Destiny calling: Ein Besuch bei Bungie
Wo man Super bereit ist
Eine Live-Band spielt Rhythm and Blues, Stände mit Bio-Smoothies verteilen Kostproben. Ein Service der Stadtverwaltung von Bellevue im US-Bundesstaat Washington, die dreimal die Woche die Mittagspause der arbeitenden Bevölkerung mit kostenfreiem Entertainment versüßt. Was auffällt: Bei den zahlreichen Zuschauern, die mit Pizza und Starbucks-Kaffee in der Hand der Darbietung lauschen, findet sich sehr oft das Logo von „Destiny" auf Shirts, Hoodies und Jacken.
Es sind Mitarbeiter des Entwicklerstudios Bungie, die in einem, auf den ersten Blick unscheinbaren, Komplex gleich am Marktplatz ihr Quartier bezogen haben. Dazu wurden die vorher dort beheimatete Bowlingbahn und ein Theater komplett entkernt und mit Technik vollgestopft. Eine kilometerlange Netzwerkverkabelung verläuft unter den Decken und enorme Klimaanlagen wurden installiert. Für diese monströsen Gerätschaften wurde eigens einer der größten Kräne des Landes herangeschafft, um die Aggregate auf dem Dach des Gebäudes installieren zu können.
Seitdem die beiden Studenten Jason Jones und Alex Seropian 1991 Bungie gegründet haben, hat sich die Firma stetig vergrößert. Die ersten zehn Jahre entwickelten die Kreativen Spiele für Mac und PC wie „Operation: Desert Storm", „Marathon" oder das Fantasy-Abenteuer „Myth: The Fallen Lords". Mit „Oni" folgte der erste Titel für eine Konsole, und mit „Halo" begann der bislang ungebremste Aufstieg in die Top-Liga der Spieleentwickler. Mit dem Erfolg kamen die großen Budgets und eine Aufstockung des Personals von etwas über 40 im „Halo"-Jahr 2001 bis jetzt auf über 700.
Das scheint auch nötig, denn der selbst ausgerufene 10-Jahresplan für „Destiny" besagt, dass hier Inhalte und Erweiterungen für den erfolgreichen Shooter über eine Dekade geliefert werden sollen. Gerade hat das Jahr 2 begonnen und Bungie hat, nach deutlichem Unmut aus der Community, mit „Destiny: König der Besessenen" frische Inhalte geliefert. Über deren [Umfang und Qualität]( https://www.eurogamer.de/articles/2015-09-18-destiny-koenig-der-besessenen-mehr-hast-du-nicht-drauf-oryx) scheiden sich die Geister, ein finanzieller Erfolg wird die Erweiterung für Bungie und den Publisher Activision wohl aber auf jeden Fall.
Wie funktioniert die Spielfabrik mit einem Mitarbeiterstab in Bataillonsstärke? Ein Blick hinter die gut gesicherte Eingangstür mit elektronischer Zugangssperre offenbart erst einmal die gängigen Elemente amerikanischer Tech-Firmen. Ein Billardtisch, eine Kletterwand, kostenfreie Getränke zur Entspannung, riesige Vitrinen mit Auszeichnungen und gleich mehrere lebensgroße Master Chief-Figuren zeigen dem Besucher, dass hier eine kooperative und entspannte Unternehmenskultur gepflegt werden soll und man natürlich stolz auf den Erfolg ist. Auf der gleichen Ebene befindet sich ein eigenes Kino und Aufnahmezentrum, in dem Dev-Diaries und Twitch-Streams entstehen oder neue Trailer begutachtet werden. Gleich daneben ein Motion-Capture-Studio mit modernster Ausrüstung, in dem beispielsweise die Animationen der Hüter entstehen.
Etwas versteckt und gesichert mit einem Metalldetektor, der das Mitbringen von Aufnahmegeräten verhindern soll, befindet sich das „User Research Laboratorium". Hier befinden sich ein Dutzend Konsolen, an dem sich, demografisch sorgfältig ausgewählte, Testgruppen vorab mit neuen Ideen auseinandersetzen. Es sind die vermeintlichen Kleinigkeiten, die sich als besonders wertvoll für die Entwickler beweisen, um die Spielmechanik zu optimieren. Beispielsweise ist die Anzeige, dass der Super-Angriff bereit ist durch die Worte „Super bereit", einem User-Test zu verdanken. Hier wurde von den Probespielern moniert, dass man den gefüllten gelben Balken in der Hektik des Gefechts nicht wirklich wahrnehmen würde. Ob man nicht die Bereitschaft für den mächtigen Super-Angriff deutlicher machen könnte? Klar, konnte man das.
Die eigentliche Entwicklerarbeit wird auf der oberen Ebene des weitläufigen Komplexes vollzogen. Hier sitzen die Programmierer, Grafiker, Designer in einer weitläufigen offenen Fläche zusammen. Mindestens drei Monitore stehen an jedem Arbeitsplatz, das fehlende Tageslicht durch die meist abgedunkelten Fenster und die sanfte Kunstbeleuchtung lassen den Eindruck einer Spiele-Legebatterie aufkommen. Tatsächlich ist der, von oben wie ein kunstvolles Chaos wirkende, Arbeitsbereich hocheffektiv und unterstützt die notwendige Kreativität. Flexibel lassen sich die Schreibtische samt Technik in kurzer Zeit zu neuen Kombinationen zusammenstellen, damit sich kurzfristig Teams für bestimmte Aufgaben räumlich näherkommen. Alles ist im Fluss, alles was für die Zusammenarbeit dienlich sein kann, wird auch möglich gemacht. Das ist die Firmenphilosophie von Bungie und der Erfolg gibt den Amerikanern Recht.