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Deus Ex: Human Revolution - Vinyl Soundtrack Rezension

Komponist: Michael McCann

Label: Sumthing Else Music Works über Laced Records

Stil: Sehr elektronischer moderner Soundtrack, der ganz oft Blade Runner geguckt hat

Erhältlich über: Amazon, Label, Discogs, Ebay

Das Spiel: Was Blade Runner für den Film ist, ist die Deus Es Reihe für Games: Proto-Cyberpunk.

Deus Ex: Human Revolution

Die Editionen: Das Gatefold-Cover der Doppel-LP ist vorn extrem goldig, da das große Dreieck goldig glänzt. Hinten gibt es jenseits der Trackliste nicht viel zu gucken, innen gibt es Liner-Notes vom Komponisten und dem Sound-Direktor des Spiels. Sehr nüchtern gehalten alles. Die beiden Platten sind in 33rpm gehalten und es gibt nur eine Version in transparentem, dunklem Gold mit schwarzen Einschlüssen.

Seite A: Dieser Sound ist ein Meisterwerk. Das ist nicht das Ende der Welt, aber man kann es von hier aus hören. Die fremdartige Sprache der Frau, die sofort Bilder von Blade Runner projiziert, aber die sehr viel aktivere, moderne Gangart in Richtung aktueller Zimmer-designed-Soundtracks gibt alles, um euch durch die Schluchten der Stadt durch den Regen entlang der Arcologies zu treiben und in diese Welt zu katapultieren. Dieses Theme ist nicht zu toppen. Leider. Wie der Rest des Soundtracks zeigen wird. Aber das ist nicht schlimm. Ihr seid bereits angekommen und nichts reißt euch wieder heraus, die schweren Synth-Elemente betonen den Gesang, bevor dann einen Gang zurückgeschaltet wird. Es ist das Öffnen eines riesigen Sichtschutzes, das fahles Sonnenlicht eindringen lässt. Do you like our owl, Mr. Deckard? Der Beat spielt dramatisch auf, der Synth mimt die ferne E, riesige Kodo-Trommeln auf einem Dach im Regen, der in Zeitlupe auftrifft und die ätherische Stimme, die auf den Tropfen tanzt. Crouching Tiger, Hidden Dragon Mitte dieses Jahrhunderts. Mit einem finalen Trommelschlag werdet ihr von dramatischer Höhe hinab in das reale Leben des Sprawls gestoßen. Alles friert in der Zeit ein, während ihr euch durch die Augen eines Fremden orientiert. Was ihr in den langsamen Synth-Wellen und der dunklen Stimme der weiblichen Protagonistin hört, ist erkaltetes Chaos, das aufzubrechen droht. Aber nicht jetzt, nicht heute. Oder doch? Der Donner ist zum Ende hin nicht zu überhören.

Seite B: Im Inneren der Megacorp ist das Leben gut. Bis es das nicht mehr ist. Beruhigend flüstert der Synth auf seiner Welle zu schlafenden Bässen ein seltsames Wiegelied. Ihr werdet von Blitz und Donner in Form der harten Drums aus der Dämmerung gerissen, unsere Hauptakteurin hat ihre Stimme wiedergefunden und treibt eine seltsame Melodie vor der rasant aufsteigenden Welle aus Schlägen her. Jede Welle bricht irgendwann. Und wie ein Gestrandeter findet ihr euch im vertrauten Unbekannten einer Wohnung wieder, die wohl die eigene sein muss. So viel Wärme kann die Mischung aus langsamen Sax und Oboe in einem vereinten Ton nicht abgeben, dass daraus ein Heim würde. Eine Welt entfernt gibt es Licht und Hoffnung, ein zarter, fast vergessener Hauch chinesischen Erbes dringt durch den Stahl, der den Himmel frisst. Licht und alles andere weichen unten in den Schluchten, die Folklore wird zu einer Drohung, einer unbekannten Gefahr, die der langsame Synth-Beat immer wieder betont, während er sich durch die atmosphärischen Elemente schiebt. Ihr seid der Tourist, der nicht gemerkt hat, dass jemand längst das Sicherheitsnetz unter ihm weggezogen hat. Bis es zu spät ist. Die Stimme eines Mannes senkt sich zu einem tiefen Kehlgesang, zieht sich langsam voran, die weiten Abstände zwischen den Einschlägen der Trommeln künden von Endgültigkeit, während eine sich geradezu schleppende Low-Fi-Melodie all das High-Tech um euch herum karikiert, bevor die Dämme brechen. Harte Stahlsaiten werden geschlagen, die Drums erhöhen das Tempo, der Gesang gewinnt dadurch exponenziell an Kraft, ohne sich ändern zu müssen. Es ist eine wilde Flucht über Dächer, die in Schwärze ausblendet.

Seite C: Wir starten direkt in einen Spionage-Thriller mit dem shape of things to come. Midtempo-Drumbeats, seltsame Samples legen sich über schwere E-Gitarren, verwirrende Breaks mit chinesischer Werbung im Hintergrund, ein klares Ziel in Sicht und die Bestimmung, den Weg zu gehen. Dies zieht sich auch durch den nächsten Track weiter, der nach dem gleichen Muster arbeitet, aber genug variiert, um der fernen, nahen Zukunft neue Thrills zu entlocken. Dann ist es Zeit zu feiern. Die all tomorrow's parties locken zu einem fast technoiden Beat, während extatisches Atmen von im Chrom fast vergessenen Reizen des Körpers berichtet. Anzügliches Lachen, das in der Ferne professionell abgespielt wird, während der Blick sich langsam über die Szene erhebt und sie in einem Kaleidoskop in Superzeitlupe mit ausblenden lässt. Dann wieder Blade Runner. Diesmal fast schon schamlos. Andere Gesangstimme, aber das ist Vangelis Light, der seinen Synth vom Tannhauser Gate schwärmen lässt, bevor das Tempo anzieht und ihr euch mitten in einer Midtempo-Verfolgungsjagd durch das Neon der Nacht befindet, die von leichten Break-Beats angefeuert wird. Die omnipräsente Stimme beginnt zu verzerren und ihre wahre Natur in kleinen Dosen preiszugeben, eine Maske, die für eine kritische Sekunde verrutschte. Ihr landet in der erleuchteten Kathedrale der Zukunft, dem Ort der Verheißung einer besseren Welt, deren sakraler Klang immer wieder aufschwellend von dem berichtet, was euer sein wird.

Seite D: Ein neuer Tag bricht mit fahlen Licht an, während ein langsames, schweres Grundrauschen von beiden Gesangsspuren überlagert wird. So etwas wie Hoffnung schwebt in der Luft, wenn der Synth zischen ihnen aufspielt, dann aber beginnt der Tag wirklich und die schnelleren, elektronischen Beats setzen ein. Mächtige Schläge spielen auf, der Sprawl hat euch wieder. Ein langer Weg durch die dunklen Straßen, der beschwerliche Gang zu einer finalen Konfrontation, der sich im Tempo des Klangs zu einem schnellen Laufen steigert. Dann der epische Showdown, der das Motiv des Hauptthemas aufgreift und an die Tragweite all dessen erinnert. Dann setzten die Drums ein, Chöre, der große Showdown ist hier und… fade to slow. Die Welt dreht sich weiter, wie sie das im Cyberpunk dann immer tut. War etwas geschehen? Hat sich etwas bewegt? Die Musik gibt uns darauf keinen Hinweis, sie geht ihren Midtempo-Weg weiter, erinnert mit einem fast zärtlichen Arrangement des Themas an was geschah, gibt aber keinen Hinweis auf die Entscheidungen und Konsequenzen. Als Bonustracks gibt es einmal das Hauptthema zu Deus Ex: The Fall - eine als Variation bekannter Themen eher belanglose Angelegenheit - und "Sarif vs. Unatco", einen ruhiger subtile Crossover-Remix der Themen von Human Revolution und dem ersten Deus Ex. Nett, als Bonus sicher willkommen.

Eine Platte wie: Ein akustischer Geschmackstest einer Zukunft, die immer noch aussteht.

Eine Art Fazit: Das Gold vorn ist ganz nett, aber insgesamt wirkt das Gatefold etwas zu sehr auf "Black is beautiful" bedacht. Bisschen langweilig. Die Musik, vor allem der Intro-Track, selbst gehört zum Besten der letzten Jahre, aber das Mastering könnte klanglich noch etwas besser sein. Vielleicht wäre es besser gewesen, auf 45rpm zu gehen und ein paar Tracks einzusparen.


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Dies ist die "Eurogamer-Referenz-Anlage": Plattenspieler - Thorens TD 203 (Test); Phono-Verstärker - Pro-Ject Phono Box DS2 USB; Stereo-Verstärker - Teufel Kombo 62 CD-Receiver; Boxen - Nubert nu Vero 30 (Test); Kopfhörer: Beyerdynamic Amiron (Test) + A20 (Test)


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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.