Diablo 2 Resurrected - Test: Looten, ganz wie damals
Diablo 2 Resurrected bietet das klassische Diablo-Feeling mit moderner(er) Grafik und ein ganz klein wenig mehr Komfort, aber insgesamt erfreulich unverwässert.
Diablo 2 ist zurück. War es je weg? Eigentlich nicht. Dank einer ausdauernden Community, einem Nachfolger, der die Dinge ein wenig anders anging, und tendenziell einem guten Teil an Gewöhnung, die es einem schwer macht, ein gewohntes Umfeld zu verlassen, hielt sich der Klassiker aus dem Jahr 2000 am Leben. Jetzt aber geht es offiziell mit Diablo 2: Resurrected in ein verlängertes Leben mit vollem Online-Support und moderner Grafik. Nun, relativ modern.
Eigentlich nicht sonderlich. Dass die Grafik einen Quantensprung gemacht hat, wird erst dann so richtig klar, wenn man es nicht mit modernen Titeln wie dem zehn Jahre alten Diablo 3 vergleicht, sondern den jederzeit verfügbaren Legacy-Modus aktiviert. Solltet ihr zu den ganz Harten gehört haben, die Diablo 2 grundsätzlich technisch ungemodded gespielt haben, dann wird euch das auch in Resurrected geboten. Ein Tastendruck und ihr seid zurück im Jahr 2000, als ein TFT-Monitor mehr kostete als der Rest des Computers und Auflösungen von 800x600 als vertretbar galten. Das ist niedlich, das war lustig für 5 Minuten, ein Knopfdruck und ich bin zurück im Jahr 2021. Das sagt zumindest die Uhr unten rechts am Computer. Wären Indies aller Art nicht so verbreitet wie sie es sind, dann würde ich diese Jahreszahl angesichts der neuen Diablo-2-Optik anzweifeln.
Nicht, dass das eigentliche Ziel dabei verfehlt worden wäre. Der Look von damals wurde ziemlich exakt von Diablo 2 Resurrected eingefangen. Die Iso-Perspektive wurde konsequent durchgezogen, die Kamera lässt sich nicht bewegen, Farben kommen dem düsteren Original-Look sehr nah und ja, ich fühle mich, als würde ich Diablo 2 spielen. Nur, dass ich jetzt halt Details erkennen kann. Es half sicher, dass man um die Häuser zog, um alte Assets zu finden und zu nutzen, sowie dass man sich ein paar Tricks bediente, um den Charakter der alten Sprites zu erhalten. Kurz gesagt, im Großen und Ganzen, es sieht aus, wie man es von einem ordentlichen Remake von Diablo 2 erhoffen würde. Wie Diablo 2 halt. Richtig charmant, ehrlich gesagt.
Das sollte auch ein Hinweis sein, Diablo 2: Resurrected nicht ganz mit einem modernen Spiel zu verwechseln. Praktisch alle spielerischen Eigenheiten wurden beibehalten. 2000 war eine dauerhafte Internetverbindung die rare Ausnahme und Games, die "always-on" waren ebenso. Heute ist das was ganz Normales, aber Diablo 2 handhabt es nicht unbedingt so. Ihr könnt nach wie vor einen reinen Offline-Charakter anlegen, um mit diesem für immer einsam durch die Dungeons zu schleichen, oder ihr nehmt einen Online-Charakter. Dieser ist dann für alle Formen des Multiplayers bereit, natürlich vor allem die PvE-Spiele, denn PvP war immer nur eine Randerscheinung hier. Mit dem Online-Charakter könnt ihr dann wieder entschieden, ob ihr ein privates Spiel startet, in das ihr aktiv andere dazu holt oder eine offene Runde, wo Fremde und zukünftige Freunde (oder Feinde) mal vorbeischauen dürfen. Ein echtes Versäumnis ist es, dass man nach wie vor nicht den Online-Charakter als Offline klonen kann. Dass es in die andere Richtung nicht geht, sehe ich ja noch ein, aber so ist mein Offline-Paladin halt Level 3 und wird es wohl auch immer bleiben.
Eine weitere Eigenheit, an die ich mich gar nicht mehr so richtig erinnern konnte, ist das "Dark Souls"-Sterbesystem (über 10 Jahre vor Dark Souls natürlich). Je nachdem, wie ihr spielt, findet ihr die Leiche eures Charakters im Lager vor und müsst dort alles mit nur einem Klick einsammeln, was ihr zuvor hattet oder ihr müsst zum Strebeort zurückkehren. Das kann manchmal kritisch sein, denn was auch immer euch erledigt hat, rennt da zumindest in der Nähe noch herum und ihr habt erst einmal nichts. Nun, fast, denn wenn ihr gut geplant habt, müsst ihr nur an eure Kiste im Lager gehen, habt dort irgendeine Waffe für schlechte Zeiten gebunkert und seid zumindest nicht ganz nackt unterwegs.
Das System fühlt sich erstaunlich modern an und würde in irgendeinem Indie nicht weiter auffallen. In einem Mainstream-Game heutzutage ist es fast undenkbar, dass ihr einen guten Teil eurer Ausrüstung verlieren könnt, epische Gegenstände und alles sonst, wenn ihr euch ungeschickt anstellt oder schlicht Pech habt. Macht die Sache spannender, so gnadenlos ist nicht mal Dark Souls. Nicht mal in der Nähe dessen, ehrlich gesagt.
Auch die nach jedem Ableben und Spielstart frisch generierte Welt ist etwas, das man eher aus dem Indie-Bereich kennt. Jede der vier Welten hat feste Abschnitte und in diesen gibt es immer die gleichen wichtigen Schlüsselorte und Dungeons. Wo die genau liegen, das wird in jeder Runde frisch auswürfelt. Am Ende läuft es so: Ihr kommt in ein Gebiet und als erstes rennt ihr herum, bis ihr den Teleport-Punkt findet. Dieser ist dann freigeschaltet und egal was passiert, ihr habt einen schnellen Weg zurück. Dann fangt ihr an zu suchen, was auch immer das Quest-Log gerade erfordert, schaut, dass ihr ein paar Elite-Mobs in der Hoffnung auf besseres Loot aufmischt und zieht dann weiter. Das macht ihr bis zum Ende, dann geht es in die nächste Runde. Diablo hat seinen Ruf, etwas repetitiv zu sein, nicht von ungefähr.
Zumindest ist die Geschichte besser als man meinen sollte. Weder Lore noch die eigentliche Handlung sind so elaboriert wie im dritten Teil, aber es ist genug da, um euch eine klare Vorstellung zu geben, warum ihr hier seid und tut, was ihr tut. In der Regel einen Dungeon leeren, einen bestimmten Gegner plätten oder auch mal ein Item angucken. Denkt nur nicht, dass es hier um Entscheidungen oder Konsequenzen geht. Falsches Spiel dafür.
Die Komplexität kommt in Diablo 2 aus den Builds für eure Charaktere und hier findet ihr immer noch eine Menge an Freiheiten. Fernkampf-Paladine sind ebenso möglich wie prügelnde Magier oder Tanks, die ausgehend von ihrer Klasse eigentlich keine sein sollten. Das alles zu erkunden, ist spaßig genug, bringt aber zwei Nachteile mit sich. Der erste liegt in der Natur der Sache: Spieler haben 20 Jahre lang erkundet, was die besten Builds sind und daran hat sich nichts geändert. Das ist der Preis dafür, dass alles so bleiben soll, wie es immer war. Im Grunde müsst ihr euch nur einen Build-Guide herauspicken, euch dran halten und könnt sicher sein, dass ihr nichts falsch macht.
Denn das "Falsch-machen" ist bei den Skills eine sehr reale Möglichkeit, laufen doch eine Reihe von Skill-Bäumen auf lange Sicht in Sackgassen für das Hochlevel-Spiel. Das zusammen mit der Entscheidung das Re-Skill-System beizubehalten, fühlt sich so aus der Zeit gefallen an wie es ist: Ihr habt pro Durchgang durch das Spiel und pro Schwierigkeitsgrad nur eine Gelegenheit, die Skills zu resetten, ansonsten bleibt euch später nur die Option auf einen langen Grind, um Fehler zu beheben. Man kann streiten, ob das heute noch so sein muss, zumal das Spiel sich anderen Stellen kleine Freiheiten gönnt, um bequemer zu werden. So müsst ihr Gold nicht mehr anklicken, um es zu sammeln, sondern nur noch drüberlaufen.
Ich bin durchaus ein Fan davon, dass ich nur zwei aktive Skills haben kann. Ob das damals eine technische Grenze war - durchaus möglich - oder man Angst hatte, das Balancing zu zerstören, ist die Frage. Fakt ist aber, dass das nicht geändert wurde und ich die taktischen Überlegungen mag, zu denen mich das zwingt. Ihr habt keinen Universal-Super-Kämpfer, sondern müsst euch die beiden Waffen-Sets und die passenden Skill sehr genau herauspicken, vor allem, wenn ihr auf dem oberen Schwierigkeitsgrad spielt. Ist es auf den anderen beiden noch relativ egal, ob ihr jetzt hier oder da ein paar Angriffs-Punkte aus Faulheit einbüßt, wird so etwas am oberen Ende spätestens bei Elite-Mobs in Sekunden bestraft. Und hier die richtigen Kombis zu erforschen, macht schon Spaß. Das, oder ihr guckt online, was das Optimum seit 20 Jahren ist.
Die Server verhielten sich zum Start so, wie man es erwarten würde: Sie waren überfüllt und man wartete relativ lange auf ein Spiel. Aber es war in keiner Weise das Diablo 3 Chaos, ich kam nach ein paar Minuten zumindest in der Regel in eine Runde rein, wo ein sehr interessanter Mix auf mich wartete. Oft genug war einer dabei, der scheinbar noch nie ein Diablo gespielt hat, dann waren da genug Casuals wie ich selbst und immer wieder war ein frustrierter Hardcore-Typ dabei, der anscheinend nur einen Charakter schnell hochleveln wollte, um mit dem auf seinem Niveau spielen zu können. Mal war es ganz lustig, mal frustig, mal stürzte die Verbindung ab. Nicht so oft, aber es kam vor. Egal, für ein Launch-Wochenende gab es da schon ganz andere Dinge, es dürfte wohl besser werden, wenn der erste Ansturm abklingt und am besten wird es eh, wenn ihr mit festeren Freunden unterwegs seid. Das klappte gut genug und hier wurde dann auch schnell klar, was den Spaß damals wohl ausgemacht haben dürfte: Dummes Zeug quatschen und nebenbei Monster umholzen und looten. Was braucht man mehr. Bier vielleicht?
Diablo 2 bleibt Diablo 2. Das Resurrected dahinter ändert jetzt spielerisch so wenig, dass man nicht genau weiß, ob man wegen der korrekt mit rübergeretteten Exploits gratulieren soll oder eine verpasste Chance fürs Aufräumen bemängeln. Ich neige deutlich zu ersterem, denn eigentlich ging es ja darum, genau das Spielgefühl des Originals ins Jahr 2021 zu transportieren und das ist weitestgehend gelungen. Wer noch näher ran möchte, darf gern und jederzeit auf die alte Optik umstellen, aber das macht vor allem deutlich, wie gut die Bis-zu-4K-Interpretation dessen gelang. Das Solo-Spiel ist für ein paar wirklich nette Runden gut, selbst wenn ich hier gern mehr Komfort gesehen hätte. Die Zeiten, wo ich so zeitaufwändig um-skille, sind vorbei, das hätte einfacher sein dürfen und hätte so die Experimentierfreude bei den Builds erhöht.
Ansonsten überzeugt gerade das eher gemütliche Tempo, die kleine Zahl an aktiven Skills und natürlich schlichte Spielbarkeit: Durch Diablo 2: Resurrected zu wandern, das fühlt sich trotz des repetitiven Ablaufs nie nach Arbeit an, sondern nach entspannter Freizeit. Selbst dann noch, wenn sich die Action im Elite-Mob verdichtet. Es hat zeitlose Qualitäten, die hier aufwändig gepflegt wurden und die in die Zeit von Rogue-Indies vielleicht sogar besser passen, als es das damals der Fall war. "Auf die nächsten 20 Jahre Diablo 2", nehme ich an. Welche Qualitäten Diablo 4 auch haben wird, die von Diablo 2 braucht es nicht, schließlich wurden die mit Resurrected wieder für eine Weile gekonnt bewahrt.