Deadpool (PS4 und Xbox One) - Test
Keine Liebe extra.
Das ist hart. Jeder, der Deadpool in einer dieser nun nicht mehr sooo neuen PS4- oder Xbox-One-Packungen sieht, wird doch automatisch denken, dass es sich hier um HD-Remaster handelt, vielleicht sogar mit Extra-Inhalten. Nun, weit gefehlt. Es ist das zwei Jahre alte Spiel (siehe Test). In der etwas, minimal, marginal und ganz leicht hübscheren, aber damit noch längst nicht zeitgemäßen PC-Fassung. Es ist gelebte Abwärtskompatibilität, nur dass diese 50 Euro kostet.
Man muss einfach fragen, warum Deadpool nicht einfach auf die schon existierende Liste der One-kompatiblen 360-Titel gepackt wurde, und auf der PS4 mehren sich ja nun auch die Anzeichen, dass dieser technische Trick alles andere als unmöglich ist - siehe Star Wars (Okay, das ist jetzt PS2, aber was auch immer...). Das hier ist vorsichtig gesagt dünn.
Aber auf der anderen Seite: Es ist ein gutes Spiel. Naja, zumindest ein lustiges und ganz brauchbares, um nicht zu übertreiben. Wenn Uncharted Nolan Norths Meisterstück war, dann ist das hier das große Besäufnis bei der Feier danach. Man merkt in jeder Sekunde, wie viel Spaß der Mann mit dem respektlosen, gewaltsüchtigen und lüsternen Superhelden hat, dem perfekten Kontrapunkt zu den oft doch etwas verklemmten X-Men. Außerdem: In wie vielen Rollen darf der gesprochene Charakter den Sprecher anrufen und ihn einen Arsch nennen?
Vom niedersten Klohumor - wortwörtlich - bis zu eigentlich sogar recht cleveren Anspielungen zur nicht immer sonderlich intelligenten Funktionsweise von Videospielen pendelt das Skript lässig hin und her, und es ist in kompletter Abwesenheit einer relevanten Story das, was euch gut unterhalten durch das Spiel bringt. Besser wahrscheinlich, als es so eine Story gekonnt hätte. Außerdem, die Story ist wohl da, aber der eigenwillige Held hat das Skript mit Zeichnungen weiblicher Brüste verschönert, sich im Laufe der Erzählung, was überhaupt los ist, aus Langweile den Schädel weggeschossen und ist auch sonst maximal bemüht, alles bei den Dingen zu halten, die ihn interessieren: Gewalt und Sex.
Das eigentliche Spiel ist wohl auch eines, das wir in dieser Generation nicht mehr so häufig sehen werden. Es ist im Prinzip das Letzt-Generations-Äquivalent zu guten, alten Brawlern oder Beat-'em-ups, zu Spielen wie Streets of Rage oder Final Fight. Man geht von links nach rechts, Hüpfeinlagen spielen praktisch keine Rolle und immer wieder tauchen Wellen von Gegnern auf, die Deadpool mit Nahkampfattacken vermöbelt oder erschießt. Nah- und Fernkampf sind fast ebenbürtig, da ein kurzer Teleportsprung zu den Kräften des Helden gehört und er so auch Distanzen schnell überbrücken kann. Packt noch Bosse und Zwischenbosse dazu und ihr habt ein Spiel, das sich ungefähr auf dem Niveau eines 16-Bit-Titels der frühen 90er bewegt.
Hier und zu dieser Figur passt das natürlich und auch ich selbst würde es nicht anders haben wollen. Was ich aber gerne hätte, wäre der Spaß an der Schlagbewegung, der hier nur halbherzig rüberkommt. In Final Fight war jeder Schlag ein übertriebener Soundeffekt und eine ganz bestimmte Pause in der Animation, die in Kombination den Spieler fast schon physisch spüren ließen, dass das jetzt richtig saß. In Deadpool... Ja, es gibt keinen Zweifel, dass ich getroffen habe, aber es fühlt sich halt nur „meh" an. Gleiches gilt für die halbgare Shooter-Mechanik. Kein Punch, selbst hinter den dicksten Wummen. Die Minigun am Hubschrauber war dann das, was hier das normale MG sein sollte. Wenn reaktionär im Ablauf, dann bitte auch das ganze Programm. Gut also, dass da ein perfekter Cast an Sprechern sitzt, um mit einem unterhaltsamen Skript das mäßige Spiel zu retten. Was ihnen auch gelingt.
Deadpool ist als Spiel keine Niete, aber sicher auch keines, das man haben muss. Ich mag den primitiven Brawler-Ablauf und es wird in Zukunft wohl nicht mehr so viele davon geben. Aber es wurde einfach nicht gut genug umgesetzt, um mich allein dadurch am Spiel zu halten. Ich will ehrlich sein: Ohne das stellenweise auf seine eigene brillante Art dämliche Drehbuch hätte ich es nicht über Level 3 hinaus geschafft. So ging es durchaus immer wieder schmunzelnd bis zum Abspann, ich hatte meine lustigen Stunden, war nett und ganz sicher auch etwas, das man in dieser irren Form nicht jeden Tag kriegt. Wer schmutzigen, ausgefallenen und oft genug komplett durchgeknallten Humor mag, bitteschön. Euch wird als Connaisseuren dessen ein erlesenes Bouquet mit genau dieser Note gereicht.
Was den Release als solchen angeht: 50 Euro? Ehrlich? Und dafür nicht mal ein kleines bisschen Liebe extra? Nicht cool.