Deadly Premonition: The Director’s Cut – Test
Perfektion lässt sich nur verschlimmern.
Deadly Premonition ist einzigartig. Kein anderes Spiel lässt sich auch nur im Ansatz damit vergleichen und wahrscheinlich wird es nie ein ähnliches geben. Nach der ziemlich ruhigen Erstveröffentlichung ohne wirkliches Marketing dahinter, erhielt der Titel Bewertungen zwischen zwei und zehn Punkten, was dem seltsamen Werk sogar einen Eintrag im Guinness Buch der Weltrekorde verschaffte. Die Spielerschaft war ebenso gespalten, aber aus der großen Euphorie der Liebhaber entstand ein eigenartiger Kult. Die Gefühle zu Deadly Premonition bleiben dennoch recht eindeutig. Entweder man legt es nach der ersten Stunde fluchend zur Seite oder man verliebt sich sofort in die abstruse Welt mit ihren verrückten Charakteren.
Erklärversuch eines Phänomens
Ich persönlich stelle mich ganz klar ins Fanlager und proklamiere regelmäßig meine Liebe zum Spiel. Aber wie kann man ein solches Machwerk mögen, wenn es auf einer fundamentalen Ebene so viel falsch macht? Grafisch erinnert es mehr an einen Titel, der zu Beginn der letzten Generation vielleicht noch akzeptabel gewesen wäre, und selbst dann noch Texturen aus den späten 90ern mit sich schleppt. Die Animationen sind steif und viele Figuren erzeugen Schluckbeschwerden, weil ihr Gesicht bei einem Lächeln wie das eines wahnsinnigen Mörders aussieht. Und abschließend legt sich noch ein grünlicher Filter über den Bildschirm, der die wenigen vorhandenen Farben verwischt.
Nimmt man dann trotz dieser Warnhinweise den Controller in die Hand, kämpft man zunächst mit der hakeligen und ungenauen Steuerung, die besonders in den Kämpfen dafür sorgt, dass eure Schüsse eher in der Umgebung als im Gegner landen. Richtig lächerlich gestalten sich die Autofahrten, denn die Fahrzeuge steuern sich wie Obstkisten auf Rädern. Jede Kurve avanciert aufs Neue zu eurem größten Albtraum.
Wenn ihr mich fragt, was ich genau an Deadly Premonition liebe, gibt es keinen einzelnen Punkt, auf den ich mit dem Finger zeigen könnte.
Und trotzdem gehören all diese Fehler zu den Gründen, die Deadly Premonition so besonders machen. Ihr vergesst sie nach einiger Zeit und nehmt sie als wichtigen und vor allem notwendigen Teil des Spiels wahr. Wenn ihr mich fragt, was ich genau an Deadly Premonition liebe, gibt es keinen einzelnen Punkt, auf den ich mit dem Finger zeigen könnte. Es ergibt sich aus der Gesamtheit vieler Dinge, die im ersten Moment trivial erscheinen.
Ich liebe die kleinen Unterhaltungen, die Protagonist Francis York Morgan mit seiner gespaltenen Persönlichkeit Zach bei Autofahrten führt, dabei über Filme redet und dabei von einem Thema zum nächsten springt. Ich liebe die Musik bei den kurzen Renneinlagen, weil es sich um eine dreist kopierte MIDI-Version von American Idiot handelt. Ich liebe die Tatsache, dass York nach mehreren Tagen einen Bart bekommt oder Fliegen über ihm kreisen, sobald ihr euch nicht um seine Hygiene kümmert. Ich liebe Yorks Unverständnis für Etikette, wenn er am Tatort fröhlich über vergangene Fälle philosophiert und angenehmer Jazz im Hintergrund spielt.
Ganz besonders liebe ich die Mixtur verschiedener Spiele. Es vermischt Elemente aus Resident Evil 4, Silent Hill 2, Clock Tower, Grand Theft Auto, Sims und Harvest Moon, und legt eine dicke Schicht Twin Peaks darüber. An jeder Stelle überrascht euch Deadly Premonition mit neuen Eigenschaften. Spielt sich der Anfang wie ein mittelmäßiger Abklatsch von Resident Evil 4, öffnet sich danach die Welt und ihr fahrt mit Autos über die ruhigen Straßen. Eure Umgebung kann sich dabei jederzeit in einen alternativen Horror-Albtraum verwandeln. Hier kämpft ihr nicht nur gegen Feinde, sondern müsst euch zwischendurch vor einem Axtmörder verstecken oder diesen in Fluchtsequenzen austricksen.
Deadly Premonition vermischt Elemente aus Resident Evil 4, Silent Hill 2, Clock Tower, Grand Theft Auto, Sims und Harvest Moon, und legt eine dicke Schicht Twin Peaks darüber.
In der fiktiven Stadt Greenvale besitzt jeder einzelne Charakter seinen persönlichen Tagesablauf. Ihr findet sie zu bestimmten Zeiten an festgelegten Orten, die auch von den jeweiligen Tagen oder dem Wetter abhängig sind. Beide Naturgewalten dürft ihr später durch den Einsatz magischer Objekte kontrollieren, falls ihr euch in Nebenaufträgen um das Wohl der Einwohner kümmert.
All diese Kleinigkeiten fügen sich zu einem Gefühl zusammen, das mich sämtliche Probleme sofort vergessen lässt. Plötzlich gewöhnen sich meine Augen an die schreckliche Optik und ich lache lauthals über hässliche Objekte am Straßenrand. Auch die Steuerung passt perfekt zum Ton des Spiels. Vielleicht kann ich doch auf einen Grund hinweisen, der zeigt, warum so viele Leute diesem Spiel verfallen und wie bei einem Autounfall nicht wegsehen können: Deadly Premonition besitzt Charme! Charme und eine Persönlichkeit, die viele Spiele vermissen lassen. Wenn ihr den Titel nach einem Jahr erneut in eure Konsole legt, überkommt euch ein warmes Gefühl von Vertrautheit und Freude. Darin liegt die Faszination begraben.
Und es hätte so schnell daneben gehen können. Löscht einen Teil aus der komplizierten Gleichung oder verändert das Gameplay zu sehr und schon verliert Deadly Premonition den Boden unter den Füßen. Es wandelt auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn, die sich hier gegenseitig Hände in die Mund schieben und im Einklang Haikus rezitieren. Ergibt überhaupt keinen Sinn, passt aber zu einem Spiel, dessen Hauptcharakter Buchstaben in seinem Kaffee liest, die seine Zukunft vorhersagen.
Verschlimmbessern geht immer
Genau deswegen war der Director's Cut von Beginn an eine zum Scheitern verurteilte Idee. Selbst die Beseitigung offensichtlicher Probleme würde das Gleichgewicht ins Schwanken bringen. Ein paar kleine Änderungen fallen bereits kurz nach dem Start auf. Kein grünlicher Filter liegt mehr über den Farben. Im ersten Moment ein kleiner Schock, doch ich sehe mittlerweile keinen Vor- oder Nachteil. Persönliche Präferenz eben. Wesentlich einschneidender fühlt sich da schon die 'Verbesserung' der Steuerung an. York bewegt sich im Kampf wesentlich flüssiger und auch das Zielen fällt leichter. Zudem besitzen die Feinde nun reduzierte Lebensenergie, was in meinen Augen einen Großteil der Angst zerstört. Bereits in der normalen Version boten die Gegner keine große Herausforderung, doch der leichte Krampf beim Steuern erzeugte zumindest ein wenig Horror. Hier gehen die Meinungen sicherlich auseinander. Wenigstens ein Aspekt, den das Spiel beibehält.
Was allerdings überhaupt nicht funktioniert und als größter Fehler dieser Version gilt, ist die niedrige Bildrate, die höchstens in Zwischensequenzen auf ihre 30 Bilder pro Sekunde kommt. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die bei kurzen Schwankungen der Bildrate sofort auf ihre Seifenkiste steigen und das Volk zur Revolte aufrufen. Aber hier zerstört es kontinuierlich den Fluss des Spiels, den ich von der normalen Version gewohnt bin. Nach ein paar Stunden war ich kurz davor, die restlichen Neuerungen einfach auf YouTube anzusehen, weil ich es nicht länger ertragen wollte. Zwar zerstört es einem Neuling nicht so sehr die Erfahrung, doch wer den Titel bereits auf der Xbox 360 spielte, lässt hier enttäuscht den Kopf in den Schoß sinken.
Deadly Premonition bleibt weiterhin das unangefochtene Meisterwerk faszinierender Unfälle, bei denen selbst jeder Fehler für die Erfahrung wichtig ist.
Gleichen denn die neuen Szenen diesen Patzer wieder aus? Neue Szenen? Ach ja, die paar unnötigen Zwischensequenzen, deren Inhalt rein gar nichts zur Handlung beiträgt, könnt ihr vergessen. Schaut sie euch lieber im Internet an. Der Kauf lohnt sich für diese Zusätze auf gar keinen Fall. Und erwartet bitte keine spielbaren Szenen. Diese folgen nämlich nur in der Form von DLC und sind nicht auf der Disk enthalten.
Deadly Premonition bleibt weiterhin das unangefochtene Meisterwerk faszinierender Unfälle, bei denen selbst jeder Fehler für die Erfahrung wichtig ist. Jeder sollte es zumindest einmal gespielt haben, selbst wenn ihr es danach zähneknirschend aus der Konsole nehmt, um es nie wieder einzulegen. Ihr wisst ohne den Versuch nicht, ob es euch gefällt. Falls ihr eine Xbox 360 zu Hause habt, bleibt bitte weiterhin bei der Original-Version. Gleiches gilt für etablierte Fans des Spiels. So sehr es euch auch schmerzt, lasst den Director's Cut im Regal und schaut euch die neuen Filmchen auf YouTube an.
Tja, und was machen nun Personen, die nur eine PlayStation 3 besitzen? Es bietet nicht die exakt gleiche Erfahrung, enthält aber trotz Probleme mit der Bildrate genügend Potenzial, um euch als neuen Fan zu gewinnen. Doch selbst abseits der Ruckler bleibt der Director's Cut eine schwache Erweiterung ohne fundamental neue Inhalte. Über die restlichen Änderungen lässt sich streiten, doch der magere Zusatz an neuen Sequenzen, von denen sich die spielbaren sogar in zusätzlichem DLC verstecken, hinterlässt den bitteren Nachgeschmack schlechten Kaffees. Isn't that right Zack?