Der Deutsche Computerspielpreis 2014 - Kommentare
The Inner World sticht Crysis 3 aus - Meinungen der Eurogamer-Redaktion.
Der Deutsche Computerspielpreis 2014 wurde Donnerstagabend im Postpalast in München verliehen und nicht nur die ausgezeichneten Spiele sondern das gesamte Drumherum waren für einige Schlagzeilen gut. Für Kommentare sowieso. Die Gelegenheit lassen wir uns bei Eurogamer natürlich nicht entgehen. Weiter unten lest ihr unsere Gedanken zum Thema.
Vorab aber erst einmal die Fakten: In diesem Jahr überreichte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den Preis, nachdem das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Schirmherrschaft übernommen hatte. Die Preisgelder von insgesamt 385.000 Euro wurden je zur Hälfte von den Branchenverbänden (BIU, G.A.M.E.) und dem Ministerium zur Verfügung gestellt. Gewählt hat eine Jury aus "Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Vertretern der Medienwirkungsforschung und Medienpädagogik, des Jugendmedienschutzes, der Computerspielbranche, Gamer-Community sowie der Fachpresse" (Zitat der offiziellen Seite).
Die Kategorie "Bestes Serious Game" wurde durch einen Sonderpreis ersetzt. Zuvor hatte Kalypso Media die Nominierung ihres Spiels Rise of Venice abgelehnt, nachdem die Jury in diesem Jahr kein Serious Game als auszeichnungswürdig empfunden habe, dies aber erst am Tag der Preisverleihung verkünden wollte, so Kalypso-Chef Stefan Marcinek.
Zudem hatten sich kurz vor der Preisverleihung die Redakteure von Andre Peschke von Gamestar und Heiko Klinge von Gamepro aus der Jury verabschiedet, da sie sich an der Sonderkategorie "Jury Award" mit eingebautem Vetorecht störten. Wie bekannt wurde, kommt dieser optionale Jury Award zum Einsatz, wenn "ein Spiel mit der Alterskennzeichnung USK 18 von der maßgeblichen Zweidrittel-Mehrheit der Hauptjury zwar zum Sieger einer der sieben Kategorien des DCP bestimmt wird, mindestens drei Mitglieder der Hauptjury jedoch der Ansicht sind, dass das betreffende Spiel nicht im Sinne der Kriterien 'pädagogisch und kulturell wertvoll' ist."
Diese Regelung wurde nach der Preisvergabe an Crysis 2 im Jahr 2012 eingeführt (galt aber in diesem Jahr noch nicht). Pikantes Detail: Das Preisgeld des Jury Awards wird allein von der Branche, nicht jedoch von der Politik gestellt. Somit muss sich kein Volksvertreter nachsagen lassen, er habe ein politisch unliebsames Spiel gefördert.
Preisträger und nominierte Spiele 2014:
Bestes deutsches Spiel: "The Inner World"
(ebenfalls nominiert: Crysis 3, Giana Sisters: Twisted Dreams - Rise of the Owlverlord)
Bestes Kinderspiel: "Malduell"
(ebenfalls nominiert: Giana Sisters: Twisted Dreams - Rise of the Owlverlord, The Night of the Rabbit)
Bestes Jugendspiel: "Beatbuddy: Tale of the Guardians"
(ebenfalls nominiert: CLARC, Das Schwarze Auge - Memoria)
Bestes mobiles Spiel: "CLARC"
(ebenfalls nominiert: Jelly Splash, Symmetrain)
Sonderpreis: "The Day the Laughter Stopped"
(Ursprünglich in der Kategorie: Bestes Serious Game. Ebenfalls nominiert: Evolution: Indian Hunter)
Bestes Browsergame: "Anno Online"
(ebenfalls nominiert: Rail Nation, Steam Power 1830)
Bestes Nachwuchskonzept: "Scherbenwerk - Bruchteil einer Ewigkeit"
(ebenfalls nominiert: The Gaudy Woods, Lux³)
Meinungen der Redaktion:
Martin:
Ach, den gibt es noch? Ist ja drollig. Wer hat gewonnen, The Inner World vor Crysis 3? Aha, große Überraschung. Der Rest ist halt die übliche Auswahl der Nettigkeiten. Der Weg dahin wurde durch ein wieder neu gewürfeltes willkürliches Regelwerk eh vorgezeichnet: Wenn ein Spiel mit USK 18 in einer Kategorie zum Sieger gewählt werden sollte, dann kann die Hauptjury erklären, dass es nicht der Sieger einer der sieben staatlich geförderten Preise ist, sondern es wandert in eine achte Sonder(Schand?)-Kategorie, deren Preisgeld nur von den Verbänden ausbezahlt wird, aber nicht vom Staat. Für diese Entscheidung reicht es, dass drei Mitglieder von über einem Dutzend der Meinung sind, dass dieses Spiel keinen Bildungsauftrag hat - weil das netter klingt, als einfach zu sagen, dass die ganze Preisvergabe Willkür und Politikersorgen unterliegt - und kein Steuergeld bekommen soll.
"Unter solchen Maßgaben bleibt der Computerspielepreis eine kleine Farce und weitestgehend irrelevant."
Unter solchen Maßgaben bleibt der Computerspielepreis eine kleine Farce und weitestgehend irrelevant. Ich sage nicht, dass Crysis 3 unbedingt hätte gewinnen sollen, aber eine freie Wahl des Preises sieht eben anders aus. Schließlich weiß die Fachjury ja durchaus, was dem Spiel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit blühen wird und vielleicht hat sich der eine oder andere dann eben doch anders entscheiden. Kann sein, muss nicht, wenn es diese fragwürdigen Regulierungen nicht gäbe, müsste man sich nicht die Frage stellen. Es hat schon seinen Grund, dass die Fachpresse sich langsam von dieser seltsamen Beweihräucherung abwendet, Andre Peschke beispielsweise verabschiedete sich bereits vor ein paar Tagen aus der Jury mit eben dem Verweis auf diese Sonderregeln.
Mein kleines Highlight am Rande dürfte der Serious-Game-Award sein, für den man sich nominieren lassen konnte - was nicht umsonst ist -, den es aber nicht zu gewinnen gab. Weil... man wollte halt nicht. Oder wusste nicht, was man unter "serious" eigentlich verstehen will. Oder so. Nun bedachte man einen der beiden am Wegesrand zurückgelassenen Anwärter mit einem "Sonderpreis". Gut für ihn. Der dritte Kandidat, Rise of Venice, verabschiedete sich schon im Vorfeld mit der Ansage, dass man sich nur für einen Preis nominieren möchte, den man auch gewinnen kann. Durchaus verständlich.
Solange der Preis nicht ohne endlose semi-moralische, semi-wahltaktische Debatten vergeben werden kann, ist es eine traurige Show ohne wirkliche Relevanz außerhalb des Preisgeldes für ein paar Gewinner, die es hoffentlich gut nutzen werden. Glückwunsch an sie, der Rest... nun.. wirklich, diese Show machen die immer noch? Warum?
Frank:
Ich habe die Probe aufs Exempel gemacht und ein paar Freunden, die absolut nichts mit Computerspielen am Hut haben, Screenshots aus Crysis 3 und The Inner World gezeigt. Dann habe ich sie gefragt, welchem Spiel wohl Verkehrsminister Alexander Dobrindt den Deutschen Computerspielpreis in München überreichen würde (meinen Kommentar zu dieser Personalie hatten die Befragten ausdrücklich nicht gelesen).
Überraschung (oder auch nicht): Alle tippten auf das Adventure von Fizbin. Allerdings breit grinsend, denn natürlich ahnten die Befragten schon, was die Stichworte "Verkehrsminister" und "München" erwarten ließen. Da musste man weder die Kontroverse um Crysis 2 vor zwei Jahren mitbekommen haben, noch das diesjährige Gerangel um den "Jury Award". Gratulation, liebe Veranstalter: Vorurteile mit Pauken und Trompeten bestätigt. Pädagogisch wertvoll sticht USK 18 aus. Wer bislang den Computerspielpreis nicht für voll nahm, wird auch in diesem Jahr seine Meinung bestätigt sehen.
"Jetzt haftet dem Preis wieder dieses Gschmäckle der politischen Einflussnahme an."
Crysis 3 überhaupt als bestes deutsches Spiel zu nominieren, war in meinen Augen ungeschickt. Denn - auch wenn The Inner World beileibe kein schlechtes Adventure ist (siehe unser Test) -, jetzt haftet dem Preis wieder dieses Gschmäckle der politischen Einflussnahme an, das die Glaubwürdigkeit der Veranstaltung seit ihren Anfängen vor sechs Jahren torpediert. Ein pädagogisch einwandfreies Game muss gewinnen! Bloß kein "Killerspiel"! Dass ich 80 Prozent der nominierten Titel erst einmal in Google suchen musste, erhöht auch nicht gerade das Vertrauen in den Branchenstandort Deutschland.
Da hilft es auch nicht, dass Dobrindt der Spieleindustrie für die nächsten Jahre Unterstützung zugesagt hat. Als Minister für Verkehr und Infrastruktur ist er zuständig für den Breitbandausbau und die "Digitale Agenda". Leider braucht es mehr als ein schnelles Netz, um die Gamesbranche in Deutschland zu fördern.
Die Bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) will die Spieleschmieden nach München locken und bauchpinselte folglich deren Vertreter während der Veranstaltung im Postpalast, lobte Computerspiele als Königsklasse der Kulturgüter und als eine Leitbranche der Digitalisierung.
Werden also Aigner und Dobrindt jetzt bei ihren Kollegen im Bundestag die Werbetrommel für Computerspiele rühren? Werden sie ihren Parteigenossen mit kompetenten Sachargumenten entgegen treten, wenn mal wieder eine Verbotsdiskussion um "Killerspiele" im Raum steht? Ich würde es mir wünschen. Aber wirklich glauben kann ich es nach dieser Veranstaltung nicht.
Alex:
Was lernen wir in diesem Jahr vom Deutschen Computerspielpreis? Nun, neben allem, was meine beiden Vorredner schon schrieben, merkt man langsam, dass die Kategorien, in denen die Spiele aufs Treppchen gestellt werden, auch komplett anders heißen könnten. "Bestes Spiel", "Bestes Kinderspiel", "Bestes Jugendspiel", "Bestes Serious Game" und der willkürliche "Sonderpreis" klingen zwar halbwegs, als hätte man sie bei vollem Bewusstsein aus der Traufe gehoben.
Wer sich die Nominierten anschaut, kratzt sich allerdings am Kopf. Crysis 3 unterliegt The Inner World - geschenkt. Crytek gewann mit dem zweiten Teil bereits. Aber was hindert etwa das exzellente und als eines des besten Jugendspiele nominierte Memoria daran, in den Wettbewerb um das bundesweit beste Spiel zu treten? Gefällt Night of the Rabbit (nominiert als "bestes Kinderspiel") nicht auch größeren Kindern? Und umgekehrt: Warum ist The Inner World nicht als bestes Jugendspiel angetreten?
Ganz abgesehen davon, dass bei den Spielen für unsere Kleinen mit Malduell ein Titel triumphierte, den ich googeln musste und der im App-Store noch keinen messbaren Bewertungsspiegel vorweisen kann: Es entlarvt doch, dass die Kategorien in erster Linie dazu da sind, um noch ein paar mehr Preise - und Preisgelder - zu verteilen, mit denen sich die eigene Industrie auf Teufel-komm-raus auf die Schulter klopfen kann. Hier sollen einfach möglichst viele Produkte aus Deutschen Landen irgendwo Platz im Preisgeldpool finden, und was nicht passt, wird passend gemacht. So fördert man das deutsche Computerspiel höchstens monetär. Und das wäre schon OK, täten die Verantwortlichen nicht so, als würdigten sie es auf diese Weise angemessen als Kulturprodukt.