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Devolver Bootleg ist ein Scherz auf meine Kosten. Warum kann ich trotzdem nicht aufhören, darüber zu lachen?

Der schlechteste und beste Deal zugleich.

Die Hälfte der Zeit konnte man sich bei Devolver auf der E3 nicht sicher sein, ob man wirklich gerade einer Ankündigung beiwohnte oder ob man nur gerade einen schrägen Scherz hörte. Die Ankündigung eines Arcade-Automaten im Enter-The-Gungeon-Universum war einer dieser Momente (das Ding kommt, Q1 2020, kostet 4.999 Dollar). Devolver Bootleg der andere.

Und während ich im Fall des Automaten immer noch darauf warte, dass der Link zum Vorbestellen dieser Tage gegen eine flapsige Grußkarte ausgetauscht wird oder ein perfides ARG dort seinen Anfang nimmt, war Devolver Bootleg unmittelbar nach seiner Ankündigung auf Steam zu kaufen, von 3,99 Euro auf irrsinnige 3,95 herunterrabattiert, als wären acht Spiele in einem nicht schon Schnäppchen genug. Und dann startet man das Ding und weiß: Jap! War als Scherz gemeint. Aber das hinderte sie nicht daran, trotzdem ein Spiel daraus zu machen.

Das Hauptmenü. Man weiß gar nicht, wo man als erstes draufklicken soll!

Es ist ein bisschen wie in einem Chicken Game: Zwei Autos stehen sich mitten in der Nacht in gut 200 Metern Abstand auf verlassener Straße gegenüber. Devolver in dem einen, wir in dem anderen. Hände, die angespannt Lenkräder kneten, abwechselnd lassen wir die Motoren heulen. Wir so: "Das traut ihr euch sowieso nicht!". Devolver schnippt die Kippe aus dem Fahrerfenster und gibt Vollgas! Doch, sie trauen sich, und sie verreißen auch das Steuer auf den letzten Metern nicht. Und jetzt hab' ich acht Games in einem in originaler Bootleg-Qualität auf der Platte, für die sie auch noch die Hand aufhalten.

Und was soll ich sagen: Es gibt Witze, die werden überproportional schlechter, je länger sie dauern. Eigentlich gehört Devolver Bootleg dazu, aber es zelebriert dieses Verpassen des optimalen Moments, um einen Joke zu landen, in meinem Fall schon seit gut zwei Stunden und ich muss immer noch schmunzeln. Ich habe keine Ahnung, vielleicht stimmt auch was mit mir nicht, vielleicht hänge ich auch einfach noch meiner enttäuschten Liebe zum weiter durch Abwesenheit glänzenden UFO50 nach. Dessen Compilation-Charakter fängt Devolver Bootleg ebenfalls ein Stück weit ein.

Milwaukee, wo auch die Hunde zur Pistole greifen.

Ja, leckt mich doch - eigentlich sollte ich Devolver den Vogel zeigen, anstatt mich hier zu amüsieren, wenn ich in Hotline Milwaukee das erste Mal merke, dass ich Gegner häufig auch durch die Wand mit dem Katana erwischen kann oder bei Gun Dungeon die Türen breiter sind, als sie grafisch dargestellt werden, weil die Demakes dieser Indie-Hits sich zu schade waren, eine funktionierende Kollisionsabfrage zu coden. DAS ist der Scherz: Jedes dieser Spiele vermittelt bestens, wie sich Billig-Clones beliebter Marken anfühlen und/oder rücken ein wenig das Bild zurecht, das manche im Kopf haben, wenn sie heute von "8-Bit-Grafik" sprechen.

DAS HIER ist 8-Bit, vom Pixelmaß bis hin zu den platten, drögen Farben, die die Frage aufwerfen, ob Schwarz-Weiß nicht doch etwas für sich hat. Man gewinnt quasi in jedem Bildschirm eine neue Wertschätzung für die künstlerisch wertvoll handgepixelten Indiespiele, die Devolver sonst so im Programm hat, denn die sind Van Gogh hiergegen.

Vielleicht ist das auch der Plan? Ich hab keinen Schimmer. Jedenfalls zieht sich das sich bis zur Steuerung durch. Gut, in Sachen Bewegung, Zielen und so ist das mehr als ordentlich und auch zeitgemäß. So grausam waren sie dann doch nicht bei doinksoft. Aber der zweite Stick am Controller wird nicht unterstützt und gesprungen wird in der Regel Ghouls'n-Ghosts-mäßig immer eine feste Distanz. Kein Erbarmen hier.

Ape Out Jr macht eine Weile Laune, wenn ihr mit dem Sprungverhalten klar kommt. Und wenn nicht, gibt es genügend Wachleute, die ihr vor Wut an die Wand klatschen könnt.

Und so spielt man sich ein wenig durch, fragt sich, wie es Videospiele so weit bringen konnten und warum sie nicht schon früher von einer anderen Entertainmentform verdrängt wurden, Sporthäkeln zum Beispiel, und bleibt am erwähnten Hotline Milwaukee länger hängen als man sollte. Wie könnte man auch nicht, nachdem man feststellt, dass manchmal auch die Wachhunde mit Pistolen hantieren.

Wirklich "gut" im Spielspaßsinne oder umfassend ist das Wenigste hier, aber man bleibt dabei, um rauszufinden, wie der nächste Indie-Hit wohl vor 20 Jahren oder durch die Augen weniger talentierter Entwickler ausgesehen hätte. Weiterhin gratuliert man Devolver zu den Eiern, zu Gato Roboto wenige Wochen nach Release bereits einen Abklatsch mit Castlevania-Einschlag zu clonen und fragt sich, warum nicht schon früher jemand mal wieder ein Spiel wie Ape Out JR machte. Zwischendurch grinst man immer wieder über die hirnverbrannten Achievements, die man für trivialsten Quatsch kassiert und nach einem Nachmittag ist man von fast allem hier auch schon wieder kuriert.

Sperrig, aber gut, wenn man erstmal drin ist: ShootyBoots parodiert Downwell sehr gekonnt.

Ich finde lange nicht alles lustig, was Devolver macht. Bemerkenswert und unterm Strich eine Bereicherung sind sie als Entität aber trotzdem immer wieder, schlicht weil niemand sonst so tickt wie sie. Devolver Bootleg ist die Versinnbildlichung dieser Publisher-gewordenen Widerborstigkeit, dieses rostigen Nagels der aus der Hülle dieser so gesandstrahlten und glattgebürsteten Branche hervorragt. Und für sich genommen es ist ein Witz, der von den Lippen eines anderen Publishers leicht zynisch oder ätzend hätte wirken können.

Auch wenn ihr spielerisch nichts verpasst, wenn ihr das hier auslassen solltet: Begreift die 4 Euro als Trinkgeld für ein außergewöhnliches Unternehmen und lacht ein wenig mit: Über euch selbst, über Devolver und über dieses dämliche Hobby, dass wir so absurd sehr lieben. Dafür ist Devolver Bootleg da.

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