Dewy's Adventure
Schluck Wasser in der Kurve?
Bizarre und groteske Helden gibt es in der Videospielgeschichte zuhauf. Bereits in der Kinderstube der Computerspiele findet sich eine Bildschirmpräsenz, die selbst von späteren Ausgeburten nicht zu überbieten war. Ein Kuchendiagramm mit einem sichtbaren 25-Prozent-Defizit hatte alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt und wird auch diesen Thron nicht mehr verlassen. PacMan steht als ewiges Synonym für die Vorliebe der Spieleindustrie für merkwürdige Geschichten und Helden, geboren aus der einstigen Not der technischen Unzulänglichkeiten.
Selbst heute, mit allen grafischen Finessen und Errungenschaften, finden sich immer wieder obskure Gestalten auf den Konsolen ein. Auch jenes Entwickler-Team von Konami, das bereits das spaßige Eledees auf die Wii brachte, hat scheinbar eine Affinität für abseitige Avatare. Waren es dort noch kleine Elektroteilchen, die sich überall unter Tischen, Schränken und sonstigen Objekten versteckten, glitscht und rutscht nun ein Wassertropfen in Dewy's Adventure auf seinem Allerwertesten durch ein Welt, die in ihrer Fröhlichkeit fast schon einen Hauch zu fröhlich geworden ist. Niedliches Kinderspiel? Mitnichten!
Denn das Äußere von Dewy’s Adventure täuscht: Was aussieht wie ein übersteigertes Teletubbi-Land aus einem Hippie-Traum, hat es faustdick hinter den Ohren. Versprüht die Präsentation noch einen kindlichen Charme, verbirgt sich unter der grellen Oberfläche eine Herausforderung, der eine Tugend aus alten Tagen anhaftet: Nur der Tüchtige wird belohnt. Selten hat man eine solche Genugtuung erfahren, nachdem endlich der Level abgeschlossen und die schweißtreibende Arbeit zum Erfolg geführt hat. Es gibt nur noch wenige Titel, die nicht durch ständige Zwischenspeichern und Massen an Check-Points den Spieler wieder an den Anfang des Levels zwingen und ständig fordern, sich zu verbessern. Dewy macht genau das und es stört noch nicht einmal.
Wasser ist also sein Element, Retten seine Profession. In kniffligen Missionen gluckst der feuchte Tropf über diverse Ebenen und sammelt seine Freunde ein; das Prinzip ist bekannt von Kororinpa und Mercury Meltdown: Mit der Wiimote wird die Balance des Untergrunds kontrolliert, durch Neigen des Controllers entsteht ein Gefälle und das amorphe Wesen rutscht die Schräge entlang. Die Mechanik hinter Dewy’s Adventure erfordert tatsächlich erstaunlich viel Fingerspitzengefühl. Wo Kororinpa noch recht tolerant auf Zittern oder geringfügige Bewegungen reagiert, verzeiht die knallbunte Rutschpartie von Konami weitaus weniger unbedarfte Erschütterungen.
Die Wiimote reagiert sensibel auf jede Standortveränderung. Kaum ein wenig die Wiimote gekippt, schon schlittert Dewy auf den Abgrund zu und hektisches Gegensteuern führt endgültig in die Katastrophe – es braucht die berühmte ruhige Hand des Kanzlers a.D., um das gut gelaunte Kerlchen in die gewünschten Bahnen zu lenken. Diese feine Sensorik ermöglicht eine weitestgehend sehr präzise Steuerung, allerdings auch eine, die jeden Anflug von Koffeeinüberschuss im Blut bitter bestraft.
Wie wir zudem aus der Grundschule wissen, liegt es in der Natur des Wassers, dass es in verschiedenen Formen auftreten kann. Die physikalischen Gegebenheiten seiner Beschaffenheit macht sich Dewy zu Nutze und kann in drei Aggregatszustände wechseln: Über das Steuerkreuz erhöht oder verringert man die Temperatur der Umgebung und sorgt so für arktische Kälte oder tropische Hitze. Wird es wärmer, verwandelt sich der feuchtfröhliche Retter in einen gasförmigen Zustand. Wird es winterlich in der Welt, wird auch Dewy unterkühlt und erstarrt zu Eis. Alle Zustände haben so ihre Vor- und Nachteile, die gut miteinander kombiniert werden müssen.
Als hitzige Wolke sind Blitze eine nützliche Waffe gegen Angreifer, die Bewegung ist allerdings eingeschränkt. Einige Gegner lassen sich zudem nur kurzfristig betäuben und es empfiehlt sich, nach einem kleinen Elektroschock in die gefrorene Form zu wechseln. Mittels eines Wirbels können dann die Störer vom Eis gefegt werden. Diese Attacken sind besonders auf schmalen Pfaden schwer kontrollierbar, denn der aggressive Eiswürfel rutscht zuweilen verdächtig nah beim Rückstoß an eine Klippe – und oft genug darüber hinaus.
Doch nicht nur das schwere Bezähmen der Frostbeule macht einen großen Frustfaktor von Dewy’s Adventure aus. Ein altbekanntes und auch hier nicht gut gelöstes Problem hängt als Damokles Schwert über der knallbunten Fröhlichkeit. Es nennt sich fixe Kamera. Sie verhindert oft ein genaues Abschätzen der Umgebung: Ist die nächste Ebene zu hoch, soll der Sprung noch etwas weiter nach rechts, links oder reicht es geradeaus? Gelingt dem agilen H2O den Sprung in höhere Regionen oder rast er nach einem kurzen Bruchteil in der Luft gen unendliche Tiefen? Hier ist eine der größten Schwächen des Spiels und auch der Grund, warum einige genervt den kleinen Tropf für immer auf Eis legen werden.
Das hat er aber eigentlich nicht verdient. Fans mit Neigung zu Rutschpartien werden in Dewy einen neuen Freund finden, dem sie ein wenig seine überdrehte Art verzeihen müssen, der dafür aber mehr Tiefe und Länge als beispielsweise Kororpina bietet. Zudem offeriert Dewy’s Adventure zusätzlich einige Herausforderungen sowie einen Editor, mittels dem eigene Level gebaut und mit bis zu vier Mitspielern sogar online erkundet werden können. Death-Match im Paradies sozusagen. Die Mehrspielermöglichkeit hätte man sich auch für das eigentliche Spiel gewünscht, doch auch ohne wird Dewy in seiner ganzen Unbeschwertheit ein gern gesehener Gast in meiner Wii sein.