Diablo 3 - Vorschau
"Guck mal, wer da spricht" für Fortgeschrittene
"Worf! Das ist Worf hinterm Tresen! Und der Mönch ist Gowron, Kanzler der Klingonen! Die Hexendoktorin ist B'Elanna Torres und der Bergmann klingt wie der Doktor aus Voyager! Und Odo aus Deep Space Nine ist der Bürgermeister!" Mittlerweile sind sich meine Nachbarn vermutlich einig: Der enthusiastische junge Mann von gegenüber sollte beim Zocken lieber die Fenster schließen. Und er ist ein Trekker.
Normalerweise rümpfe ich die Nase bei deutsch vertonten Spielen. Diesmal klatsche ich Applaus. Die dritte Inkarnation des Hack-and-Slay-Allvaters hat mehr Synchronsprecher-Sternchen zu bieten als so mancher Hollywoodfilm. Thomas Fritsch (Russel Crowe, Diego aus Ice Age, Maxwell Sheffield aus Die Nanny) raunzt den Barbar. Thomas-Nero Wolff (Hugh Jackmann) verleiht dem Dämonenjäger das gewisse Wolverine-Feeling. Udo Schenk (Kevin Bacon, Ralph Fiennes, Gary Oldman) und Arianne Borbach (Catherine Zeta-Jones) leihen dem Hexendoktor-Pärchen ihr Organ. Marius Götze-Clarén (Tobey Maguire, Jake Gyllenhaal) übernimmt den Part des Zauberers. Jan Spitzer (Chris Cooper) kennen Cartoon-Fans unter anderem auch als die größenwahnsinnige Maus Brain. Die Liste ließe sich noch um etliche Namen verlängern. Viel Spaß beim heiteren Promi-Raten.
An spielerischer Front hat sich seit der letzten Vorschau noch mehr getan. 15 Patches zählt der Client mittlerweile. Der letzte Charakter-Wipe ist gerade ein paar Tage her. Das Interface wurde häufiger entschlackt als ein Fastenguru im Frühstücksfernsehen. Blizzard justiert nicht nur - Blizzard zertrümmert. Was dabei übrig bleibt, wird völlig neu zusammengesetzt.
Identifikationsrollen? Gestrichen. Gewöhnliche Craftingmaterialien? In der Tonne. Buchseiten sammeln, um eurem Schmied neue Tricks beizubringen? Passé. Nephalem Cube und Kessel von Jordan? Gibt es nicht mehr. Stattdessen benutzt ihr in Zukunft euer Townportal, wenn ihr Gegenstände verkaufen oder in Handwerksressourcen zerlegen wollt. Unbekannte Items werden einfach so per Rechtsklick identifiziert. Eure geteilte Schatzkiste wurde auf 14 Plätze eingedampft. Wer mehr will, legt 10.000 Goldstücke hin. Ach ja, die Nephalem Altare zum Ändern eurer Fertigkeiten sind auch Schnee von gestern. Eure Skills dürft ihr wieder jederzeit wechseln, jedoch mit 30 Sekunden vorgeschalteter Wartefrist. Das ist eine beachtliche Rolle rückwärts seitens Blizzard Entertainment, die wegen der Altäre seinerzeit viel Gegenwind erdulden mussten. So ausgiebig habe ich ein Studio während einer geschlossenen Beta selten den Rotstift schwingen sehen.
"Das Fähigkeitensystem hat's sowieso besonders heftig erwischt. Vom bisherigen User-Interface haben die Entwickler nur Krümel übrig gelassen."
Das Fähigkeitensystem hat's sowieso besonders heftig erwischt. Vom bisherigen User-Interface haben die Entwickler nur Krümel übrig gelassen. Im Standardmodus belegt ihr weder eure Maustasten noch eure Zifferntasten nach Belieben. Was Primär- und was Sekundärangriff sein soll und auf welcher Nummer welche Zusatzfähigkeiten liegen dürfen, bestimmt von nun an Blizzard. Außerdem wurde die Reihenfolge verändert, in der eure Fähigkeiten freigeschaltet werden. Anfänger sollen es dadurch einfacher haben und gleichzeitig bei jedem Levelanstieg etwas Neues geboten bekommen. Ein Lichtblick für Veteranen, die sich nicht betüddeln lassen wollen: Man kann im Reiter "Gameplay" des Optionsmenüs jegliche Bevormundung unterbinden und die Tastenbelegung per "Wahlmodus" wieder selbst bestimmen.
Doch das war nur die Spitze des Eisbergs. Richtig zugelangt hat Blizzard bei den Fertigkeitsrunen. Vorher solltet ihr fünf Runentypen in verschiedenen Qualitätsstufen finden und damit eure Skills grundlegend ändern können. Nun verhalten sich die Runen selbst wie Fertigkeiten und werden automatisch beim Stufenanstieg freigeschaltet. Qualitätsstufen gibt es keine mehr. Ihr habt also noch immer die Wahl zwischen verschiedenen Varianten eurer Fähigkeiten, müsst euch aber nicht mehr mit dem Suchen, Handeln, Sammeln und Verbessern der Steine "abmühen". Platzmangel im Inventar soll nebenbei ebenfalls vermieden werden.
Durch diese Schritte wurde das ohnehin schon recht lineare Fähigkeitssystem von Diablo 3 nochmals begradigt. Jeder Spieler auf Maximallevel wird in Zukunft das gleiche Repertoire an Fähigkeiten besitzen. Rüstungen und Waffen bleiben die letzte Möglichkeit, euren Charakter zu individualisieren. Man mag einwenden, dass im Endgame-Bereich von Diablo sowieso stets auf ein paar wenige sinnvolle Skillungen, Statuswerte und Ausrüstungen hingearbeitet wurde und dass das neue System diese Varianten nur jedermann zugänglich macht. Was kann daran verkehrt sein?
Nun, dieser vermeintlich "anstrengende" Part war für mich als Fan einer der wichtigsten Gründe für die erstaunliche Langzeitmotivation der Reihe. Es ist das Streben nach dem optimalen Build, das einen Diablo 2 immer wieder von vorne beginnen lässt. Das fällt durch die Neuerungen unter den Tisch. Klar wäre es mühsam, Runensteine zu suchen, sein Inventar akribisch zu verwalten und laufend über sinnvolle Fähigkeiten zu grübeln. Aber was ist spannender: Ein unwegsamer Bergpass, der mir bei jeder Tour immense Planung und Kondition abverlangt oder ein gut geöltes Laufband in der Muckibude?
Sieht man das neue Fertigkeitssystem in Aktion, begreift man schnell die Logik hinter Blizzards überarbeiteter Skill-Reihenfolge. Die Entwickler klotzen jetzt vom Start weg mit prachtvollen Attacken. Der Coolness-Faktor der Manöver ist durch die Bank gestiegen und die Effekte wirken allesamt ein wenig bombastischer. Das Kalkül geht auf. Bei jeder neuen Stufe öffnet man reflexartig das Fertigkeitsfenster, um sofort die frischen Skills zu testen. Das überarbeitete Runen-System verleitet außerdem zum Experimentieren. Sind die Springspinnen des Hexendoktors besser als die normale Variante? Wie viele Gegner kann ich mit einem Spalter-Hieb des Barbaren zusätzlich meucheln, wenn ich die Fertigkeitsrune "Eruption" aktiviere? Soll mein Zauberer seinen Froststrahl durch die Rune "Graupelsturm" in eine 360-Grad-Attacke umwandeln? Die Suche nach der perfekten Kombination ist kurzweilig aber leider aufgrund des aktuellen Beta-Maximallevels von 13 viel zu schnell vorüber.
Doch zurück zur Praxis. Wie spielt sich die geschlossene Diablo-3-Beta aktuell? Die Monsterhatz macht jede Menge Spaß, der Suchtfaktor bleibt hoch und der Flow ist nach wie vor grandios. Daran haben auch die über zwei Dutzend vergangenen Patches nichts geändert. Kleinere Macken finden sich weiterhin. Zum Beispiel landeten in meinen Testläufen viele Frischlinge auf Stufe eins regelmäßig in Partien mit Kollegen auf Stufe elf, da die neue Questauswahl im Hauptmenü und das Matchmaking der offenen Spiele noch nicht richtig funktionieren. Gravierender ist jedoch der Mangel an Abwechslung. Die Beta ist nach wie vor ein extrem kurzes Vergnügen. In knapp anderthalb Stunden erreicht ihr Level zehn und verpasst dem Skelettkönig einen finalen Tritt in den Allerwertesten, gefolgt vom obligatorischen: "Herzlichen Glückwunsch! Ihr habt die Beta von Diablo 3 abgeschlossen." Danach spielt ihr entweder noch ein paar Runden, bis ihr euren Helden auf Stufe 13 hochgezogen habt, oder beginnt den Tanz mit einer neuen Klasse.
Ein bisschen mehr Würze verspricht der nagelneue Hardcore-Modus. Beißt hier euer Held ins Gras, hilft kein Bitten und kein Betteln, er bleibt tot. Viele Fans gieren schon seit Beginn der Beta nach diesem Kick. Um den Modus zu aktivieren, müsst ihr aber erst einen regulären Helden auf Stufe zehn hochgepäppelt haben. Gibt euer Hardcore-Recke trotz größter Vorsicht den Löffel ab und hat mindestens Stufe zehn erreicht, wird er zum Trost mit allerlei Statistiken in eurer Halle der Toten verewigt.
Das Handwerkssystem hat meiner Ansicht nach durch die Neujustierung stark an Unterhaltungswert eingebüßt. Früher musste ich die Spielwelt noch nach Buchseiten und Rezepten abgrasen, um den Schmied Haedrig aufzuwerten. Jetzt kostet mich die Ausbildung nur noch einen läppischen Batzen Gold. Manche mögen diese Vereinfachung konsequent finden, ich hingegen vermisse die Schnitzeljagd durch die Buchregale der Dungeons. Dass ich jetzt gezwungenermaßen in die Stadt zurückkehren muss, um Gegenstände zu verkaufen oder zu recyclen, finde ich ebenfalls nicht schlüssig. Auf der einen Seite ist Blizzard bestrebt, alle Spielsysteme zugänglicher zu machen, auf der anderen Seite fallen prinzipiell nützliche Features dem Shredder zum Opfer. Das Townportal lässt sich zwar schneller aktivieren als früher, den Spielfluss bremst das trotzdem in meinen Augen unnötig aus.
"Durch das linearere Skillsystem bringt jeder Stufenaufstieg ein Aha-Erlebnis."
Das Auktionshaus ist hingegen elegant gelöst und man findet dank umfangreicher Filter schnell ein paar hübsche Schnäppchen für wenig Gold oder verscherbelt seine Schätze mit wenigen Klicks. Echtes Geld kommt während der Beta noch nicht zum Einsatz, stattdessen nutzt man so genannte Betaknete. Später wird es auch ein Echtgeld-Auktionshaus geben, über das die Community noch leidenschaftlich streitet. Zurzeit wird außerdem diskutiert, ob ein separates Echtgeld-Auktionshaus für Hardcore-Charaktere eine gute Idee wäre. Jay Wilson hat das zumindest nicht ausgeschlossen.
In Sachen Spielspaß ist Diablo 3 noch immer auf einem goldenen Weg, auch wenn mein Bauch ein paar der jüngsten Änderungen mit misstrauischem Grummeln zur Kenntnis nahm. Die deutsche Vertonung ist über jeden Zweifel erhaben und auch das neue Skillsystem hat seine positiven Seiten. Die Fertigkeiten werden zwar so linear abgespult wie die Haltestellen einer Straßenbahn, dafür bringt jeder Stufenanstieg ein neues Aha-Erlebnis. Meinen verbliebenen Argwohn hinsichtlich der restlichen Feinjustierungen durch Blizzard wird wohl erst ein Blick auf das fertige Spiel besänftigen können. Ist zum Glück nicht mehr lange hin.
Diablo 3 erscheint am 15. Mai für PC und Mac.