Der A500 Mini ist exakt das, was er sein muss: "Mini" und ein A500
Ihr werdet nicht glauben, wie klein er ist. Selbst nicht, wenn ihr wisst, wie klein er ist.
Ich weiß nicht, wie oft die Hersteller von "Mini"-Konsolen das noch schaffen wollen, aber der Erfolg gibt ihnen recht: Mich sollte nicht überraschen, wie klein das Ding ist, das da aus der Schachtel fällt, ist es aber doch. Dabei steht das "MINI" mit Capslock geschrieben vorne drauf. Was habe ich denn erwartet?
In der Redaktionsrunde zeigte ich das Teil erst mal in die Webcam und war mir selbst da nicht sicher, ob per Video rüberkäme, wie winzig das Teil ist. Die Tasten der rein zur Zierde integrierten Tastatur dieser adretten kleinen Emulationsmaschine sind in etwa ein Drittel meines kleinen Fingernagels groß, der komplette Kasten ist in der Tiefe kürzer als mein iPhone 13 Pro und etwa Eineindrittel so lang. Kurzum: Das Teil ist kleiner als man denkt. Selbst wenn man denkt, dass es bestimmt sehr klein sein muss.
Ich denke, ich habe diesen Punkt jetzt genug bearbeitet (ihr werdet trotzdem noch überrascht sein, WIE KLEIN er ist, verdammt!), aber es ist tatsächlich einer der Punkte, der bei mir am meisten hängenbleiben wird. Der Amiga war ein zentraler Teil meiner Gaming-Sozialisation, ich kenne dieses Gerät in- und auswendig und ich muss sagen: Ich liebe diesen neuen Formfaktor und habe mich direkt darin verguckt. Klar, dass hinten drei USB-Kabel, ein HDMI-Stecker und ein USB-Stick rausgucken, schmälert ein wenig die Eleganz, die das minutiös nachgebildete und im Anfassen sehr wertige Gehäuse auf den Schreibtisch bringt. Aber es ging halt nicht anders.
Das gilt sicher auch für die Spieleauswahl, die mit 25 Titeln den gängigen Umfang hat, aber naturgemäß nicht alle eure Lieblingsspiele mitbringt. Und hier wird es … nun ja, schwierig. Rechtlich zumindest, denn schon auf der Packung steht "Der A500 Mini ist kompatibel mit hunderten von Amiga-Klassikern (die Spiele müssen auf legalem Wege erstanden werden)". In der Praxis ist das nach wie vor eine Grauzone, wenn man über ein USB-Medium per emulierter WHDLoad Festplatte alle erdenklichen Spiele nachrüsten kann. Aber gut, WHDLoad Support wegzulassen, wäre auch nicht im Sinne der Konservierung dieser Spiele.
Die Auswahl selbst… Chaos Engine, Pinball Dreams und Alien Breed sind Klassiker, die nicht fehlen dürfen. Speedball 2 ist heute für mich zumindest kein Spaß mehr, Simon the Sorcerer immer noch ganz nett. Für den Rest wurde der Begriff "janky" erfunden, denke ich. Immerhin: Die beigelegte optische Maus im stilechten Amiga-Design funktioniert besser als es das Original je tat, während der dem CD 32 nachempfundene Controller vielleicht nicht besonders gut, aber immerhin zweckmäßig ist. Gerade das Steuerkreuz hätte aber besser sein müssen.
Gut ist hingegen, dass man die zusätzlichen Buttons im Gegensatz zu den Amiga-Originalen auch hier und da nutzt und sie auch umbelegen kann, wenn man zum Beispiel kein Fan von der Oben=Springen-Hüpferschule ist. Die Konnektivität mit anderen Eingabegeräten lässt aber zu wünschen übrig. Die Tastaturen funktionierten alle, aber von den ungezählten Controllern, die hier griffbereit herumliegen, verrichtete nur der PS4-Controller seinen Dienst. Mein Razer Wolverine V2 (Xbox) wird ebensowenig unterstützt wie das Switch-Pro-Pad, der PS3-Controller, mein Nacon Revolution oder der 8Bitdo M30. Nicht einmal das Xbox-One-Pad wollte mit dem A500 Mini. Ansonsten hat Retrogames eigentlich an alles gedacht, was eine gute Emulations-/Nostalgiemolkerei ausmacht: Save-States sind da, das Menü ist aufgeräumt und sogar ganz hübsch und der WHDLoad-Support simpel eingebunden – auch, wenn für fortschrittlichere Optionen, wie die Wahl des Prozessors bei selbst nachinstallierten Spielen, ein wenig Dateifummelei vonnöten ist, über die sich die Anleitung ausschweigt.
Potenziell problematisch sind bestimmte Einsatzszenarien, in denen neben dem USB-Stick für WHDLoad auch eine Tastatur und zwei Controller beziehungsweise Joysticks anhängen sollen. Das geht schlicht nicht, weil es nur drei USB-Slots gibt. Auf der positiven Seite darf man auch recht komfortabel Keyboard-Tasten auf einen angeschlossenen Controller belegen, was es mir ermöglichte, das erste Mal im Leben eine faire Partie North & South gegen einen anderen Menschen zu spielen. Als wir noch Kinder waren, zogen wir Streichhölzer, wer mit der fürchterlichen Tastatursteuerung zocken musste. Jetzt losen wir eben, wer den DualShock 4 nutzen darf und wer das wabbelige Amiga-Original nehmen muss…
A500 Mini – Alex’ Fazit
Machen wir uns nichts vor: Den A500 Mini kauft man nicht in erster Linie wegen der Spiele, die drauf sind, sondern um seine Amiga-Bibliothek digital am Leben und unkompliziert zugänglich zu halten. In dieser Hinsicht ist Retrogames’ Hosentaschen-Amiga ein Erfolg. Von allen Mini-Konsolen ist er einer der flexibelsten, auch wenn die Spielauswahl ab Werk und die beigelegten Controller zum Beispiel dem König der Mini-Konsolen, dem SNES-Mini, nicht das Wasser reichen können.
Der Kasten selbst ist formschön und hochwertig. So hochwertig, dass man denken könnte, die Tastatur mit den fein bedruckten Keys sei voll funktionstüchtig. Er kitzelt definitiv den Nostalgienerv an der richtigen Stelle und ist ein schönes Sammlerstück – vor allem, wenn man vielleicht nicht den Platz für einen “ganzen” Amiga samt Monitor freihalten will und keine Lust mehr auf das Glücksspiel mit Disketten hat, die ihre besten Tage hinter sich haben. Ob das am Ende fast 130 Euro wert ist, muss jeder selbst entscheiden.