Diablo 3 für Konsole - Test
Sofa, Gamepad, Koop, Offline - Blizzard weiß, mit welchen Stichworten man neue Spieler ködert.
Eigentlich wollte ich meiner Freundin gestern Nachmittag "nur mal kurz" den Mehrspielermodus von Diablo 3 auf der PS3 zeigen. Ich drückte ihr den zweiten Controller in die Hand, sie erstellte eine Barbarin als "Gast" und wir metzelten uns den restlichen Abend durch Sanktuario. Einfach so. Dabei hat sie überhaupt nichts mit Hack & Slays am Hut. In dieser Hinsicht kann sie unserem bekennenden Diablo-Verächter Martin die Hand geben. Trotzdem verflog die Zeit wie nix und wir hatten jede Menge Spaß. Gibt es ein schöneres Beispiel, um den Reiz von Diablo 3 für Konsolen auf den Punkt zu bringen?
Darum danke Blizzard, dass die Konsolenversion so zugänglich ist. Danke Blizzard, dass dieses Diablo auch Skeptikern Spaß macht. Danke Blizzard, dass Diablo wieder zu spontanen Offline-Koop-Abenden unter einem Dach verführt. Und danke für die Nachtschicht, die ich jetzt schieben muss, um den Testbericht fertig zu schreiben.
Wie sehr mir die gemeinsame Monsterhatz im kleinen Kreis gefehlt hat, macht die Konsolenfassung mehr als deutlich. Vor Onlinezwang und obligatorischem Battle.net-Account war Diablo 2 ein gern gesehener Gast auf spontanen LAN-Parties, die ich mit den Kumpels in schlecht vernetzten Hobbykellern oder WGs feierte. Diese Leichtigkeit des Seins fiel Blizzards strenger Onlinephilosophie zum Opfer. Das schmerzt auch den Offline-Fan, obwohl es mittlerweile genug sehenswerte Alternativen gibt (Torchlight 2, Path of Exile).
Da soll jetzt ausgerechnet die Konsolenfassung helfen? Sogar mehr Möglichkeiten bieten? Offline-Koop auf einem Schirm, LAN- und Onlinemodus ganz ohne Battle.net und Auktionshaus-Gedöns klingt schon mal nicht schlecht. Sogar Mischformen sind möglich (zweimal Sofa, zweimal Netz zum Beispiel). Aber Diablo mit Gamepad? So ganz ohne Maus und Tastatur? Das kann doch nicht gut gehen. Wird bestimmt so ein Gefrickel wie seinerzeit die ersten beiden Command & Conquers für Konsole - mit denen bin ich auch nie warm geworden, egal wie ausdauernd einige Freunde sie angepriesen haben. Das erste Diablo gab es übrigens auch für die PlayStation 1. Dieser Kelch ist aber an mir vorübergegangen - vielleicht wäre ich heute weniger argwöhnisch gewesen, hätte ich das damals ausprobiert.
Es bleibt alles anders - nur besser
Jedenfalls kann ich bestätigen: Diablo 3 mit Gamepad funktioniert prächtig! Blizzard hat das Interface geschickt an die Anforderungen der Konsolen-Fraktion angepasst. Ob allein, im Online-Koop oder mit drei Couch-Kollegen: Diablo 3 spielt sich tatsächlich, als sei der Titel für diese Plattform erfunden worden. Da kommt natürlich auch zum Tragen, dass Blizzard mit dem neuen Fertigkeitssystem in Diablo 3 seinerzeit das nötige Fundament gelegt hat. Sechs aktive Skills und ein Trank passen problemlos auf jedes Gamepad. Ob man als PC-Spieler das System nun gut findet oder nicht - auf der Konsole entfaltet es jetzt sein volles Potenzial.
Was optisch im Vergleich zur PC-Fassung auffällt, ist die abgesenkte Perspektive, durch die man nun näher am Geschehen dran ist. Die Konsolengrafik (in meinem Fall PS3) fällt durch die niedrigere Auflösung etwas verwaschener und dunkler aus, was ich aber gar nicht mal übel finde. Dadurch kommt die düstere Atmosphäre besser zur Geltung. In ein paar Höhlen fiel mir auf, dass manche Wände nicht zuverlässig transparent wurden und ich die dahinter verborgenen Gegner nur durch Zufall sah.
Ansonsten gab es aber keinen Grund zur Beanstandung. Das Spiel flutscht flüssig über den Schirm - selbst mit mehreren Spielern und einem entsprechenden Effektgewitter ruckelte es nicht, die Ladezeiten zwischen den Gebieten blieben im Sekundenbereich. Gemeinsam auf einem Schirm richtet sich Kamera nach der Mehrheit des Teams und zoomt intelligent heraus. Wer stehen bleibt, wird per Teleport abgeholt. Rennt man gleichzeitig in unterschiedliche Richtungen, bleibt man am Bildrand hängen - das kommt aber in der Praxis kaum vor.
Die Steuerung des Charakters mittels linkem Analogstick fühlt sich intuitiv an. Sogar die Schrittgeschwindigkeit lässt sich mit sanftem Stick-Einsatz dosieren.
Die Steuerung des Charakters mittels linkem Analogstick fühlt sich intuitiv an. Sogar die Schrittgeschwindigkeit lässt sich mit sanftem Stick-Einsatz dosieren. Erfüllt zwar in der Praxis keinen sinnvollen Zweck, ist aber ein nettes Detail. Die konsolenspezifische Ausweichfunktion auf dem rechten Stick finde ich hingegen völlig unnütz. Egal, wie geschickt ich meinen Helden Salti schlagen lasse, er wird trotzdem getroffen. Schneller voran komme ich damit nicht. Somit macht es in der Praxis keinen Unterschied, ob ich einer drohenden Attacke nun zu Fuß oder per Hechtrolle ausweiche. Da wussten die Designer wohl nicht so recht, was sie mit dem zweiten Stick anfangen sollten?
Dank deutlicher farblicher Markierungen sieht jeder im Team, welches sein Charakter ist, welches Monster er gerade anpeilt und (in Online-Partien) wo die Kollegen im Augenblick unterwegs sind. Die Minikarte wird per Deaktivierung der "intelligenten Kartenfunktion" im Optionsmenü dauerhaft zugeschaltet und verschwindet ansonsten, bis ein Questziel in Reichweite rückt. Wer noch mehr Infos braucht (Lebensleisten), kann diese per Optionsmenü zuschalten. Die rote Umrandung der Feinde ist allerdings obligatorisch.
Klicken war gestern
Das automatische Zielsystem funktioniert größtenteils problemlos. Wird einmal der gewünschte Feind nicht markiert, rüttelt man ein bisschen am Stick, bis der richtige Gegner ausgewählt wurde. Mit dem Froststrahl der Zauberin kann man das automatische Zielsystem schön in Aktion beobachten. Das nächststehende Monster in Blickrichtung wird mit Dauerfeuer anvisiert. Sobald es tot ist, dreht sich der Charakter automatisch zum nächsten Ziel in grober Blickrichtung. Wird man währenddessen von der Seite angegriffen, muss man sich aktiv zum Gegner drehen.
Durch Gedrückthalten der linken Schultertaste kann man einen einzelnen Feind auch "einrasten" - ideal bei Bosskämpfen, wenn man nicht vom Hilfs-Pöbel des Obermotzes abgelenkt werden will oder eine Fernkampfklasse spielt. Trotzdem ist es sinnvoll, seine Skillwahl ein bisschen an die Plattform anzupassen und auf AoE-Schaden und Rundum-Angriffe zu setzen - hier kommt dem Fertigkeitssystem zugute, dass man offen verschiedene Builds ausprobieren kann, bis man die bevorzugte Kombination raushat.
Das Anlegen gefundener Gegenstände geht dank Steuerkreuz-Abkürzung leicht von der Hand, ohne den Spielfluss zu unterbrechen, wie Martin schon in seinem Ersteindruck festgestellt hat. Dank deutlicher Icons über den fallen gelassenen Gegenständen sieht man auch auf kleinen Fernsehschirmen sofort, ob der Kram überhaupt von Interesse ist. Damit der Vergleich noch leichter fällt, zeigen rote und grüne Pfeile, welche Verbesserungen bei Schaden, Verteidigung und Lebenspunkten zu erwarten sind. Für Detailanalysen hinsichtlich der weiteren Boni muss man allerdings ins Inventar wechseln, das Blizzard in einem Gamepad-freundlichen Kreismenü und nach Item-Kategorien sortiert hat. Ich persönlich habe hier zum ersten Mal meine Maus und das klassische Inventar am PC vermisst. Damit hat man den Rucksack einfach besser im Griff. Trotzdem muss ich den Designern zugestehen, dass sie den besten Kompromiss aus schneller Bedienbarkeit und Übersicht für die Plattform gefunden haben.
Grundlage der Konsolenfassung ist Diablo 3 in Patch-Version 1.0.7. Enthalten sind also auch das System zum Einstellen der Monsterstärke, das Ereignis 'Infernale Maschine' und die PvP-Scharmützel.
Grundlage der Konsolenfassung ist Diablo 3 in Patch-Version 1.0.7. Enthalten sind also auch das System zum Einstellen der Monsterstärke, das Ereignis 'Infernale Maschine' und die PvP-Scharmützel. Die Monsterstärke wurde interessanterweise für Konsole in ein Schwierigkeitsgrad-System parallel zur Albtraum-Hölle-Inferno-Karriereleiter übersetzt, und reicht von Einfach, Normal und Schwer bis zu 'Meister V'. Im leichtesten Modus schwebt man quasi durch die Akte. "Normal" und "Schwer" ist für Veteranen gedacht. Bei Meister I bis V sind die Gegner schlagkräftiger, kommen in größeren Gruppen daher (Inferno) und haben mehr Lebenspunkte, dafür gibt es auch einen Bonus auf Erfahrungspunkte, Gold und bessere Beute. Das ist den Mehrverbrauch von Lebenstränken eindeutig wert. Wem das noch nicht an Herausforderungen reicht: Der Hardcore-Modus mit Permadeath ist auch wieder dabei.
Beute und Macht - was will man mehr?
Was die Konsolenfassung erfreulicherweise besser macht als die PC-Variante: Es gibt deutlich nützlichere Ausrüstung bei NPCs zu kaufen. Nach kurzer Zeit dominiert hier die gelbe Farbe - alles seltene Gegenstände mit Mehrwert. Nachdem man Questziele zum ersten Mal erfüllt hat, bekommt man neuerdings neben Gold und Erfahrung auch nützliche Gegenstände als Belohnung. In Sachen Beutequalität auf dem Schlachtfeld konnte ich während meines Tests subjektiv nur geringe Verbesserungen im Vergleich zur PC-Fassung feststellen. Offiziell hat Blizzard aber schon Elemente des kommenden Loot 2.0 Patches in die Konsolenversion eingebaut ("Weniger ist mehr" und "Smart Drops"). Gut möglich, dass die Beute auf höheren Schwierigkeitsgraden noch qualitativ zulegt. Dass etwas verbessert wurde, ist spürbar. Aber wie weit die Verbesserungen gehen, lässt sich nach so kurzer Zeit nur schwer sagen. Ohne Auktionshaus auf Konsole blieb Blizzard natürlich kaum eine andere Wahl, als sich dieses Punktes anzunehmen. Es wird interessant zu beobachten sein, wie sich die PC-Fassung mit Loot 2.0 in Zukunft entwickelt.
Eine gravierende Neuerung sind die goldenen Machtkugeln, die wie rote Heilkugeln von Gegnern hinterlassen werden. Sammelt ihr sie auf, wird euch und euren Teamkollegen für eine Minute der Effekt "Ruhm der Nephalem" verliehen. Dadurch bewegt ihr euch zunächst schneller und verursacht mehr Schaden. Sammelt ihr weitere Heil- und Machtkugeln ein, wird dieser Effekt bis zu dreimal verstärkt und verlängert, bis ihr bei jedem Schlag gewaltige Explosionen auslöst, und goldene Kettenblitze von Gegner zu Gegner springen. Einerseits fühlt sich dieses Feature ein bisschen zu mächtig an, andererseits macht es unglaublich Laune, goldglühend-elektrisiert über Gegnergruppen hereinzubrechen und den Bildschirm zum Beben zu bringen. Verfechter der harten Linie dürfen ruhig darüber schimpfen, aber insgeheim wünsche ich mir, dass man solche Orbs auch bald als PC-Abenteurer findet.
Die gelungene Umsetzung von Diablo 3 für Konsolen verdient zunächst einmal großes Lob. Die Steuerung ist intuitiv, das Gameplay zugänglich wie eh und je, die Atmosphäre bleibt dicht, der Hack-and-Slay-Flow packt einen auch auf Konsole, die nötigen Anpassungen an die Plattform hat Blizzard hervorragend hinbekommen und sogar ein paar kleine Zuckerl oben drauf gepackt. Doch zu erleben, wie viel Spaß der Titel machen kann, wenn man ihn ohne jeden Aufwand gemeinsam im Wohnzimmer und offline zockt, wirft für mich erneut die Frage auf, ob Blizzard nicht auch auf dem PC mit einer weniger restriktiven Onlinepolitik klüger gefahren wäre.
Ist Diablo 3 für Konsolen das bessere Spiel? Nicht zwangsläufig. Es erfüllt aber viele Erwartungen der Fans, die durch die erste PC-Version zunächst enttäuscht wurden, bevor Blizzard mit Patches nachjustierte. Wie viel Potenzial die Entwickler hier noch freilegen können, zeigt die Konsolenfassung jedenfalls eindrucksvoll. Für Neueinsteiger und Freunde gemeinsamer Metzelfeste auf dem heimischen Sofa eignet sich diese Variante jedenfalls hervorragend.