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Devil's Third - Ist es wirklich so schlimm?

Ein Abend gefüllt mit Staunen, Frust und ganz viel Gelächter.

“Devil's Turd“ ist der liebevolle Spitzname, den man überall hört beziehungsweise liest, sobald Tomonobu Itagakis neuestes Spiel Devil's Third erwähnt wird. Und obwohl Itagaki sein Projekt sehr aggressiv gegenüber der Presse verteidigt, tut der Mann mir doch irgendwo leid. Als er nach der Fertigstellung von Ninja Gaiden 2 zusammen mit einigen Entwicklerkollegen sein altes Studio Team Ninja und somit Publisher Tecmo verließ, gründete er sofort eine neue Firma: Valhalla Game Studios. Wenig später begannen die Arbeiten an Devil's Third, damals noch unter THQ.

Ein erster Gameplay-Trailer auf der E3 2011 zeigte Itagakis Vision in Aktion. Drei spielbare Charaktere kombinierten während ihrer Tötungsorgien den Schwertkampf aus Ninja Gaiden und die Prügelaction aus Dead or Alive mit gewaltigen Schusseinlagen. Danach wurde es schlagartig ruhig um das Spiel und spätestens seit dem Untergang von THQ glaubte jeder, Devil's Third wäre unbemerkt eingestellt worden. Bis plötzlich auf der letztjährigen E3 die unerwartete Ankündigung erfolgte: Devil's Third lebt, erscheint exklusiv für die Wii U und wird direkt von Nintendo veröffentlicht.

Leider sah das Spiel erschreckend schlecht aus. Schlechter als noch im alten Trailer aus dem Jahr 2011. Zudem waren alle drei Figuren verschwunden. Stattdessen gab es nur noch einen Protagonisten, weshalb Devil's Third als Name überhaupt keinen Sinn mehr ergab. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, welche Probleme das Studio in den insgesamt sieben Jahren Entwicklungszeit durchstehen musste, um das Spiel endlich auf den Markt zu bringen.

Der Schwertkampf ist eindeutig die beste Mechanik im Spiel.

Genau deswegen kann ich gut verstehen, wenn Itagaki sein Spiel verteidigt, für das er so hart kämpfen musste. Es ist keine Entschuldigung für seine überhebliche Art und die optischen Mängel des Titels sind nicht von der Hand zu weisen. Doch die Härte und teilweise spürbare Abscheu Devil's Third gegenüber finde ich ebenso übertrieben.

Denn, und so viel kann ich nach einem Durchgang verraten, Devil's Third ist kein schlechtes Spiel. Sicher nicht brillant, aber ich habe den Großteil meiner bisherigen Zeit genossen und sei es in Teilen nur wegen des Trashfaktors. Schon das Intro kontrastiert die realen Auswirkungen des Kessler-Syndroms mit dem übertriebenen Schlagzeugsolo von Protagonist Ivan, der dadurch seine brutale Vergangenheit irgendwie vergessen möchte. Übrigens sitzt der wenig gesprächige Alkoholiker in einer Art Guantanamo-Luxuszelle und erhält während eines Gefängnisaufstands den Auftrag zur Weltrettung direkt vom amerikanischen Präsidenten. In dem Moment wird klar, dass man am besten sein Gehirn im Prolog abgibt, wie Ivan ein paar erfrischende Getränke konsumiert und den Blödsinn genießt.

Im Gegensatz zu Ninja Gaiden ist das schmerzfrei möglich, solltet ihr auf dem untersten Schwierigkeitsgrad spielen. Bis auf ein paar Bosskämpfe gelangt ihr ohne Blockade locker ans Ende und dank großzügig verteilter Speicherpunkte müsst ihr nicht um euren Fortschritt bangen. Ich habe mich im ersten Anlauf dem normalen Modus gestellt, um die Mechaniken des Spiels besser testen zu können. Wie von Itagaki erwartet, funktionieren zwei Drittel der Elemente hervorragend. Sowohl mit bloßen Fäusten als auch Nahkampfwaffen spielt es sich angenehm und überraschend anders.

Wegen meiner Erfahrung mit Ninja Gaiden hatte ich ein vergleichbar schnelles System erwartet. Doch Devil's Third verlangt ein wesentlich langsameres Vorgehen. Zwar kann Ivan seine Feinde problemlos in wenigen Schlägen vernichten, reines Button-Mashing führt allerdings schnell zum Tod. Trifft euch ein Gegner, kann er sofort seine gesamte Kombo an Ivans nacktem Oberkörper auslassen. Sowohl Gegenangriffe als auch Ausweichrolle funktionieren in diesem Fall selten. Allein ein gut getimter Block rettet vor weiterem Schaden.

Passend dazu beherrscht Ivan keine breite Auswahl an Komboattacken. Die Variation im Kampf entsteht vielmehr durch die clevere Aneinanderreihung verschiedener Mechaniken. So könnt ihr eure aktuelle Nahkampfwaffe über mehrere Meter auf einen Feind werfen, anschließend zu seinem Kollegen rutschen und diesen mit einem Sprungangriff überraschen.

Zwar regeneriert sich eure Lebensenergie, dennoch können euch Bosse in wenigen Sekunden töten.

Das Problem an der ganzen Sache ist nur, dass ihr es kaum tun werdet. So cool diese Situationen aussehen, müsst ihr euch zu lange einarbeiten, bevor derartige Manöver dauerhaft funktionieren. Eher zückt ihr in jedem einzelnen Kampf lieber eine von zwei gleichzeitig tragbaren Bleispritzen und pumpt den Gegner voll. Wieso sollte ich meine Lebensenergie riskieren, wenn ich einfach auf alles schießen kann? Jede Auseinandersetzung mit Nahkampftruppen verläuft so wie im ersten Indiana-Jones-Film. Ich kann mich an ausgeklügelten Stunts versuchen und das Spielgeschehen interessant aussehen lassen. Oder ich laufe in Deckung und töte alles nach zwei Treffern. Sobald eine dominante Strategie exisistiert, werden die Leute stets darauf zurückgreifen, selbst wenn es nicht für die optimalste Erfahrung sorgt. Und da kein Punktesystem wie bei Devil May Cry oder Bayonetta exisitiert, bietet mir das Spiel keinerlei Anreiz zum komplexen Verhalten.

Selbst in den ersten beiden Bosskämpfen gewinnt man mit Schusswaffen das Gefecht in wenigen Sekunden, ohne auch nur eine Schweißperle zu verlieren. Erst im späteren Verlauf zwingen euch Endgegner zum Schwerteinsatz. Falls ihr bis dahin kaum damit gekämpft habt, sitzt ihr plötzlich vor einer spielerischen Wand, zumindest auf dem normalen Schwierigkeitsgrad. Die Auseinandersetzungen sind fair, aber euch fehlt schlicht die Erfahrung, da keine Situation zuvor eine Spielweise ohne Schusswaffen erforderte.

Positiv anmerken muss ich dagegen die abwechslungsreichen Level. Kein Gebiet gleicht dem nächsten und die überdrehte Natur der Kampagne verhilft zu einigen fantastischen Dialogen, die genau den richtigen Trashfaktor erreichen und mich an Commando oder Rambo 3 erinnerten. Stellt euch Ivan einfach als Mixtur aus Stallone und Schwarzenegger mit russischem Akzent vor. In Verbindung mit den total durchgeknallten Bösewichtern und der ernst erzählten Handlung ist für dauerhaftes Lachen gesorgt.

Finisher sind kontextsensitiv und schön blutig.

Worüber ich hingegen mehr lachen musste, ist die Schusssteuerung. Man merkt, dass sowohl Itagaki als auch sein Team nie an einem Shooter gearbeitet haben. Eine so hakelige Ausrichtung des Fadenkreuzes habe ich seit der ersten PlayStation nicht mehr erlebt. Deaktiviert auf keinen Fall das Auto-Aiming. Ihr werdet es brauchen. Zum Ende der Kampagne konnte ich ein wenig besser damit umgehen, verglichen mit einem Vanquish ist Devil's Third in diesem Bereich allerdings amateurhaft. Zum Glück besitze ich einen Pro-Controller, mit dem sich das Chaos ein wenig leichter bedienen lässt. Ich hoffe sehr, dass bis zum offiziellen Release Ende August daran noch gearbeitet wird.

Denn abgesehen davon störte mich bisher allein die schwache Balancierung der drei Spielstile. An der Optik habe ich ehrlich gesagt nicht so viel auszusetzen. Es wirkt wie ein durchschnittliches Xbox-360-Spiel von 2010 und läuft auf ungefähr gleicher Hardware. Bis auf ein paar fragwürdige Texturen ist das weit von hässlich entfernt. Als unglaublich hübsch würde ich es auch nicht bezeichnen, aber wie die restliche Kampagne bewegt es sich im angenehmen Mittelmaß. Für den Schöpfer des Xbox-Ninja-Gaiden ist das natürlich eine Enttäuschung, aber es gibt weitaus Schlimmeres.

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Gespannt bin ich derzeit auf den Multiplayer-Modus, der anscheinend im Fokus der Entwicklung stand. Bis dahin kann ich euch jedenfalls versichern, dass Devil's Third keine Komplettkatastrophe ist und der Singleplayer-Teil für Trash-Freunde ganz interessant sein könnte. Vor meinem finalen Urteil werde ich auf jeden Fall noch einen Durchgang mit der fertigen Version wagen und wer weiß, ob sich bis dahin noch etwas an der Steuerung ändert.

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