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Deus Ex: Human Revolution Director's Cut - Test

Die Bosse wussten nicht einmal, was sie getroffen hat.

Zwei Jahre ist es her und meine Hoffnung, dass Deus Ex eine Wiederbelebung des Cyberpunk auslöst und verstärkt in den AAA-Mainstream zurückholt, hat sich nicht erfüllt. Wie schade das ist, ließ mich die Director's Cut Edition, die dieser Tage erschien, deutlich wissen. Noch einmal durch die dunklen Straßen New Detroits zu streunen und die Hybris der Mega-Konzerne in luftigen Höhen zu erschleichen, rieb mir unter die Nase, wie gut - und gut gealtert, selbst wenn noch nicht so viel Zeit verging - die Umsetzung einer ebenso futuristischen wie glaubwürdigen nahen Zukunft gelingen kann. Vielleicht in der nächsten Generation. Das hier, umgesetzt mit den neuen Möglichkeiten stärkerer Hardware, noch mal nach vorn getrieben durch ein Mehr an Details und Greifbarkeit all der Feinheiten, die Deus Ex: Human Revolution auszeichnen - es wäre ein Traum, der derzeit noch wie eine nahe Zukunftsmusik klingt, die fast erreichbar ist. Nur dass diese erstrebenswert ist. Wenn denn ein Entwickler den Mut hat, sich ihr zu stellen.

Die kleine Karte könnt ihr euch zusätzlich auch auf dem großen Screen anzeigen lassen.

Bis dahin ist der Director's Cut der beste Einstieg, solltet ihr dieses Meisterwerk etwa verpasst haben, oder sogar gut genug, um erneut einen Besuch zu wagen. Erst einmal sind die netten DLCs The Missing Link und Tongs Mission gleich mit dabei, was sicher nie verkehrt ist, aber nun wirklich nicht vom Hocker haut. Die nicht zu zahlreichen Probleme des ursprünglichen Spiels lagen eher bei der nicht sonderlich hellen KI und vor allem und viel mehr den drei berühmten Bosskämpfen, die so missraten waren, dass der Entwickler sich sogar zu einer Entschuldigung genötigt sah.

Das Problem war, dass Deus Ex: Human Revolution euch überlässt, wie ihr es spielt. Gingt ihr den Weg des aufgemotzten Straßen-Samurai, der alle seine Erfahrungspunkte und das ganze Geld in sein Waffenarsenal steckte, waren die Bosse kein Thema. Ordentlich geballert und gut war es. Als Hightech-Hacker-Ninja, der immer ungesehen ans Ziel kam, und höchstens mal eine Wache betäubte, sah das schon gleich ganz anders aus. Die Formel lautete nämlich immer noch: ordentlich geballert und gut ist. Dumm nur, wenn man dann nur wenige tödliche Waffen besaß und vor allem keine Kampffertigkeiten. Jetzt, im Director's Cut, passen die Kämpfe nahtlos in das Spiel. Jeder Boss gibt euch mehr als genug Möglichkeiten, um durch fast reines Stealth und Hacking zu gewinnen. Dass es gar nicht so einfach ist, auszuknobeln, wie das nun geht, gehört dazu und erzeugt den Eindruck, dass dies nicht einfach nur husch-husch implementiert wurde, sondern dass sich wirklich jemand ein paar Gedanken machte, wie diese Wiedergutmachung auszusehen hat. Sollte das euer Hauptproblem gewesen sein: Betrachtet es als gelöst!

Das Inventar lässt sich sehr gut handhaben, vor allem das Aufräumen ist natürlich nun deutlich einfacher.

Die generelle KI wurde durchaus merklich verbessert. Die Jungs bemerken euch schnell, rufen genauso schnell um Hilfe, bekommen sie in der Regel auch und arbeiten sich aggressiv vor. Manchmal sogar ein wenig zu aggressiv an den Stellen, wo sie in der Deckung besser aufgehoben wären. Trotzdem, gerade mit Stealth-Techniken wurde das Spiel noch einmal deutlich reizvoller. Ihr dürft euch wirklich nicht sehen lassen und diesen Truppen glaubt man sogar, dass jemand viel Geld bezahlte, um Leute wie euch fernzuhalten. Der Fairness halber laden die Batterien nun etwas schneller - habe ich zumindest den Eindruck, vor allem jedoch laden immer zwei der Batterien, die für die Spezial-Aktionen wie Takedowns erforderlich sind, gleichzeitig auf, sodass ihr mehr Möglichkeiten habt. Nur auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad scheint das nicht der Fall zu sein. Nicht, dass ihr euch beklagt, dass es zu einfach wäre.

Was angekündigt war, sich zumindest auf der Wii U aber in keiner Weise bewahrheitet, sind wie auch immer geartete Verbesserungen bei der Grafik und dem Look der Welt, die noch mehr Details bekommen sollte. Sofern sich da was getan hat, fällt es wirklich nicht auf. Es sieht immer noch sehr gut und vor allem stimmig aus, nur halt nicht groß anders, als zuvor auf PS3 oder Xbox 360. Im Gegenteil, wenn überhaupt, dann ruckelt es auf der Wii U etwas häufiger und an völlig willkürlichen Stellen. Es passiert nicht häufig, sogar sehr selten, aber eine Verbesserung ist es sicher nicht.

Hacken macht mit dem Pad wirklich mehr Freude, es fühlt sich einfach eleganter an.

Was das Übertragen gewisser Funktionen an den Touchscreen des GamePads angeht, bin ich erstaunlich zwiegespalten. Sehr gut funktioniert es beim Hacken, weil es wirklich immersionsförderlich ist. Mit ein wenig Fantasie kann man sich in der Rolle des Super-Hackers fühlen, der mit seinem kleinen Gadget vor einem Schloss hockt und es hollywoodgemäß überlistet. Die Menüs sind dort auch nicht fehl am Platz, auch wenn es mein Gefühl der Immersion stört, dass das Spiel nicht weiterläuft, wenn ich im Inventar kramse oder Memos lese. Sicher, es ist viel einfacher auf diese Weise. Aber Zombie U zeigte eindrucksvoll, wie gut und vor allem spannungsaufbauend es sein kann, eben nicht die Zeit anzuhalten. In der Ecke zu kauern, zu gucken, was man denn noch so hat, um an der Handvoll Wachen vorbeizukommen, und ständig zu fürchten, dass eine von ihnen um besagte Ecke schmult, war dort sehr intensiv und ich hätte es gerne auch in Deus Ex gesehen. So ist es eine Komfortfrage und es funktioniert. Tat es auf dem großen Screen auch. Whatever. Die Karte auf das Pad zu legen, war eine offensichtliche Maßnahme und dort tut sie auch brav ihren Dienst. Hier kommt wieder ein wenig das Lowtech-Gadget-Gefühl auf. Lowtech, weil wahrscheinlich jetzt schon die Google-Glasses eine App für eine Umgebungskarte bieten, sodass man nicht mehr auf das Handy gucken muss. Trotzdem, ist okay!

Was jedoch überhaupt nicht okay ist, in keiner Weise und für mich sogar Grund war meinen zuerst gewählten Spielstil komplett umzustellen, ist das Zielen mit Gewehren. Wiederum bietet sich ein Vergleich mit Zombie U an. Dieses schaltet die Zielsicht auf den kleinen Screen um, sobald ihr durch das Fernrohr schaut. Dann müsst ihr es hochhalten und durch die Bewegung des Pads zielen. Es simuliert auf ganz witzige Art, ein Gewehr zu halten, und bindet die Steuerung geschickt ein. Der Ansatz von Deus Ex funktioniert leider nicht annähernd so gut. Erst einmal schaltet das Spiel sowieso schon zwischen Ego- und Third-Person-Sicht um, je nachdem, ob ihr euch normal bewegt oder in Deckung seid. Manche Leute stört das schon, ich persönlich mag das System. Sobald ihr jedoch aus der Deckung mit einem Gewehr zielt, habt ihr noch einen dritten Wechsel, nämlich den auf den kleinen Screen. Dorthin zieht das Spiel die Sicht, nur dass ihr es immer noch mit dem Stick lenkt. Auf dem großen Screen habt ihr kein Fadenkreuz. Zumindest fast. Beim Loslassen des Zielens sieht man es für einen Sekundenbruchteil. Aber nein, es gibt keine Option, die Fernrohrsicht einfach auf dem großen Screen zu lassen, wo es derartig umgesetzt hingehört, ihr müsst den kleinen Screen nutzen. Es dauert länger, sich zu orientieren, das Deckungssystem macht das alles nicht einfach und die nun wachsamen Wachen nutzen diese Momente, in denen ihr euch noch orientiert, auch gerne, um euch zu entdecken. Man kann sich an alles gewöhnen, aber in diesem Falle habe ich wirklich keine Lust dazu. Es bringt dem Spielgefühl nichts, es fühlt sich umständlich an und es spielt sich auch so.

Wer so spielt, den werden die neuen Möglichkeiten in den Bosskämpfen nicht so sehr interessieren.

Auf Xbox 360, PS3 und PC hat sich an der Steuerung nichts geändert, wer also ein Problem mit dem Blickwinkelwechsel beim In-Deckung-gehen hatte, wird nach wie vor damit zurechtkommen müssen. Technisch hat man beide Konsolen-Versionen ganz minimal aufgehübscht und mit zwei oder drei Effekten mehr auf den Stand des damals schon verschönerten DLCs Missing Link gebracht. Das gilt auch für den PC, wobei es hier vielleicht noch ein paar kleine Aufhübschungen mehr sind, jedoch nichts, was wirklich ins Gewicht fallen würde. Die Änderungen der Bosskämpfe und der KI gelten hier auch, wobei ich den Eindruck hatte, dass die Gegner auf der Wii U am angriffslustigsten waren. Das kann aber durchaus auch Zufall gewesen sein. Alle Versionen bieten als Extra noch in das Spiel eingebundene und natürlich komplett optionale Kommentare der Entwickler, die euch ein wenig - aber nicht zu viel - Einsicht in die Entstehung von Human Revolution und die Gedanken hinter manchen Details verraten. Ist teilweise interessant, hätte gerne noch etwas mehr sein können. Alle Versionen bieten euch nun auch die Möglichkeit, im Spiel+ mit eurem schon hochgecyberten Character eine neue Runde zu starten. Es geht doch nichts über ein bisschen Überlegenheitsgefühl, denn viel stärker scheinen die Gegner dabei zumindest zu Beginn der ersten Runde nicht zu sein.

Jeder sollte mindestens einmal diese interessante, weil plausibel umgesetzte Vision einer möglichen Zukunft zu erlebt haben und wenig überraschend ist der Director's Cut dafür die derzeit beste Wahl. Fans jedoch kommen sicher auch in Versuchung und das zu Recht. Die Bosskämpfe waren auf spielerischer Seite der bleibende Makel und nun wurde er ausgemerzt. Deus Ex: Human Revolution wird damit nicht zu einem anderen, aber doch zu einem besseren Spiel, dem man die letzten zwei Jahre auch sonst in keiner Weise ansieht. Was mehr am Rest des Marktes liegt, wo die Quantensprünge ausblieben. Was die Wii-U-Änderungen angeht, ist es für mich Mischware. Manches, wie das Hacken auf dem kleinen Screen, befinde ich hiermit für gut. Anderes wiederum interessiert mich nicht, weil es funktioniert, jedoch den Mut zu wirklich modifiziertem Gameplay vermissen lässt und das sinnlos auf den Mini-Screen gezogen Zielen ... Nun, was wäre das Nerd-Leben ohne Dinge, über die man sich so richtig aufregen könnte. Wenn letztlich etwas an diesem Director's Cut enttäuscht, dann, dass er nicht annähernd so weit in das Bekannte eingreift, wie es ein anderer berühmter Director's Cut im gleichen Genre, jedoch im Filmbereich tat. Das Einhorn bekommt hier keine neue Bedeutung. Das macht Deus Ex: Human Revolution aber nicht zu einem schlechteren Spiel.

9 / 10

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