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Die Belagerung, die ihr nicht kommen saht: Citadels

Die Vorbilder sind klar, besetzt die Mauern und macht das Öl klar.

Huch, wo kam das denn her? Ein mittelalterlicher Burgenbauer und Eroberer, der sich in vielerlei Hinsicht an so ziemlich allen Klassikern des Genres orientiert und da noch die Artus-Sage einweben möchte? Soll schon im nächsten Monat in den Läden stehen? Citadels hat sich so richtig herangeschlichen.

Die Slowaken von Games Distillery sind dabei sogar richtig ambitioniert. Zwei Kampagnen werden geboten, eine „gute" und eine „böse". Das ist natürlich immer eine Frage des Standpunktes. Aber da Erstere nach dem Tod von Artus aufseiten der Tafel-Ritter-Reste startet, dürfte die Etikettierung in diesem Fall wohl passen. Ganz so genau muss man es eh nicht nehmen, so hält es Citadels auch mit seiner eher fiktionalen Historie. Auf der anderen Seite stürmen finstere Nordmannen in das Land, was die unterschiedlichen Ausrichtungen der beiden Kampagnen begründet. Die Guten bauen auf, um das Land zu verteidigen, die Bösen plündern zuerst alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist. Und danach kommen sie wieder, um auch noch die Bäume zu holen.

Bisschen wenig Leben in der Bude.

Es ist auf den ersten Blick schon alles unglaublich vertraut. Baut ein Haupthaus, danach eine Kaserne und Wohngebäude. Schickt Leute in die Minen und die Wälder, um Rohstoffe zu holen, baut die Armee auf, zieht Wälle und Mauern, um nicht ständig von der KI belästigt zu werden. Ja, kennt man alles und auch ziemlich genau in dieser Form. Trotzdem, und obwohl ich noch nicht an die Maus durfte - vor allem, weil die gezeigte Alpha sich selbst in Entwicklerhand noch ausgesprochen zickig gab -, das lud sofort zum Spielen ein. Vertraute Mechaniken haben mitunter diesen Effekt.

Selbst wenn hier technisch keine Welten versetzt werden, ein Teil des einladenden Eindrucks kommt sicher von dem Look der saftigen grünen Wiesen und Wälder Englands, die geradezu danach schreien, mit Burgwällen verfeinert zu werden. Diese lassen sich in augenscheinlich sehr komfortabler Weise ziehen, ohne selbst ständig auf topografische Details achten zu müssen. Die Mauern passen sich genau den Hügeln an und in die Türme und Tore ein. Bei den Türmen müsst ihr nur aufpassen, dass ihr sie richtig herum stellt. Sie haben ein Tor und wer nicht aufpasst, richtet dieses wie als Willkommensgruß nach außen. Ein Angebot, das kein Gegner ausschlägt. Noch ein paar Geschütze auf die Zinnen und schon steht das erste Dorf.

Was das Ressourcenmanagement angeht, bieten ausgerechnet die Bauern die einzige spannende Idee jenseits des Standards. Statt Soldaten in einer Kaserne zu „produzieren", habt ihr eine durch die Größe eurer Siedlung definierte Zahl an Bauern, die erst einmal Bauern sind und tun, was Bauern halt so tun. Jetzt müsst ihr entscheiden, wie viele davon anderen Aufgaben zugewiesen werden, um bestimmte Ressourcen zu erwirtschaften, Gebäude fertigzustellen oder eben als Soldaten herhalten müssen. Die Auserwählten streben dann zu ihren neuen Arbeitsstätten. Solltet ihr jedoch irgendwann genug Steine haben oder sollten für ein Weilchen Friedenszeiten hereinbrechen, könnt ihr jederzeit wieder die Schwerter zu Pflugscharen werden lassen und die Leutchen neu verteilen. Hinterfragt bloß nicht die Logik, nach der ein Ackerbesteller innerhalb kürzester Zeit erst zum Minenarbeiter, dann zum Zimmermann und schließlich zum Bogenschützen wird. Aber als strategisches Ressourcenelement machte es einen guten Eindruck.

Mauern lassen sich elegant wie Gartenzäune in der Landschaft verlegen.

Wo es viele Burgen gibt, muss natürlich auch entsprechendes Belagerungsmaterial bereitstehen. Belagerungstürme, Ballisten und Trebuchets sorgen auf dem Schlachtfeld am schnellsten für den Blickfang eines einstürzenden Walls, die Schlachten werden jedoch meist mit dem Fußvolk gewonnen und verloren, das ihr in Citadels zu Hunderten in die geschlagenen Breschen schicken könnt. Das Spiel möchte große Schlachten bieten, aber es wirkte auch alles noch ein wenig konventionell. Die Performance des Builds war halt noch nicht so auf der Höhe, aber das Potenzial ist zumindest da.

Das Papier-Schere-Stein-Prinzip von Fußtruppenarten, Bogenschützen und berittenen Einheiten wurde schon oft ausgelotet, auch am Verhältnis von Leiterträgern im Graben zu Steineschmeißern auf den Zinnen hat sich nicht geändert. Nichtsdestotrotz machte der Ablauf der Schlacht einen sowohl unterhaltsamen wie auch kompetenten Eindruck, wenn zig Truppen an den Wällen aufeinandertrafen. Zur Bereicherung dessen könnt ihr dann je nach Seite auch noch Helden wie Gawain, Lancelot oder Mordred rekrutieren, die besondere Kampffertigkeiten haben. Welche war noch nicht so klar, aber es werden keine MMO-artigen Attacken mit Cooldown-Zeit sein, sondern wohl eher Einflüsse auf eure Truppen.

Die gezeigten Schlachten waren deutlich größer als auf diesen leider nicht ganz aktuellen Bildern.

So viel Lebendigkeit ist sonst leider nicht zu spüren. Die Betonung von Citadels scheint klar auf diesen Schlachten zu legen, denn während der Aufbauphase wirkte das Spiel kalt und leer. Es findet einfach kein wuseliges Leben in der mittelalterlichen Anlage statt. Zierde ist für das Spielgefühl in diesem Falle leider wichtig und hier ließ die Atmosphäre noch deutlich zu wünschen übrig. Ideen für abwechslungsreiche Missionen scheinen vorhanden zu sein. So gibt es etwa Einsätze mit begrenzten Truppen, wechselnden Tag- und Nachtzyklen mit nicht näher genannten Auswirkungen und sogar wohl eine Mission, in der die Gezeiten eine Rolle spielen, als man eine Burg am Wasser attackiert.

Bei Citadels hängt jetzt alles von der Finalisierung des Spiels ab. Das Grundgerüst steht und macht einen absolut soliden Eindruck, die Mechaniken sind bekannt, aber eben auch erprobt und beliebt. Wenn es Games Destillery gelingt, diese Grundlage mit spannenden Missionen in seinen beiden Kampagnen zu verknüpfen, dann hat Citadels wirklich gute Chancen, ein würdiger Vertreter seiner sehr konservativ agierenden Zunft zu werden. Aufbauen und Abreißen ist schließlich eines der ältesten Menschheitsvergnügen und wurde uns schon im Buddelkasten nahegelegt. Dafür, dass Citadels praktisch aus dem Nichts auftauchte, machte es einen guten Eindruck. Dafür, dass es schon in sehr kurzer Zeit erscheinen soll, einen nicht ganz so Fertigen, wie es machen sollte. Ich bin sehr gespannt, wie es dann im Spätsommer aussehen wird.

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