gefluteten Kluft und müsst auf die andere Seite. Der Sprung ist zu weit und Wasser tödlich, was Randalls Auffassung von Körperhygiene erklärt. Direkt neben euch: ein Schalter, der das Wasser abpumpt und dabei eine Tür freilegt. Die Preisfrage: Wo ist die Kiste "versteckt", mit der ihr auf die andere Seite kommt? Es ist diese Sorte spröder und schon viel zu oft gesehener Puzzles, die davor sorgt, dass das Spiel nie mehr ist, als eine gut aussehende Hommage an weit bessere Titel.

Deadlight - Gameplay-Trailer

Bedauerlich ist auch, dass die stärkste Seite von Deadlight mit der Zeit immer mehr leidet, die zweifellos exzellente Atmosphäre. Das beginnt schon mit den Tagebucheinträgen von Wayne, die seiner Suche nach seiner Familie Gewicht verleihen soll. Die Autoren erlauben sich hier einfach einige Fehlgriffe. Schnell fällt der fahrige bis klischeehafte Stil des Geschreibsels auf. Es hilft zudem nicht, dass sie den Kanadier - der Kalender zeigt ohne größere Veranlassung und ohne, dass man es der Welt ansähe, das Jahr 1986 - als rechtskonservativen Red-Scare-Schwamm zeichnen. Man baut einfach keine Beziehung zu der Figur und ihrem Kampf ums Überleben auf. Später setzt der Entwickler die aus dem Zusammenhang gerissenen Einträge auch noch ein, um auf der Suche nach Randalls Frau und Tochter einige schlicht unfaire falsche Fährten zu legen, bis man sich nach der Auflösung ziemlich veräppelt vorkommt.

Die raubeinigen Monologe tragen nicht eben dazu bei, dem "Helden" Tiefe zu verleihen. Man hat häufig das Gefühl, Tequila Works könnte gerade schlicht die Stille nicht aushalten und lässt seine Figur deshalb etwas Bedeutungsschwangeres sagen. "Einst spielten in diesen Straßen Kinder - doch das ist jetzt vorbei", "Dies war einmal eine friedliebende, hilfsbereite Gemeinde - doch das ist jetzt vorbei", "Die Zuckerwatte hier war mal besonders lecker - doch das ist jetzt vorbei". Schon klar. Wenn man nichts zu sagen hat ...

Das Spiel hat trotzdem noch viele optisch eindrucksvolle und im Ablauf unterhaltsame Momente zu bieten, zum Beispiel, wenn man mal wieder Zombies in Fallen oder vor den Vorsprung lockt, auf dem man steht, nur, um sie dann mit einem weiten Sprung hinter sich zu lassen. Dann ist das Gefühl, gejagt zu werden, eine absolute Bereicherung für Deadlight. Auch das eigentliche Klettern, Rennen, Springen fühlt sich gut an, sofern man nicht gerade wieder fluchend einem gnadenlos unerbittlichen Zeitlimit in Form feuernder Helikopter oder einstürzender Levelarchitektur hinterherrennt, bis man die jeweilige Szene auswendig gelernt hat.

In gewisser Weise hat Tequila Works wohl sein Ziel erreicht. Deadlight gemahnt in Sachen Härte definitiv an seine großen Vorbilder. Schade, dass es ihnen mit den falschen Mitteln gelingt.

6 / 10

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Deadlight

Xbox 360, PC

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