Der Herr der Ringe: Gollum – Werdet ihr Gollum oder Sméagol gewinnen lassen?
Der etwas andere kleine Hobbit.
Elijah Woods hat einen ordentlichen Job gemacht, Orlando Bloom Millionen von Herzen erobert und Ian McKellen wurde zum Lieblingsonkel einer ganzen Generation, aber der heimliche Star in Peter Jacksons Verfilmungen war der von Andy Serkis gespielte Gollum. Und so dürfte das einer der Gründe dafür sein, dass Daedalic selbst mit viel Verspätung noch ein Spiel um den ebenso fiesen wie liebenswerten "Schatzsucher" strickt. Wen interessiert es schon, dass man dafür nicht die Filme, sondern ausschließlich Tolkiens Bücher lizenziert hat?
Schließlich sieht man dem schizophrenen Antihelden trotzdem an, dass er vom Kino inspiriert scheint, und hört es auch, wenn er als Gollum böse faucht und als Sméagol eher furchtsam zu besänftigen sucht. Schließlich war er nicht immer dieses seltsam geformte Wesen, sondern vor einigen Hundert Jahren selbst ein Hobbit. Erst der Ring, den später Bilbo und Frodo tragen, hat ihn zu dem gemacht, der er zum Zeitpunkt der populären Geschichten ist. Was er dort und lange vorher erlebt, ist über weite Strecken allerdings kaum mehr als eine Randnotiz, und das wird im Wesentlichen auch so bleiben. Immerhin kann ein einziges Spiel nicht mal eben die 500 Jahre abreißen, die Gollum im Besitz des Rings war...
... es kann allerdings beleuchten, was dem armen Tropf geschah, nachdem er Bilbo traf und deshalb in Saurons Turm eingekerkert wurde – nur um einige Zeit später von Aragorn gefangengenommen und im Elbenreich festgehalten zu werden. Und so spielt Der Herr der Ringe: Gollum zur Hälfte in Mordor, während Düsterwald als Kulisse späterer Ereignisse dient.
Im Rahmen einer Präsentation hat Publisher Nacon nun zum ersten Mal Szenen an beiden Schauplätzen vorgestellt und zunächst einmal verdeutlicht, um welche Art Spiel es sich eigentlich handelt. Oder hättet ihr gewusst, dass die Buchumsetzung zu einem Teil Stealth-Action und zum anderen Teil eine Kletterei à la Tomb Raider ist?
Sicher: Besonders umfangreich wirkte das recht geradlinige Verstecken in Büschen, Zerstören von Lichtquellen und Umgehen von Orks nicht. Um sie zu erwürgen, benötigt Gollum allerdings ausreichend Ausdauer und macht außerdem eine Menge Lärm, weshalb er den richtigen Moment für einen solchen Vorstoß abpassen sollte. Mit geworfenen Steinen lenkt er Wachen zudem ab oder an eine bestimmte Position – um anschließend zum Beispiel die Riesenspinne Shelob dorthin zu locken, für die eine solche Gelegenheit ein gefundenes Fressen ist. Nur selbst kämpft Gollum nicht: Wird er entdeckt, heißt es 'Game Over'.
Und auch, wenn es ums ungestörte Erkunden geht, sollte Gollum auf seine Ausdauer achten, um nicht den Halt zu verlieren, wenn an Ranken emporklettert oder an Felsspalten entlang hangelt. Manche Wege öffnen sich dabei erst nach dem Lösen kleiner Rätsel der Art "Pass auf, wir verschließen diesen Eingang über einen Mechanismus, der in die Architektur mehrerer Räume eingelassen ist und anspruchsvolle Akrobatik in großer Höhe verlangt!"
Schwierig sollen die Puzzles aber nicht sein und steckt man trotzdem mal fest, kann man jederzeit eine spezielle Sicht einschalten, die interaktive Objekte markiert. Falls man mal partout nicht weiterweiß, findet man so mindestens wertvolle Hinweise und erkennt auch beim Schleichen, wo Gollum sich verstecken oder die Umgebung manipulieren kann. Oder man wählt einfach einen niedrigeren Schwierigkeitsgrad, während Experten auch Schwer stellen.
Im Vordergrund scheinen aber ohnehin weder das Heimlichtun noch das Kraxeln oder die Rätsel stehen, denn Daedalic betont mehrmals, dass es vor allem um die Geschichte geht. Und die wird dem kurzen Einblick nach zwar in ausgesprochen altbackenen Filmszenen erzählt, dafür soll es recht viele davon geben und was noch besser ist: Man trifft sogar Entscheidungen, die den Verlauf des Abenteuers beeinflussen. Und damit meine ich nicht, dass Gollum oft die Wahl des Wegs hat, um das Klettern dem Schleichen vorzuziehen oder genau andersrum.
Ich meine vielmehr, dass Gollum gelegentlich Diskussionen mit seinem Alter Ego Sméagol führt, denen man nicht nur zuhört, sondern in die man mitunter selbst eingreift. In kurzen Multiple-Choice-Dialogen hat man dann die Wahl, entweder der einen oder der anderen Stimme zu folgen. Nicht immer liegt der vorsichtige Sméagol dabei richtig. Vielmehr soll durch knifflige Entscheidungen unter anderem erkennbar werden, warum es für Gollums Überleben so wichtig ist, dass er manchmal Sméagol sein kann, oft aber auch Gollum sein muss.
Inszeniert Daedalic diesen undurchschaubaren Überlebenskünstler also nicht nur als schleimige Kreatur der Dunkelheit, sondern wirft ein Licht auf seine vielschichtige Persönlichkeit? Über ausreichend Erfahrung mit spannenden Geschichten verfügt die Adventure-Schmiede ja und deshalb bin ich durchaus guter Dinge, dass Der Herr der Ringe: Gollum ein interessantes Kapitel in der großen Fantasy-Erzählung aufschlägt. Und zu einem noch nicht bekanntgegebenen Zeitpunkt dieses Jahres sollten wir auch wissen, ob ihnen das gelingt.