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Deus Ex: Human Revolution

Träumen Transhumanisten von kybernetischen Schafen?

Der größte Kritikpunkt sind die Gesichter der Charaktermodelle. Sie sind nicht schlecht. Aber das ist auch schon das Beste, was ich sagen kann, denn gerade im Angesicht der überbordenden Detailfreude der Welt, in der sie leben, fällt der Mangel an vernünftiger Mimik schon auf. Das ist aber nicht das Schlimme. Das betrifft nur die deutsche Version, oder diese zumindest weit mehr als die englische. Keiner redet hier Lippensynchron. Nicht mal annähernd. Der Mund ist schon zwei Sekunden geschlossen, die Stimme erklingt immer noch. Im Englischen kommt das auch vor, aber weit seltener und weniger dramatisch.

Leider gibt es auf der Disc nur Deutsch als Sprache, das gilt für 360, PS3 wie auch für den PC. Da die deutschen Sprecher selbst hervorragend besetzt sind und nur ganz, ganz wenige Ausfälle dabei sind - der dritte Endboss wäre der markanteste, aber da er nur drei Zeilen hat, kann man das verschmerzen -, kommt Human Revolution hier grade noch um eine Abwertung herum, aber ihr seid gewarnt.

Die Spielwelt, in der dieser Mangel echte Relevanz hat, sind am ehesten die Städte-Hubs, in denen ihr viel redet, während es in den Missionen selbst eher die Schlüsselszenen sind, die so auffallen. Von den vier besuchten Städten seht ihr zwei leider nur im Rahmen verhältnismäßig eng abgesteckter Missionen. In Montreal besucht man lediglich ein einzelnes Konzerngebäude. Der vierte Ort, das Finale, bleibt geheim, aber auch er ist keiner der lebendigen Orte. Lediglich Detroit und Shanghai bleiben als echte Hubs mit Schwarzmarkthändlern, Cyberkliniken und vielen, vielen Kleinigkeiten zum Erkunden.

Authentisch, schön gezeichnet, aber ein klein wenig unterbevölkert: Shanghai.

Man kann in diesen beiden Orten sehr viel Zeit verbringen und wer wirklich darauf aus ist, alles zu erkunden, jeden Winkel der Städte und Missionen zu erforschen und jedes Terminal zu hacken, um an jede E-Mail zu kommen, kann in Human Revolution 60-80 Stunden zubringen. Legt man es dagegen auf Tempo an, sind es immer noch 20 Stunden auf dem normalen Schwierigkeitsgrad. Und das war mit viel Ballern, was in der Regel etwas schneller abläuft als Schleichen. Das ist viel Spielzeit für das Geld. Und trotzdem. Ein dritter Hub hätte es ruhig sein dürfen. Und sei es nur, weil die anderen beiden so schick sind und Lust auf mehr machen.

Reden bietet sich gelegentlich als Option an, dient aber vor allem in Schlüsselszenen dazu, dass eine Figur sich so verhält, wie ihr das wünscht, damit es später neue Möglichkeiten eröffnet. Die Auswirkungen dieser Episoden sind spürbar und das Spiel lässt einen wissen, was man tat, aber ein komplett spielverändernder, alternativer Handlungsstrang war nicht dabei. Man könnte hier von nicht-linearer Linearität sprechen. Eine wichtige Entscheidung in manchen Missionen ist die Wahl zwischen tödlichem und nicht-tödlichem Vorgehen. Hauptsächlich, weil der Auftraggeber mitunter keine Leichen haben möchte.

Die Zahl der Nebenmissionen ist hoch genug, um die Hubs ausreichend kennenzulernen und den erzählerischen Hauptstrang noch etwas zu unterfüttern. Etwa ein halbes Dutzend pro Spielabschnitt werden geboten, von denen man einige direkt gereicht bekommt, über andere eher zufällig stolpert. In fast allen Fällen bekommt man eine Mischung aus Nachforschung und Actionabschluss geboten und bei jedem dieser Kleinaufträge lohnt sich der Ausflug. Sei es wegen der Belohnung, der Geschichte, die erzählt wird, oder einfach nur, weil man wieder ein bisschen mehr von dieser erstaunlichen Spielwelt zu sehen bekam.

Wie ihr in den Neben- oder Hauptmissionen vorgeht, bleibt euch überlassen. Ballern als Vorgehensweise funktioniert dabei immer. Bis es nicht mehr funktioniert. Es gibt mindestens eine Szene, in der ihr praktisch keine Chance habt, euch den Weg freizuschießen. Dafür stirbt der Held dann doch zu schnell. Selbst mit der Körperpanzerung, die bis zu etwa 50 Prozent Schaden schluckt. Auch die Ziel-Stabilisierung, die das Fadenkreuz in der Bewegung ruhig hält, oder die Rückstoßdämpfung bringen dann nicht so viel. Außerdem macht sich bei solch exzessivem Einsatz von Schusswaffen der Munitionsmangel in den ersten zwei Dritteln des Spiels positiv bemerkbar. Man zielt sehr bewusst und ärgert sich über fehlplatzierte Kugeln. Nachschub ist teuer und selten. Bis zum letzten Teil, wo das Spiel dann stellenweise großzügig wird.

Die meisten Schusswaffen sind bekannt. Der Revolver mit guter Durchschlagskraft, zwei verschiedene MGs, eine Panther-Sturmkanone - der Name kommt zwar woanders her, aber blieb fürs Leben hängen -, ein Sniper für die Header und die Shotgun, die auf kurze Distanz noch viel kürzeren Prozess macht. An futuristischem Material finden sich ein Lasergewehr und eine Plasmakanone, alles Werkzeug für Leute, die ein paar tote Wachen auf dem Weg zur neuen Weltordnung nicht kümmern. Erweitern lassen sich die Gerätschaften auch. Schalldämpfer, mehr Durchschlagskraft, mehr Schuss im Magazin. Die Erweiterungen kann man jedoch nicht mehr ausbauen. Man sollte also nicht achtlos hochgerüstete Waffen wegwerfen oder versehentlich verkaufen.