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Die Activision-Story

Auf Gedeih und Verderb - Activision und Bobby Kotick

Das Ansehen des Unternehmens unter Spielern in dieser Zeit kann man allgemein als unspektakulär bezeichnen. Während Electronic Arts' Ruf, einfach nur jährliche Updates in die Welt zu werfen, seinen Höhepunkt erreichte, galt Activision als groß, aber harmlos. Der Konzern war unauffällig, lieferte einen beständigen Strom an Games und zu den Anfängen der 2000er hatte die Trauer um Infocom auch schon ein wenig nachgelassen. Diese Entwicklung des Konzerns zeigt damit allerdings ein sehr ungewöhnliches Phänomen. Es galt lange als absolute Wahrheit, dass kein Vorstand, der selbst nicht eine gewisse Leidenschaft für Spiele mitbringt, auf Dauer Erfolg haben kann. Bobby Kotick spielt zwar nicht, aber wie schon bei seinen ersten Anläufen in der Geschäftswelt beweist er ein ziemlich sicheres Gespür dafür, was andere Leute kaufen möchten.

Das beste Beispiel dafür dürfte der 2006er Ankauf von Red Octane und den Rechten an Guitar Hero sein. Es war zu diesem Zeitpunkt keineswegs sicher, dass sich die Investition von 100 Millionen rentieren würde und ein paar Leute mit gutem Gedächtnis erinnerten an den letztendlich verlustreichen und überteuerten Ankauf von Infocom. Während die Übernahme damals jedoch das Ergebnis von Levys Leidenschaft für Adventures war, fällt es schwer sich vorzustellen, dass Kotick aus seiner Passion für Plastikgitarren heraus einen der größeren Studiodeals in der Geschichte einging. Es war wohl eher eine Mischung aus kalten Zahlen und Gespür.

2003: Call of Duty

Vier Jahre später weiß man, dass das Geld gut investiert war. Da aber selbst dieses Gespür nicht reichte, um den großen Rivalen Electronic Arts zu überbieten oder endlich ein wirklich bedeutendes MMO auf die Beine zu stellen, und man auch sah, dass viele Activision-Franchises drohten, in den gleichen zu routinierten Zyklus abzudriften, mit dem auch EA zu kämpfen hatte, schloss man sich in 2007 mit Vivendi Games zusammen, die 1998 ein kleines Studio namens Blizzard aus den Resten von Sierra-Online übernahmen.

Der Konzern, den wir heute kennen, Activision Blizzard, wurde damit 2008 gegründet und mit einem Wert von über 18 Milliarden Dollar überbot man Electronic Arts, die zu diesem Zeitpunkt auf über 14 Milliarden geschätzt wurden. Während Michael Morhaime Präsident von Blizzard blieb, übernahmen Kotick und andere aus der Activision-Führungsriege das Ruder des Konstruktes Activision Blizzard. Es war im großen und Ganzen eine Verknüpfung unter gleichen. Während Blizzard seine Marktmacht in Form von World of WarCraft, StarCraft und Diablo einbrachte, bot Activion ein breites Feld von Call of Duty über Guitar Hero und Tony Hawk - immer noch ein wertvoller Name, trotz RIDE - bis hin zu diversen Lizenzen, beispielsweise Star Wars oder Spider-Man.

Die Verknüpfung der beiden Unternehmen, Activision und Vivendi Games, verlief allerdings nicht für alle Studios so glatt wie für Blizzard. Während diese durch den Erfolg von World of WarCraft praktisch unantastbar waren, wurden andere Abteilungen von Vivendi radikal heruntergekürzt oder ganz aufgelöst. So verschwand beispielsweise das Label Sierra endgültig und eine Reihe von Franchises und Entwicklungen wurden entweder verkauft – Brütal Legend, Ghostbusters – oder in Activision selbst integriert, etwa Spyro und Prototype. Wiederum, praktisch keines der ausgesonderten Projekte hatte anschließend großen wirtschaftlichen Erfolg und insoweit muss man aus der Sicht eines Managers wie Kotick sagen: Alles richtig gemacht.

2006: Guitar Hero 2

Man kann von Bobby Kotick und einigen seiner jüngeren Kommentare halten, was man will – in einigen Fällen verständlicherweise wirklich wenig – aber der Erfolg der letzten 20 Jahre gibt ihm eine Menge Rückendeckung. Im Rahmen dieser Geschichte sind die letzten Ereignisse um beispielsweise Infinity Ward vielleicht ein wenig verständlicher. Kotick und damit zu einem gewissen Grad auch Activision war und ist der Konzern und seine Marken stets wichtiger als ein einzelnes Spiel oder Entwickler.

Ein gutes Team zu finden, das einen guten Shooter programmiert, ist immer möglich. Ein gutes Team zu verlieren ist schade, das wird auch Activision so sehen, aber die Verkaufskraft, die hinter einem Namen wie Modern Warfare steht, scheint aus dieser Sicht ungleich wertvoller als alle kreativen Impulse, die die ursprüngliche Truppe geben kann. Es ist immer noch ein wenig unklar, was sich letztlich hinter den Türen bei Infinity abspielte. Aber der Preis, den man wollte, war wohl höher als der, den Activision zu zahlen bereit war.

Das ist eine andere und doch die gleiche Philosophie wie die, mit der 1979 der Konzern gegründet wurde. Damals sollten die Programmierer und Entwickler die Stars sein. Heute gönnt man ihnen gerne diesen Titel, als Großkonzern in einem hart umkämpften Markt will und kann man jedoch nur gewisse Star-Allüren zulassen.

Seit Kotick 1991 Activision übernahm und rettete – man kann es kaum anders nennen – gehörte diese Art relativer Freiheit zum Konzept. Es steht dabei nicht einmal wirklich in Frage, dass er selbst an dem Konzern hängt. Der Zusammenschluss mit Vivendi war für ihn keine leichte Entscheidung. Nicht weil es galt, ein paar Games hier und da zu kippen, sondern aus Angst, die Eigenständigkeit von Activision zu opfern.

2010: Blur

In einem Statement im Rahmen des kleinen Schafer-vs-Kotick-Streits ließ Activsion verlautbaren: "Bobby hatte immer eine Leidenschaft für Spiele und liebt die Spieleindustrie." Letzteres wüde ich angesichts der Vita des Mannes sofort glauben, ersteres würde ich eher so interpretieren, dass er Spiele als das Fundament "seines" Konzerns betrachtet und dann würde es auch passen.

Was die Geschichte von Activision gut verdeutlicht, sind beide Seiten der Videospielbranche. Auf der einen Seite stehen die Spieler und die Kreativen, die die Spiele schaffen. Auf der anderen Seite hängen an diesem emotional aufgeladenen Produkt nackte Zahlenwerte. Gewinne, Verluste und Arbeitsplätze, wie bei jedem anderen Handelsgegenstand auf der Welt auch. Kaum irgendwo wird das deutlicher als hier, wo auf der einen Seite ein Mann steht, der selbst nicht spielt, und auf der anderen all die Werke, die Activision in den letzten 20 Jahren veröffentlichte. Es ist zu einem guten Teil sicher eine delikate Balance zwischen den beiden Elementen, die den Erfolg von Activision und jetzt Activision Blizzard begründet. Mal sehen, ob diese Balance auch die nächsten 20 Jahre gewahrt bleibt.

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