Der Hype um Hi-Fi Rush ist echt! Es ist unmöglich, dieses Spiel nicht zu mögen
Jetzt schon die schönste Überraschung des Jahres?
Als Redakteur eines Magazins, das sich zu einem nicht unerheblichen Teil mit Vorberichterstattung über kommende Spiele befasst, sollte ich das vermutlich nicht schreiben. Aber wie cool ist es bitteschön, wenn einem aus dem Nichts ein Spiel wie Hi-Fi Rush in den Schoß fällt? Grundgütiger, Hi-Fi Rush belebt nicht nur Tango Gameworks wieder, die zuletzt Probleme hatten, in einem von Geistern übernommenen Tokyo ausreichend Spaß oder Spannung zu finden. Es weckt auch Erinnerungen an selige Dreamcast-Zeiten, als man sich sicher war, ein Spiel wie Jet Set Radio würde sich außer SEGA niemand trauen.
Es ist edgy, aber nicht obercool. Hip, aber sich vollends bewusst, wie kindisch es im Herzen ist. Vor allem aber steckt es vom Scheitel zu den Zehen voller ausnahmslos guter Energie.
Tatsächlich kommen einem noch ein paar mehr Spiele in den Sinn, wenn man Hi-Fi Rush so anschaut. Viewtiful Joe, Lollipop Chainsaw, Sunset Overdrive – hauptsächlich Titel, die an den Ladenkassen enttäuschten, weil sie einfach nicht weit genug in die Breite zielten. Hi-Fi Rush wischt derartige Bedenken möglicherweise dem Untergang geweihter Spieleinfälle gleich auf mehrere Arten beiseite. Zum einen ist es direkt Teil im Game Pass und mit 30 Euro noch dazu geschenkt günstig angesetzt. Für einen experimentellen Titel wie diesen hier ein cleverer Zug. Und dann ist da eben die Tatsache, dass es unmöglich ist, dieses Spiel nicht zu mögen.
Als jemand, der mit Games-Humor oft so seine Probleme hat, hatte ich nicht damit gerechnet, mich selbst mehrfach laut lachen zu hören. Gestaltung, Dialogbuch, Sprecher und vor allem die brillanten Charakteranimationen dieses im zeitlosen Cel-Shading-Look gehaltenen Actionspiels entwaffnen den Zyniker in mir komplett. So zwanglos und entspannt habe ich schon lange kein Spiel mehr genossen – was einmal mehr unter Umständen auch daran liegt, dass ich ohne Erwartungen oder vorgefasste Haltung in diesen Titel gehen konnte.
Und dabei bin ich eigentlich nicht einmal der typische Abnehmer für diese Sorte Spiel. Leichtfüßiger, nicht zu ernster Action-Titel mit Score-Komponente und einem Rhythm-Game-Gimmick obendrauf? Ich weiß sowas ab und an zu schätzen, aber ich hatte Sorge, dass es in Sachen Präzision ein wenig an meinen Talenten vorbeischießt. Weit gefehlt. Die komplette Welt und alle Figuren geben mir kluge visuelle Signale, wie ich meine Schläge timen sollte. Und wenn es nicht funktioniert, mache ich trotzdem nicht zu wenig Schaden. Was mir dann abhandenkommt, ist, neben dem Bonus-Schaden und guten Scores, die “fülligere” Musik, die man hört, wenn man eben gut spielt.
Macht man alles richtig, berauscht das beinahe: Anfeuerungen aus dem "Publikum", Gitarren-Licks, die aus Chais K(l)ampfe gniedeln schichten sich auf einen Soundtrack, der dann noch mächtiger zum Mitwippen anregt als ohnehin schon. Bevor dann zum Bosskampf lizenzierte Musik von Nine Inch Nails oder Prodigy erschallt, die bestens zum Höhepunkt eines Stage passt.
Und ich merke gerade, dass dieses Spiel eines von der Sorte ist, die man fühlen muss, denn darüber nur zu sprechen ist anstrengend und vermittelt nicht ansatzweise das Feeling, das man hat, wenn man spielt. Bei mir erzeugt Hi-Fi Rush ist das ein unterirdisches Grinsen, das mit jeder geglückten Kombo immer breiter wird, das ich aber trotzdem kräftig zu unterdrücken versuche. Aus Angst, ich komme aus dem Fluss und verhaspele mich, wenn ich mich zu sehr reinhänge. Und ist der Kampf dann vorbei, bricht es umso heftiger aus mir heraus. Das fühlt sich wahnsinnig befriedigend an. Schön, das Wochenende ist. Schade, dass die Kinder keine Dates haben.
Hi-Fi Rush ist auf Xbox Series und PC für günstige 30 Euro zu haben und alternativ im Game Pass enthalten. Einmal durchspielen soll, ersten Berichten zufolge, um die acht Stunden dauern. Es läuft mit nur wenig Einstellungsanpassungen traumhaft auf dem Steam Deck, wo es aber förmlich nach Kopfhörern schreit.