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Deponia Doomsday - Test

Eine Farce aus Raum und Zeit.

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Technisch nicht ganz weit vorn, nicht immer ganz logisch, aber nach der zahmen ersten Hälfte geht es komplett in der Adventure-Overdrive.

Und dann war es wie der Marshmallow-Man: Schwupps einfach da. Eben erst angekündigt steht Deponia 4: Doomsday bereits nur eine Woche später in den Zeitschriftenregalen. Ja, auch das ist ungewöhnlich: Statt in einer Box kommt das Adventure für lediglich knapp 10 Euro auf der Cover-DVD der Computer Bild Spiele, und für 30 Euro auf Steam, später irgendwann auch auf klassischem Vertriebswege.

Dabei hat Entwickler Daedalic immer versichert, die Geschichte von Rufus auf seinem Schrottplaneten sei mit dem dritten Teil endgültig abgeschlossen und werde keine weitere Fortsetzung erhalten, die das unerwartete Ende auflöst. Jenes schmeckte vielen Fans so gar nicht. Manche Adventure-Liebhaber sehen in dem Finale der Deponia-Trilogie gar ihr persönliches „Mass Effect": nicht so, wie sie es sich gewünscht hätten.

Dabei ist Daedalic-Mastermind Jan Müller-Michaelis bekannt für seine unbequemen Enden. Bereits sein Erstlingswerk „Edna bricht aus" mündete in mehrere mögliche Schlusssequenzen, die allesamt die Erwartungen radikal unterwanderten. Hat er nun also ein Einsehen und schickt mit Teil vier eine Wiedergutmachung an die verständnislosen Fans?

Zweite Chance: Kann Rufus diesmal seine Beziehung mit Toni retten? Oder wenigstens das Ende der Welt verhindern?

Zumindest sieht es zunächst so aus. Deponia Doomsday setzt vor den Ereignissen des ersten Teils ein. Rufus ist noch mit seiner Freundin Toni zusammen und sucht nach einer Möglichkeit, Deponia zu verlassen und nach Elysium zu gelangen. Seine Begegnung mit Goal, der Kampf gegen den Organon und die bevorstehende Zerstörung des Planeten, von der wir im Intro erfahren (daher auch der Titel des Spiels), waren lediglich ein böser Traum. Oder war es viel eher eine Vision, deren Eintreten es zu verhindern gilt? Sind die Ereignisse der ganzen Trilogie gar nicht wirklich passiert, so wie in „Dallas", wo eine komplette Staffel mal eben zum Traum erklärt wurde, nur um den Tod eines Hauptcharakters ungeschehen zu machen?

Mitnichten. Denn wie es von einem Daedalic-Spiel zu erwarten war, ist alles anders, als es scheint, und am Ende so verworren, dass man kaum noch durchblickt. Rufus findet nämlich eine Zeitmaschine und damit die Möglichkeit, diesmal alles besser zu machen - seine Beziehung zu Toni zu retten zum Beispiel. Und wenn schon nicht besser machen, dann doch zumindest verpfuschen mit dem Wissen um das Ass im Ärmel, im Notfall alles wieder ungeschehen machen und korrigieren zu können. Und wenn das auch nicht klappt, hat Rufus stets einen Plan B bis Z parat, auf die er notfalls ausweichen kann: mit Goal auf Elysium glücklich werden zum Beispiel. Oder zumindest vorher Elysium vor der sicheren Zerstörung bewahren. Wenigstens ganz Deponia vor der sicheren Zerstörung bewahren? Oder doch nur die völlige Zerstörung des Raum-Zeit-Gefüges verhindern?

Flammendes Inferno: Wo immer Rufus auftaucht, geht entweder gleich etwas zu Bruch oder brennt lichterloh.

Denn Rufus wäre nicht Rufus, wenn er nicht mit jedem gutgemeinten Versuch das angerichtete Chaos verdrölffachen statt beseitigen würde und die drohende Apokalypse damit möglicherweise erst heraufbeschwört, die er eigentlich abzuwenden versucht. Mit jedem Versuch, den drohenden Doomsday abzuwenden, findet sich Rufus vor einem größeren Scherbenhaufen aus zerschredderten Zeitlinien voller zerstörter Planeten, abgestürzter Raumstationen und selbst verschuldeter Monsterapokalypsen wieder, die zu einem wilden Knäuel aus Paralleldimensionen und Zeitschleifen, die wiederum in weiteren Zeitschleifen hängen, verschlungen sind, dass man die darin irgendwie eingeschlossene Logik ohne Knoten im Hirn kaum mehr entwirren kann. Bill Murray schickt Grüße aus Punxsutawney.

Ein ähnliches Konzept lag erst kürzlich dem ebenfalls von Daedalic herausgegebenen Randal's Monday zugrunde. Gerade zu Beginn wirkt Deponia 4 sogar beinahe, als habe man sich beim Publisher dermaßen über die dortige mangelhafte Ausführung der grundsätzlich gewitzten Idee geärgert, dass schließlich der trotzige Wille keimte: „Kommt, Leute, das machen wir besser!"

Vor allem aber in seinem ersten Drittel erbt Deponia Doosmday noch von jenem unrühmlichen Vorbild ein für Daedalic-Verhältnisse bisweilen ungewöhnlich hirnrissiges Rätseldesign. Zwar sind die Puzzles nur selten unfair schwer oder komplett unlogisch, oftmals scheinen sie aber zu sehr vom hinteren Ende der Ereigniskette aus gedacht worden zu sein, sodass man erst im Nachhinein versteht, warum man die Dinge, die man macht, nun eigentlich gemacht hat.

Dass ich eine Kartoffel mit einer Maschine halbieren muss, um aus ihr mithilfe eines Kleiderbügels einen Ohrenschützer (!) zu basteln, damit der Grillmeister die Katzenmusik der Festkapelle nicht mehr ertragen muss - kann man machen... Aber eben nur, weil es geht, nicht weil man am Anfang schon einen Sinn hinter den einzelnen Aktionen erahnen könnte. Es wirkt bisweilen so, als seien die Daedalics auf der Suche nach dem letzten unerforschten Fleckchen Originalität im Genre um manche Ecke mehr gebogen, als man mit gesundem Menschenverstand noch zu denken imstande ist. Dass ihnen dieser eigene übertriebene Hang zum Hanebüchenen selbst sogar bewusst scheint, verdeutlicht eine selbstironisch derart auf die Spitze getriebene Unfugszene, in der man der Geliebten nicht nur sprichwörtlich die Sterne vom Himmel holt.

Alt gegen neu: Bei ihrer Reise durch die Zeitlinien trifft Goal auf sich selbst als alte Frau.

Deponia Doomsday ist weniger ausufernd in seiner Spielwelt als seine Vorgänger, sehr viel geradliniger erzählt, mit weniger Schauplätzen und Figuren pro Kapitel. Das macht es deutlich konventioneller, gegen Ende auch recht einfach, insgesamt einen Tick schwächer, dürfte jedoch all jenen wiederum besser gefallen, denen die Vorgänger zu offen strukturiert und zu konfus erzählt waren.

Vor allem aber ist Deponia Doomsday eine Zeitreisegeschichte, die sich vorgenommen zu haben scheint, alles, und zwar wirklich ALLES, aus diesem Thema herauszuholen, das seit Day of the Tentacle, Die Zeitmaschine, Und täglich grüßt das Murmeltier, Planet der Affen und Zurück in die Zukunft dazu gesagt wurde oder auch nicht. Nach der noch ziemlich konventionell gestrickten ersten Hälfte beschleunigt Deponia Doomsday plötzlich auf eine wahnsinnige Geschwindigkeit, bei der sich nicht nur Lord Helmchen dringendst anschnallen sollte, um keine Kopfschmerzen zu bekommen.

Irgendwann ist Rufus sich gar mehrfach selbst auf den Fersen, um das Chaos, das er beim Versuch, das Chaos zu beseitigen, angerichtet hat, zu beseitigen, es dabei aber erst heraufbeschwört und erneut beseitigen muss, während ein zeitreisender rosa Elefant das Chaos, das er beim Versuch, das Chaos zu beseitigen, beseitigt, aber erst heraufbeschworen hat, wieder zu beseitigen, dabei aber erst heraufbeschwört, während jemand anderes unwissend die Zeit ständig zurückdreht und damit das Chaos, das man beseitigt, stets ungeschehen macht, dadurch aber wiederum... Noch irgendjemand anwesend?

Wahnsinnige Geschwindigkeit! Goal, Rufus und McChronicle bei ihrer irrwitzigen Reise durch die Zeit.

Deponia Doomsday wirkt wie der beinahe schon protzige Entwurf einer ultimativen Zeitreise-Geschichte: Zeitschleifen, wie in „Und täglich grüßt das Murmeltier", die trotz aller Mühen einfach nicht in die perfekte Version der Realität münden wollen. Reisen in die Vergangenheit, wie in „Zurück in die Zukunft 2", um durch kleine Veränderungen den Verlauf der Geschichte ändern zu wollen, dabei aber mehr Chaos anrichten als zuvor und in immer kompliziertere Unterfangen gipfeln, die ursprüngliche Zeitlinie wiederherzustellen. Schicksalhafte Verstrickungen, wie in „Terminator 2", die die Ereignisse, die sie verhindern sollen, eigentlich erst heraufbeschwören.

Und wenn man glaubt, das ja alles schon einmal so oder ähnlich gesehen zu haben, legt das Spiel den Unwahrscheinlichkeits-Drive ein und explodiert in einer irrwitzigen Farce aus Raum und Zeit, in der man oben und unten, vorhin und irgendwann kaum noch unterscheiden kann. Bravo! Ob Daedalic damit auch das von vielen Fans ungeliebte Ende des dritten Teils korrigieren kann oder wie Rufus nur noch mehr Schaden anrichtet? Nun, meiner Meinung nach verlangte es ohnehin keine wirkliche Korrektur, wird nun aber möglicherweise den zuvor Enttäuschten mehr gerecht.

Enttäuscht hat mich an Deponia Doomsday allenfalls das bisweilen bockige Rätseldesign zu Beginn, die deutlich straffere Bauart und die weniger prächtige Grafik. Wer sich daran aber bei gerade mal aktuell 10 Euro Verkaufspreis stört, sollte besser ohnehin keine Adventures spielen.

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