Deutscher Computerspielpreis 2010
Die Mitte der Gesellschaft
Donnerstagabend, kurz nach acht in der Herrensauna. Entweder ist die Klimaanlage im Saal noch nicht fertig oder schon wieder kaputt. Aber die viel zu hohe Temperatur ist nicht die Frage, die man sich stellt. Die Frage ist, bin ich hier überhaupt richtig? Denn nach Computerspiel sieht es hier nur bedingt aus.
Doch dann realisiert man, dass sich in den schwarzen Anzügen und hinter den vereinzelten Damen in Abendkleidern nicht nur Politiker verstecken, sondern wirklich Entwickler und Publisher, eben bekannte Gesichter. Nein, ich bin richtig, das ist der Deutsche Computerspielpreis 2010, ob man will oder eben auch nicht. Man ist gut gekleidet, im besten Alter und trägt Krawatte.
Dass die Spielebranche in Deutschland erwachsen geworden ist, wird schon lange behauptet. Und dass auch die Politik mit Fördermaßnahmen Entwicklern hilft, ist genauso landläufig bekannt. Jetzt also (nach der Premiere letztes Jahr in München) gibt es also auch einen offiziellen Computerspielpreis in der Hauptstadt Berlin. Ganz in echt und stark von der Politik unterstützt.
Dass Games nichts mehr mit Randgruppen, Live-Rollenspielern und Amokläufern zu tun haben, sieht man hier zwischen Sekt, Karl-Heinz-Köpcke-Frisuren und Eröffnungsreden viel besser als in den vereinzelten Berichten der Mainstream-Presse über Heavy Rain. Und die Eröffnungsreden haben es in sich. Der Preis ist insgesamt mit 500.000 Euro dotiert, und dieses Geld sollen nicht unbedingt die Titel mit den besten Verkaufszahlen bekommen, nein, es gehe auch um eine inhaltliche, kulturelle Dimension, die ausgezeichnet werden soll, sagt Petra Müller, Geschäftsführerin vom Medienboard Berlin-Brandenburg.
Bernd Neumann, Kulturstaatsminister, legt noch einen drauf und man macht sich ein bisschen Sorgen um seinen Blutdruck. Voller Leidenschaft geht es ihm um pädagogisch wertvolle, inhaltlich wichtige Spiele, die unterstützt werden sollen. Es geht um die Verantwortung der Macher und diese Verantwortung (wenn denn dann) soll hier heute Abend ausgezeichnet werden. Und es geht um den Wunsch, dass diese Veranstaltung mit ihren hochdotierten Auszeichnungen in der Öffentlichkeit ankommt.
Um die Frage zum Teil zu beantworten: So richtig funktioniert hat das nicht. Am Freitag, dem Tag danach, wird der Spielepreis auf Bild.de nur ganz unten erwähnt, noch nach dem Bericht über das kleinste Pferd der Welt. Auf Yahoo! steht gar nichts, außer dass David Hasselhoffs Ex-Frau ins Gefängnis muss. Diesen Medien sind dann doch eher andere News aus der Branche lieber.
Aber zurück zum Thema. Da sagt also Bernd Neumann, dass er gerne Spiele belohnen will, die pädagogisch wertvoll sind. Kurz vorgespult, passiert genau das an diesem Abend. Bestes Internationales Spiel 2010 wird Anno 1404, da kann man sich vor Überraschung beim Gähnen schon mal den Kiefer ausrenken. Das Problem ist nur, dass Anno 1404 nachnominiert wurde. Scheinbar waren Dragon Age: Origins, Uncharted 2: Among Thieves und Professor Layton und die Schatulle der Pandora nicht gut genug.
Oder eben nicht pädagogisch wertvoll genug. Das riecht natürlich nach einem politischen Manöver und schon wurde im Vorfeld heiß spekuliert, denn es war klar, dass der Nachnominierte dann wohl auch gewinnen wird. Aber man will und soll nicht vorschnell urteilen. Egal, was auch immer im Hintergrund passiert ist, mit solchen verwirrenden Stunts wird der Preis vermutlich nicht so richtig schnell in der "Szene" ankommen, von den Spielern mal ganz zu schweigen. Genau das ist der Spagat, den die Politik machen will und auch machen muss.
Es gilt, politische Interessen und die Realität der Spiele zu vereinen. Und dafür ist die Veranstaltung ein extrem wichtiger Schritt in Richtung Branche. Darum geht es an diesem Abend viel mehr als um irgendwelche Preise. Es ist ein Zeichen, dass die Zeit der simplen Verteufelungen und Hetzkampagnen vorbei ist. Davon hat sich die Politik durch den Deutschen Computerspielpreis weiter entfernt.