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Demonicon - Vorschau

Zurückgekehrt aus der Entwicklungshölle und in guten Händen gelandet. Fehlt eigentlich nur noch das Happy End

In den Arealen außerhalb von Warunk ziehen Dämonen, Zombies, mutierte Tiere und Schlimmeres ihre Runden. Die dritte Dämonenschlacht mag geschlagen worden sein, aber unweit der Stadtmauern versklaven Nekromanten und Dämonen-Magier nach wie vor die, die nicht das Glück hatten, Zuflucht gefunden zu haben. Der einzige halbwegs sichere Hafen ist also Warunk, aber auch hier sollte man mit Bedacht auftreten. In der Stadt, nur zwei Jahre nach der Befreiung von der Nekromanten-Herrschaft, herrscht eine Stimmung von Leben und nicht unbedingt leben lassen. Unschuldige werden der Nekromantie denunziert, unter den Mächtigen will nie einer einen Nekromanten auch nur gekannt haben und keiner traut keinem weiter, als er das Schwein, das er vor lauter Armut nicht hat, werfen könnte. Wie gesagt, das ist der gute Ort. Demonicon will die Dark-Fantasy für DSA erobern und kennt auch sonst keine Berührungsängste mit frischen Themen. Inzest zum Beispiel. Öfter mal was Neues.

Der Held und seine Schwester sind wie viele andere nach der Flucht durch die Schattenlande in Warunk gestrandet und das Bürgerrecht ist schwer zu bekommen. Ihre Vermählung mit einem mächtigen Rondra-Priester steht. Sie hat darauf wenig Lust und gibt in einem günstigen Moment dem Bruderherz erst mal einen ordentlichen Kuss bis ganz tief in den Rachen. Ihr könnt entscheiden, wie ihr drauf reagiert, aber wohin das Ganze dann führen kann, das wird man erst später sehen. Ist es ein Verzweiflungsmanöver der Schwester? Ist es wahre verbotene Liebe? Wer weiß. Für Spiele ist es jedenfalls ein neues Thema, sofern ich da nicht was vergessen hab. Fast schon im Schatten dieses eigenwilligen Auftakts entdecken beide, dass durch eine zufällige Vermischung ihres Bluts - sie waren verwundet, er hat sie verarztet, sonst ist nichts passiert, was denkt ihr denn! - ihre magische Kräfte erwachen. Seine dienen dem Kampf, ihre dem Aufbrechen magischer Siegel und Schlösser. Wie praktisch, wird doch beides gebraucht, um den Kannibalen am Fuße der Goldenen Pyramide Rhazzazors zu stellen. Trotzdem, der Vater hatte beide immer gewarnt, nie das Blut zu mischen. Ist es also Segen oder Fluch? Einfluss auf die Geschichte wird es haben, abhängig von dem, was ihr daraus macht.

Wie sich hier herauslesen lässt, bewegt sich Demonicon sehr eng im Rahmen der Vorlagen des Pen-&-Paper-Universums und man hält intensive Rücksprache mit der Redaktion des Schwarzen Auges, um es getreu des Kanons zu platzieren. Einmal fertiggestellt, wird es sogar ein offizieller Teil dieses Kanons sein, was hoffentlich auf (Fantasy-)weltbewegende Ereignisse schließen lässt. Das lässt auch die beiden Enden sehr viel interessanter wirken. Werden sie sich wirklich dramatisch unterscheiden? Und welches wird dann das "Richtige" für zukünftige DSA-Publikationen sein? Schließlich kann die fiktionale Geschichtsschreibung nicht plötzlich zwei Wege gehen. Selbst die legendäre Gezeichneten-Kampagne hatte letztlich ein fest definiertes Ende, wie steht es also mit einem Epos, das zwei davon erzählen kann? So oder so, letztlich soll die Handlung so gestaltet sein, dass jeder DSA-Nerd sich über Namen und Orte freut, während normale Menschen auch so mit allen Aspekten der Story klarkommen werden, ohne Sekundärliteratur kaufen zu müssen.

Spätestens im Kampf zeigt sich die direkteste computerspielerische Verwandtschaft von Demonicon. Die Entwickler von Noumena leugnen keine Sekunde die Ähnlichkeiten zum Witcher. Von der Liebe zu rothaarigen Frauen über die Perspektive hinter dem Helden bis zu dem Kombo-Action-Kampf muss man nicht lange suchen. Und seien wir ehrlich, man kann sich weit schlechtere Vorbilder suchen. Geschlagen wird auf der einen Taste, die aktive Parade liegt, später einmal gelernt, auf einer anderen, das Steuerkreuz handhabt den schnellen Item-Zugriff, während die Schultertasten zwischen magischen Effekten und Spezialschlägen wechseln. Es spielt sich locker-flockig und für den Moment auch nicht allzu komplex. Befriedigend ja, da die Schläge schön wuchtvoll gelandet werden, aber sonst heißt es erst mal abwarten, wie sich in einem weiter fortgeschrittenen Build die Fertigkeiten ausspielen. Wuchtschlag, Hammerschlag und Konsorten werden dabei den Regelbüchern entnommen, könnten interessanter ausgeführt sein, aber wiederum, alles zu früh, um wirklich etwas zu sagen.

Das ultrakomplexe Regelwerk des DSA-4 wurde auf das Notwendige für ein Spiel dieser Art eingedampft, was ich wirklich nicht für eine schlechte Idee halte. In einem Action-RPG braucht man nicht so häufig den Talentwert für Gesellschaftstanz. Stattdessen gibt es Eigenschaften wie Mut, Stärke, Klugheit oder Charisma und hinter jeder davon zwei Fertigkeiten. Schlösserknacken, Überreden, Sagenkunde für neue Gesprächsoptionen, nichts wirklich Außergewöhnliches, aber insgesamt eine augenscheinlich sehr gute Mischung, um viele Arten von Quests abzudecken, ohne auszuufern. Alle Fertigkeiten lassen sich in sieben Stufen steigern und steht ihr vor einer Aufgabe, wird eure Stufe mit der Stufe der Aufgabe verglichen. Einfach genug, kein komplexes Würfeln.

Die schon angesprochene Magie werdet ihr so nicht in den DSA-Büchern finden, auch nicht in denen über Borbaradismus. Um ihn spielerisch für das System eleganter umsetzen zu können, erdachte man sich eine eigene Form dieser Blut-Dämonen-Magie-Ausrichtung. Nebensächlichkeiten wie das Inventar oder überhaupt eine Waffen-, Rüstungs- oder Ausrüstungsnutzung jenseits von ein paar Heiltränken fehlten noch. Wie so vieles. Aber es ist ja noch so viel Zeit.

Schade eigentlich. Das heißt ja auch, dass es noch so lange hin ist. Ich ging mit sehr gemischten Gefühlen zur Präsentation des eigentlich schon Totgesagten. Im ersten Anlauf des Titels hatte die längst pleite gegangene The Games Company, wie sich im Nachhinein herausstellte, über die Jahre wenig mehr als eine erlogene Feature-Liste produziert. Doch ein paar Stunden später ging ich durchaus freudig und erwartungsvoll beim neuen Entwickler Noumena wieder hinaus. Das hier ist - Noumena möge mir die drastische Simplifizierung verzeihen - The Witcher mit DSA. Das solide, durchdachte Konzept eines Third-Person-Action-RPGs mit hohen Ansprüchen an seine Handlung und den Einfluss, den der Spieler darauf nimmt. Das dunklere Setting der noch unverbrauchten Schattenlande passt dazu sicher weit besser als Ausflüge in andere Ecken Aventuriens. Zudem gibt es dem Spiel eine bessere Chance auf internationale Vermarktung, ein nicht zu unterschätzender Faktor, wenn man dem Studio bei dieser zweiten Chance für ein Spiel alles Gute wünschen möchte.

Derzeit sehe ich auch keinen Grund, das nicht zu tun. Ein Jahr ist noch lange hin, viel Strecke muss noch gemacht werden, es kann so viel passieren. Aber diesmal ist man nicht nur wirklich auf dem Weg, auch die Richtung scheint zu stimmen.

Das Schwarze Auge: Demonicon soll Anfang 2013 zeitgleich für PC, Xbox 360 und PS3 erscheinen.

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