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Die dunkle Seite von Astro Bot

Hello Goodbye

SPOILER für einige Charaktere, die in Astro Bot versteckt sind

Ich denke, wir müssen nicht mehr großartig darüber reden, dass Astro Bot eines der besten Spiele des Jahres ist. Etwas derart randvoll mit Liebe zum Spielen im Allgemeinen und insbesondere den Serien und Helden der PlayStation Vollgestopftes habe ich noch nie gesehen. Noch dazu ist es wahnsinnig lustig. Einfach ein Gute-Laune-Spiel, wie es uns nur alle Jubeljahre mal beehrt. Grandios und kostbar, wie ihr auch im Astro Bot Test nachlesen könnt

Während ich seit dem Test munter weiter die letzten noch verlorenen Astro Bots einsammele, kriecht zunehmend aber auch immer wieder eine gewisse Wehmut durch die Fugen meiner Freude über die vielen Wiedersehen mit den geliebten Figuren von einst. Ich hatte schon früher im Spiel Anflüge davon, tat sie aber mit dem diffusen “Hach, damals” ab, das Männer meines Alters zwei, drei Mal die Woche die Knie weich werden lässt. Nachdem ich aber dem Djinny im Wiederholungskampf das zweite Mal den Turban eingedellt hatte, sprang mir jemand vor die Kamera, der mir klarmachte, was für ein Gefühl das eigentlich war.

Hallo und ade, Traumwandler

Wer da aus der Touchpad-Klappe meines Dual Sense herauswinkte, das war Alundra, titelspendender Held des wohl besten Zelda Klons, der mir jemals untergekommen war. Und mit einem Mal wusste ich, dass mich viele dieser Begegnungen mit den PlayStation-Helden meiner Jugend nicht nur selig-froh gemacht hatten, sondern unterschwellig auch ein bisschen traurig. So schön und respektvoll das begnadete Team Asobi das hier macht, weht für jemanden wie mich dann auch immer ein Hauch von Friedhof durch das Wohnzimmer.

Wird mal wieder Zeit, Alundra durchzuspielen.

Mich hat das tatsächlich emotional wie gedanklich schwer beschäftigt, während ich all die anderen herzigen Astro-Hommagen, die ich bisher gesehen hatte, Revue passieren ließ. Gleich mehrere WipEout-Gleiter hatte ich entdeckt, jeder eine neue Prise Salz in eine viel zu lange nicht verheilte Wunde. Auch Killzone nickt einem mehrfach entgegen, wie als Bitte um eine neue Chance, endlich den brillanten Shooter freizulegen, der in der Marke immer drinsteckte. Ape Escape hatte sogar einen kompletten eigenen Level im Spiel, wie zum Beiweis, dass das eine wahnsinnig coole Serie war.

Und das war längst nicht alles, was sich aus dem Tal der Toten für einen echten neuen Auftritt empfahl. So gibt es zum Beispiel Parappa als Kostüm zum Tragen, das ich – offensichtlich aus gutem Grund – nie wieder abgelegt habe. Das Everybody’s Golf-Figürchen, über das ich stolperte, rief mir ins Gedächtnis, dass Golf auch Spaß machen konnte und der Hauptcharakter von Dark Chronicle 2 erinnerte mich daran, dass Level 5 mal auf dem Weg zu einem ganz großen Action-RPG-Studio war.

Vib Ribbon mal wiederzusehen, kapultierte mich in die wilde Frühzeit der PlayStation-Ära, als man Musik plötzlich sehen konnte. Forbidden Siren war eine faszinierende Horror-Sackgasse, durch die man heute vielleicht durchbrechen könnte, wenn man nur Willens wäre, es zu versuchen. Kurushi suchte als einer der einfallsreicheren Puzzler der späten 90er beflissen nach einem interessanten Twist, das klassische Blöckchenspiel auch im 3D-Zeitalter noch am Leben zu erhalten, während Loco Roco, Flower und dergleichen an eine Zeit erinnerten, in der Sony noch größere Lust hatte, wilde Experimente in den Vordergrund zu rücken.

Astro Bots in doppelter Hinsicht verlorene Freunde

Bei Crash, Jak und Daxter oder – Gott bewahre – Days Gones Deacon St. John bekam ich persönlich zwar weniger rote Wangen, aber ich weiß, dass es viele Spielende gibt, die diesen Figuren und ihren Universen schon länger nachtrauern. Viele dieser Serien und Figuren – von Third-Party-Marken wie Ridge Racer oder Legacy of Kain ganz zu schweigen – würde wohl nicht nur ich gerne noch einmal auf einer neuen Konsole sehen. Mit all dem Aufwand, von dem die Fans wissen, dass diese Helden ihn verdienen. Stattdessen ist der zuckersüße Wink dieser perfekt verkleideten Astro Bots in vielen Fällen vermutlich weniger ein "Hallo, da bin ich wieder" als ein endgültiger Gruß zum Abschied. Das macht mich betreten.

Ich liebe Astro dafür, wie er der Vergangenheit die größte Party des Jahres schmeißt. Aber der kleine Roboter zeigt mir auch, dass Erinnerung allein irgendwann nicht mehr ausreichen wird, den Geist all dieser besonderen Spiele am Leben zu erhalten. Sie haben eine Chance auf Rettung verdient. Astro und Team Asobi wissen das, sonst wäre nicht exakt das der zentrale Inhalt dieses beneidenswert guten Spiels.

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