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Deep Black: Episode 1 - Test

Kann man gegen Spiele eine einstweilige Verfügung beantragen oder dürfen die einem wirklich so nachstellen?

Deep Black scheint mich zu verfolgen. Auf den PC hatte ich zu der Zeit zu viel Anderes auf der Pfanne, ignorierte ich es in seiner Belanglosigkeit trotz seines Geheisches nach Aufmerksamkeit und tat ihm damit noch einen Gefallen. Und gerade wenn man denkt, dass es vorbei ist, schleicht es sich auf dem Xbox-Marktplatz für 800 Punkte in halbierter Dosierung als "Episode 1" heran und bettelt erneut um ein wenig Liebe. Wie ein kleiner, dreckiger Straßenhund. Nur mit dem Unterschied, dass kleine, dreckige Straßenhunde niedlich und hilfsbedürftig sind. Dieses Ding hier ... Ich spucke auf Dein Grab, Deep Black!

Sorry, das war vielleicht ein wenig heftig. Zu so was lässt man sich halt hinreißen, wenn man sich belästigt fühlt. Es wird genug Leute geben, die sagen, Deep Black sei ok, durchschnittlich, vielleicht sogar irgendwie gut, wenn auch nicht so richtig. Von mir aus. Die Engine und die Grafik sind kompetent genug, auch wenn der Anzug des Helden aus Dead Space und die Mechanik aus Gears geklaut wurde. Beides zwar mehr schlecht als recht, aber spiel- und ansehbar. Ich kann zumindest sagen, dass die Figur in dieser Third-Person-Shooter-Nichtigkeit nie aus der Deckung hüpfte, wenn ich es nicht wollte. Nicht dass immer erkennbar gewesen wäre, wann trotz Deckung Schaden gezogen wird, aber wie gesagt: Technisch gesehen kauerte er brav hinter etwas.

Soviel zu den guten Dingen. Na gut, einer noch, weil es danach grob wird. Das "Gunplay" ist ok. Wenn man den Trigger durchdrückt, gibt es ein ordentliches Feedback. Mit ein paar der belanglosen Waffen wenigstens. Eigentlich nur mit zweien. MG und Shotgun. Eigentlich spielt es eh keine Rolle, da das Trefferfeedback beiderseitig komplett für die Tonne ist. Mal steckt der Held eine Ladung Blei wie nichts weg, dann wieder sackt er instant nach dem Öffnen einer Tür in sich zusammen. Beim zweiten Versuch hat er wiederum alle Zeit der Welt, in Deckung zu gehen. Deep Black scheint Schaden wie ein RPG auszuwürfeln. Ein innovativer Ansatz für das Genre, muss ich ihm lassen. Der funktioniert so gut, dass es für die besonders "präzise" Shotgun ein Achievement gibt, falls man das Kunststück fertigbringt, auch nur ein paar Gegner zu treffen. Nichts jedoch dürfte den Raketenwerfer toppen. Nicht nur, dass ihr damit nicht in Deckung gehen könnt - top in einem "manchmal-One-Hit-Kill"-Spiel -, ihr müsst auch noch präzise treffen, damit die Rakete nicht mitunter wirkungslos durch den Gegner rauscht. Ich denke, das soll so sein. Es ist nicht so bekannt, aber Millimeterpräzision war der Grundgedanke bei der Entwicklung einer Waffe, die größere Mengen Sprengstoff über mittlere Distanzen befördern soll. Wenigstens laut Deep Black.

In die andere Richtung das gleiche Spiel. So mancher grottenlangweilig entworfene Feind, der außer Kauern und blind wie blöd Vorstürmen nichts in der KI-Birne hat, hält mehr aus als ein T-1000, sein identischer Kumpan eine unzerstörbare Pappwand weiter, sackt nach einem Treffer in sich ein. Um dabei eine erbarmungswürdige Animation durchzumachen und zu schreien und röcheln wie ein Komparse, der am Set nach Intensität bezahlt wird. Überhaupt diese Animationen. Gut, dass ich grad die Sprünge in Risen 2 hinter mir habe, sonst würde ich mich seitenweise über die Rolle des Protagonisten auslassen.

Weil sogar Deep Black weiß, dass dürftige Stellungsgefechte, bestehend aus einer endlosen Aneinanderkettung sofort erkennbarer "Überraschungs"-Momente - uuuh, drei Deckungen in diesem Gang, ob da jetzt wohl ein Gegner kommt...? - nicht genügen und auch willkürliche Spielertode im Minutentakt die Stimmung nicht auf Frühlingsfrische halte, muss ein Gimmick her. Unterwasser! Ist dem Entwickler wahrscheinlich in der Badewanne eingefallen. Hätte er die Physik seiner Quietsche-Ente auch noch in die Idee miteinbezogen, hätte es vielleicht Bonuspunkte geben können.

Stattdessen spielt es keine Rolle, ob der einsame Kämpfer für den Weltfrieden - keine wirkliche Ahnung, worum es geht, die physisch schmerzhaften Zwischensequenzen lassen sich abbrechen, was ich nach dem ersten Drittel dankbar in Anspruch nahm - sich über oder unter Wasser befindet. Statt echte Unterwasserphysik mit Trägheit, Widerstand und Ähnlichem konsequent umzusetzen, spielt es sich, als hätte jemand den Debug-Modus angeschaltet und ihr fliegt nun durch einen Level. Die Wände sind immer noch da, hier sogar gelegentlich unsichtbar, um das Portfolio abzurunden und auch die Deckungsmechaniken bleiben erhalten. Raketen sind etwas langsamer, Roboter etwas blöder, Magnetminen etwas unfairer als die Dinge an der Oberfläche. Einen spielerischen Reiz hat nichts davon. Nur weil man einen Level mit einer virtuellen Flüssigkeit füllen kann, heißt das noch lange nicht, dass daraus ein Unterwasser-Spiel wird, das dieses Extra-Attribut verdient.

Ich könnte endlos weitermachen. Fünf Stunden fühlen sich wie 15 an, aber nicht auf eine gute Weise. Einen Mitspieler im belanglosen Multiplayer zu finden, gestaltet sich so schwierig, wie [belangloser, unmotivierter Vergleich hier]. Und selbst wenn das Wunder doch mal geschieht, friert der Screen ein, alles lagged wie nur was oder die wertvollen Mitspieler ploppen einfach so aus dem Spiel heraus oder auch mal wieder einfach so herein. Dass sich das ständige "Ready! Weapons free!"-Gebrülle nicht wirklich der eigenen Figur oder den Gegnern zuordnen lässt und befremdlich frei im Raum schwebt, ist zumindest wirklich lustig, sobald ihr einen der wenigen Zivilisten meuchelt. Und kommt mir in Zukunft nicht mehr mit "linear" oder "Schlauchlevel". Solange ihr nicht Deep Black gespielt habt, wisst ihr nicht mal, was das überhaupt heißen kann! Wie sehr das erzwungene Abtrotten einer geraden Linie durch triste Umgebungen an den Nerven zehrt! Syndicate ist im direkten Vergleich ein Open-World-Spiel.

Vergleiche mit großen Namen gefällig? Deep Black, Episode 1 spielt sich so gut wie Harry Potter 7, Teil 2. Es verfehlt das Thema zwar nicht so dermaßen komplett, dafür gönnt sich Deep Black aber so ziemlich jede andere spielerische Sünde. Sieht man von der grundsätzlich gegebenen Möglichkeit zu laufen, in Deckung zu gehen und zu schießen ab und der Tatsache, dass es über die gesamte Kampagnenzeit nicht ein Mal die Gnade bewies, abzustürzen und mir so eine Pause zu gönnen, ist das hier der Dreck unter dem grünen Finger kreativer Shooterdesigner. Billigstes Leveldesign, Trefferverhalten aus der Hölle, unvermittelte Tode, sinnloses Wassergimmick, grenz-defekter Online-Modus, demente Story - schlecht erzählt noch dazu -, letztlich Resteverwertung und Verschwendung eurer Zeit. Wenn ihr wirklich nur ein paar Euro für einen Shooter übrig habt, dann kauft was Altes vom Grabbeltisch. Fast egal was. Nun, vielleicht nicht gerade Harry Potter 7, Teil 2.

3 / 10

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Deep Black

PS3, Xbox 360, PC

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