Der Multiplayer von Uncharted 4 gefällt mit seinem Drang zur Bewegung
Tempo, Tempo, Tempo - und ein bisschen übernatürlicher Quatsch.
Sind wir mittlerweile über den Punkt hinaus, uns darüber zu streiten, ob dermaßen auf Solo-Abenteurer abzielende Spiele wie Uncharted eine Mehrspieler-Dreingabe brauchen? Ganz unabhängig von der Tatsache, ob man vorhat, sich mit dem Multiplayer-Part zu befassen, ist diese Sorte Vernetzung eigentlicher Einsamer-Wolf-Spiele mittlerweile einfach eine Realität. Und es ist ja auch nicht so, dass die Entwickler nicht immer wieder interessante Facetten ergründeten.
Assassin's Creeds Kopfjagd im NPC-Gewusel etwa vereinte Mehrspielergedanken und inhärente Werte der Reihe zu einem perfekt für zwischendurch geeigneten Geplänkel. The Last of Us schrieb mit begrenzter Lebenszahl und verknappten Mitteln Survival groß und sorgte mit cleveren Level-Layouts für angespannte Katz-und-Maus-Spiele. Nur zwei Beispiel, nicht, weil mir kein drittes einfiele, sondern weil die so gut sind, dass sie als Plädoyer für Mehrspielerexperimente - wo sie denn Sinn haben - reichen sollten.
Hier geht es zum Uncharted 4: A Thief's End Test
Uncharteds Mehrspielermodus war schon immer ein seltsames Biest. Unbestritten die große Stärke: Die flinke Bewegung dieses Third-Person-Shooters über diverse Etagen, auf denen immer wieder harte Stellungskämpfe zwischen halbhoher Deckung entbrennen. Einziger Haken: Das reine Schießen war in diesen Spielen, so sehr ich sie immer wieder aufs Neue genieße, nie von Weltklasse-Kaliber. Gegner waren schon immer Kugelschwämme, die regelmäßig mehrere Kopfschüsse einsteckten, und überhaupt fühlte sich das Zielen immer ein bisschen zu lose an.
Übers Wochenende warf ich mich in die allen Käufern der Nathan Drake Collection mit PS-Plus-Abo zugängliche Beta und erlebte schon mal vorneweg das Team-Deathmatch auf zwei verschiedenen Maps: einer Dschungelumgebung und einer städtischen Karte namens Madagascar City. Fünf gegen fünf hieß jedes Mal die Devise und am Ende muss ich sagen, dass sich gerade die Waffenhandhabung und das Zielen noch mehr oder weniger genau so anfühlen wie in Uncharted 3 vor... oh mein Gott, ist das schon vier Jahre her!? Soll heißen, die ersten paar Stunden ist erst einmal wieder locker-loses mal links, mal rechts Vorbeischießen angesagt, während man sich nach dem kleinen Kreuz sehnt, das einen Abschuss bestätigt, weil die Gegner selbst einen Treffer nicht so überzeugend quittieren. So richtig toll wird sich das wohl niemals anfühlen.
Und doch hatte ich eine Menge Spaß, denn der Rest der Neuerungen, insbesondere die wunderbar fluffige Fortbewegung mit der neuen und vollkommen freien Vom-Seil-baumeln-Mechanik, umso besser. Mit Ausweichrolle von Deckung zu Deckung, Sichtschutz ausnutzen, um unentdeckt ein Flankierungsmanöver zu starten und die feindliche Stellung schließlich von der Seite aufzuweichen, damit die Freunde - die sich allesamt aus individualisierbaren Helden und Bösewichten der Reihe rekrutieren - vorrücken können. Dann per Enterhaken von einem Ast in Sicherheit geschwungen! Ein solches Manöver in einer fließenden Bewegung fühlt sich auch dann noch spitze an, wenn man mal wieder denkt, die Kalaschnikow-Replik verschieße Steiff-Tiere (und ja, ich übertreibe).
Besonders angetan hat es mir das neue Abschusssystem, das sich Naughty Dog direkt von The Last of Us geborgt hat. Immer geht man bei geleerter Gesundheitsleiste erst einmal zu Boden und kann dann noch in Sicherheit kriechen, wo man (hoffentlich) von einem wachsamen Mitspieler geheilt wird. Das sorgt für interessante Szenarien, in denen ihr genau abwägen müsst, ob ihr einem tödlich getroffenen Feind nachsetzt oder ihn als Köder liegen lasst. Zugzwang und taktisches Kalkül geben sich die Klinke in die Hand, denn manches Mal entstehen Situationen, in denen ihr es euch absolut nicht leisten könnt, einen angeschlagenen Feind am Leben zu lassen.
Durch diese Abhängigkeit von euren Kameraden wird der Mehrspielermodus von A Thief's End zu einem Spiel, bei dem man sich tunlichst als Einheit über die verwinkelten Karten bewegt. Jeder macht sein eigenes, zirkusreifes Ding, aber immer mit dem Auge für den anderen. Egal, wie chaotisch das Team-Deathmatch auch wird (und es wird sehr chaotisch!), Zusammenspiel und Rücksicht auf den Nebenmann werden in jedem Fall belohnt.
Zudem wirft das Spiel mit fortschreitendem Kampfverlauf immer mehr Mittel zur gegenseitigen Unterstützung ins Spiel. Wie in Counter-Strike könnt ihr mitten im Spiel verdientes Geld je nach Klasse - Assault, Scout, Support, Tactical, Close-Range, das Übliche eben - andere Gadgets und mystische MacGuffins eintauschen. Der Stab des Ayar Manco des Scharfschützen zum Beispiel markiert alle Feinde auf der Karte, kann aber auch recht einfach zerstört werden, sobald er einmal platziert wurde. Gegnerischen Mannschaften gibt das sozusagen "on-the-fly" ein neues Ziel, wollen sie sich nicht länger wundern, warum die Feinde ihnen immer einen Schuss voraus sind. Der El-Dorado-Sarkophag spuckt unterdessen unentwegt tödliche Geister aus, die sich selbsttätig feindliche Ziele suchen, um sich an deren Seelen zu laben. So schafft man kurzzeitig eine No-go-Area für die Opposition. Drei weitere Artefakte verleihen etwa Supergeschwindigkeit, stellen in einem Umkreis alle schwer getroffenen Spieler wieder auf die Beine oder verlangsamen Feinde im Zielgebiet.
Neben je einer zusätzlichen Waffe upgradet man zudem sein klassenspezifisches Gadget von Mine über Erste-Hilfe-Koffer und Granaten und darf sich sogar einen NPC-Sidekick leisten, der etwa als Scharfschütze ein Gebiet abdeckt oder euch folgt und wiederbelebt. Auch schwer gepanzerte "Brutes" mit Minigun oder heimlich angreifende "Hunter" beordert ihr aufs Schlachtfeld und kippt so ein bisschen die Balance in eure Richtung. Irgendwie ist immer was los und aus der Freude zur Dynamik - in der Bewegung, den fair verteilten Mitteln und dem Karten-Layout mit viel Deckung, Abkürzungen und kreativen Blickwinkeln - zieht dieser lässig-unverbindliche Mehrspielermodus seinen größten Reiz.
Die Frage, ob das überhaupt sein muss, stellt sich einem hier erst gar nicht, wenn man in bildschöner und superflüssiger Kulisse viertelstundenweise die Zeit totschlägt. Ein bisschen Beliebigkeit ist drin, klar. Vor allem, was mal wieder das schlingerige Zielen mit viel Leerlauf in der Stickmitte angeht. Nach ein paar Matches waren aber ein paar etwas zu lax eingestellte Mitspieler ausgesiebt und konkrete, wiederholbare Taktiken und mannschaftsdienliches Spielen stellten sich im zunehmend eingeschworenen Grüppchen ein. Sicher, das hier wird wenig zum Verkaufserfolg von Uncharted 4 beitragen, das kann die Kampagne schon ganz gut alleine. Aber gerade deswegen bekommt man fast das Gefühl, Naughty Dog hat diesen Modus gebastelt, weil sie einfach Lust darauf hatten. Und wer wäre ich, einem dermaßen talentierten Team zu sagen, was sie zu tun und zu lassen haben?