Die größten Enttäuschungen dieser Generation - Alex
Vertikale Querschnitte, alte Säcke und 'Liebling, ich habe die Kosten gesprengt'.
Die größten Enttäuschungen dieser Generation - Alex
Endlich wieder Listenzeit. Aber in diesem Jahr ist etwas anders, diesmal heißt es, ganz tief in sich zu gehen und den Ballast von ganz unten auszubuddeln, denn die neuen Konsolen sind im Anmarsch. Für mich ist es die erste Generation, die ich Vollzeit in dieser Branche arbeitend miterlebte, weshalb mein Blick zurück vermutlich nicht ganz so rosig ausfällt, wie auf die Ära PS2 oder davor. Entweder das, oder diese Generation hinterlässt trotz ungezählter neuer Lieblingsspiele erstmals einen faden Beigeschmack wegen der Dinge, die sie sonst so mit sich brachte. Ein paar davon findet ihr in dieser Aufzählung.
Aliens: Colonial Marines
Mal ernsthaft: Wie schwer kann es sein, mit der Lizenz einen Shooter zu bauen, der sich zugleich befriedigend anfühlt und doch die Bedrohlichkeit dieser ikonischen Monster einfängt? Gearbox und sein auserkorenes Partnerstudio, dessen Namen nachzuschauen ich gerade zu faul bin, reichten das Projekt so lange hin und her, bis eine sinnentleerte Schießbude dabei herauskam, die sich das Prädikat "funktional" nur mit Mühe und Not sichern konnte. Schlimmer als die bemitleidenswerte Qualität des Ganzen war am Ende jedoch der empfundene Betrug an der Community. Denn bei im Vorfeld gezeigten "Vertical-Slice"-Präsentationen - angebliche Querschnitte vom fertigen Spiel - sah der Titel phänomenal aus. Selbstverständlich war davon im Spiel nicht nur nichts mehr übrig, es schien nie Teil davon gewesen zu sein.
Also, wie schwer kann es sein? Nun, offensichtlich ziemlich schwer. Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber auch Creative Assemblys Alien: Isolation ist nicht allzu vertrauenserweckend. Zwar macht das Studio immerhin eine Sache richtig, indem es dem Spieler nur ein einzelnes Alien als zentrale Bedrohung hinterherscheucht. Das Drumherum klingt aber schon wieder nach einem Standard-Shooter, wenn von "Klonen und Soldaten" die Rede ist, gegen die man sonst noch kämpft. Leute, spielt Outlast und Amnesia: Nicht jedes Horrorspiel muss zugleich auch ein Shooter sein! Dass man den Titel unbedingt aus Sicht von Ellen Ripleys Tochter inszenieren will, ist unterdessen die Sorte Krieg-der-Sterne-Kanonisierung, die schon die Prequels nachhaltig versaute. Pfui. Aber vielleicht ist das auch nur meine Abscheu Aliens: Colonial Marines gegenüber, die hier nachhallt. Das Spiel ist ein Stinker sondergleichen, der Tausende von Fans vollauf bewusst hinters Licht führte.
Das erste Assassin's Creed
Man musste sich Assassin's Creed nicht schöntrinken, um davon schlichtweg überwältigt zu sein. In den ersten drei Stunden schienen vor den eigenen Augen noch die schönsten Pre-Release-Trailer lebendig zu werden. Eine Welt voller Leben, Animationen zum dahinschmelzen und grenzenlose Freiheit. Bis man merkte, dass es eigentlich doch nichts zu entdecken gab, und das finstere Mittelalter von nichts als seelenlosen Automaten bevölkert war. All die Freiheit relativierte sich mit einem Schlag, als man merkte, dass auf das, was man die ersten drei Missionen tat, nichts Neues mehr folgen sollte. Wer 2007 dabei war, wird sich an diesen Augenblick der Erkenntnis mit einiger Wahrscheinlichkeit als einen der ernüchterndsten Momente seiner Spielerlaufbahn erinnern. So wurde Assassin's Creed 1 für mich zu dem Spiel, das das Prinzip Open World im Alleingang entzauberte und als Ansammlung von Missionsmarkern und starren, nebeneinander vor sich hinwerkelnden Systemen entlarvte.
Man musste sich Assassin's Creed nicht schöntrinken, um davon schlichtweg überwältigt zu sein.
Auch wenn wir ihm eine der interessanteren Spielereihen dieser Generation zu verdanken haben, war das Debüt der Reihe letzten Endes doch der Inbegriff eines Grafikblenders. Aber halb so wild, denn das war zu dem Zeitpunkt ein Wort, das so langsam auch mal wieder einen neuen Posterboy brauchte, Rise of the Robots kennt nämlich heutzutage keiner mehr.
Tomb Raider 2013
Machen wir es kurz: An und für sich genommen ist das Reboot der neben Mario wohl größten Spiele-Ikone ein wirklich guter Titel. Aber es ist wohl nichts für mich. Als jemand, der das erste Tomb Raider für eines der wichtigsten Spiele aller Zeiten hält, kann ich mich mit Crystal Dynamics neuer Richtung für die Marke aber einfach nicht anfreunden. Die Versuche einer Charakterzeichnung stehen inhaltlich im krassen Kontrast zu den blutigen Headshots und den von Steigeisen geknackten Schädeln und allgemein ist das Team über das Ziel, Lara endlich brauchbare Shooter-Mechaniken zu schenken, deutlich hinausgeschossen.
Bei allen unbestreitbaren Qualitäten wünsche ich mir doch ein Reboot der Marke.
Das Resultat ist ein durchaus aufregendes Spiel ohne Atempause, das Original aber war eine einzige Atempause und musste deshalb gar kein guter Shooter sein. Es war Eskapismus in der reinsten Form. Ein Innehalten, Bangen, Staunen, Entdecken. Tomb Raider 2013 denkt, es verstünde die Bedeutung dieser Begriffe. Nur um mir regelmäßig Exp-Einblendungen und Skilltrees unter die Nase zu reiben, die mich für Erkundung belohnen sollen. Deshalb bin ich nicht hier. Bei allen unbestreitbaren Qualitäten wünsche ich mir daher ein erneutes Reboot.
The Last Guardian
Seit dem ersten Trailer ist die halbe Spielewelt The Last Guardian verfallen. Heute nimmt diese Zuneigung aber ungesunde Züge an, denn diese Liebe bleibt bis auf weiteres ohne Erwiderung. Die Verantwortlichen können noch so lange Stein und Bein darauf schwören, der Titel sei weiterhin bei Team Ico in der Entwicklung: Jede neue verpasste E3 oder Tokyo Game Show, jede Änderung in der Designetage bricht mir aufs Neue das Herz.
Dieses Spiel rollt Ghibli-Magie, The Iron Giant und Ico zu einem bittersüßen Paket zusammen.
Und wie könnte man sich dagegen auch wehren, nach den bewegten und bewegenden Bildern, die erstmals 2009 an die Öffentlichkeit drangen? Geschichten über unzertrennliche Freundschaften mit monströs-mächtigen Wesen sind der Stoff, aus dem Kindheitsträume gestrickt sind. Und dieser hier rollt Ghibli-Magie, The Iron Giant und Ico zu einem bittersüßen Paket zusammen. Nur ob er irgendwann auch wahr wird, das wage ich mittlerweile zu bezweifeln.
Metal Gear Solid 4
Es reichte in Sachen Einfallsreichtum und Set-Pieces zwar nicht an seine Vorgänger heran, zum Erscheinen 2008 war MGS 4 aber trotzdem in vielerlei Hinsicht ein beeindruckendes Spiel. Im Nachhinein habe ich ihm aber nie verziehen, dass ihm der Mumm fehlte, die Reihe und seinen Hauptdarsteller einem befriedigenden Ende zuzuführen. Dabei imponiert es beinahe, wie viele Großchancen Kojima in seinem Endmarathon auslässt, genau das zu tun. Stattdessen zieht sich die Auflösung ewig hin, bis man sogar noch einer lächerlich herbeikonstruierten Hochzeit beiwohnt, als wäre man 'Unter uns im Marienhof'. Im direkten Vergleich mit MGS 3, das so perfekt endete, wie ein Spiel nur ausgehen konnte, wirkt der wirre Plot in seinem Bemühen, alle Handlungsfäden miteinander zu verknüpfen, in der Nachbetrachtung fast wie Fan-Fiction.
Das bestärkt mich in meiner Theorie, dass jedes ungerade nummerierte MGS eine gute, kohärente Geschichte erzählt, während Kojima bei den geraden Zahlen so richtig die Sau rauslässt.
Aber vielleicht passt es auch nur ins Konzept: Schon der zweite Teil war wie aus einem Fieber entsprungen, das jemand mit einer Flasche Absinth zu lindern gedachte. Das wiederum bestärkt mich in meiner Theorie, dass jedes ungerade nummerierte Metal Gear Solid eine gute, kohärente Geschichte erzählt, während Kojima bei den geraden Zahlen so richtig die Sau rauslässt. Bei MGS 4 hat es für mich nicht gezündet, aber Teil fünf ist ja direkt um die Ecke.
Perfect Dark Zero und Rares Niedergang
Mit Kameo und Perfect Dark Zero lieferte die einstige Nintendo-Edelschmiede Rare gleich zwei Launchtitel für die Xbox 360 ab und während Kameo durchaus okay war, schockierte doch ein wenig, was von Joanna Dark übrig blieb. Ein trister, klobig zu steuernder und unattraktiver Shooter, der mit dem genialen Vorgänger nichts als den Namen gemein hatte. Ich würde gerne noch länger darüber herziehen, aber ich hab das Spiel schon wieder vergessen, während ich im HD-Remake des Originals noch heute den Chicago Level in allen drei Schwierigkeitsstufen auswendig spielen kann.
Ich würde gerne noch länger darüber herziehen, aber ich habe das Spiel schon wieder vergessen.
Als hätten sie es schon bei der Taufe geahnt, war das Spiel eine also eine echte Nullnummer und deutete nach den endlosen Verschiebungen Kameos ein weiteres Mal an, das irgendwas im Hause Rare nicht mehr stimmte. Bei Viva Pinata kam er dann noch einmal durch, der unvergleichliche Charme der Briten. Aber das Spiel war nicht der erhoffte Hit, woraufhin das Studio mit dem Design der System-Avatare beauftragt wurde, was irgendwo entlang des Weges wohl den letzten Willen brach, irgendwann mal wieder große und wichtige Spiele auf die Beine zu stellen. Nicht einmal ihr eigenes Killer Instinct durften sie neu auflegen. Deshalb ist vermutlich jedes weitere Wort zu viel. Behalten wir Rare als das Studio in Erinnerung, dem wir Banjo Kazooie, das beste Bond-Spiel und ein phänomenal gutes Perfect Dark zu verdanken haben.
Untote Konsolen
Seit gefühlten zweieinhalb Jahren liegen PS3 und Xbox 360 schon in den letzten Zügen und es war langsam nicht mehr schön mitanzusehen. Wie bei einem alten, lahmenden Hund, mit dem man viele schöne und herzerwärmende Momente verbindet und den sein Herrchen einfach nicht loslassen will, klammerten sich Sony und Microsoft an ihre Geräte. Ich unterdessen wollte die alten Kläffer nur noch an die Leine nehmen und hinter der Scheune erlösen. Ich war nie ein PC-Fan, startete mit dem Atari 2600, wechselte zum Amiga 1200, zur PlayStation und später Xbox. Ich liebte sie immer, die unkomplizierten Geräte mit Plug-and-Play-Charakter. Und doch ist seit fast zwei Jahren mein Rechner das Spielgerät meiner Wahl. Ich fühle mich auch super damit, obwohl ich Sony und Microsoft nie verzeihen werde, dass sie mich mit ihrer 10-Jahre-Lebenszyklus-Doktrin (mal schauen was daraus jetzt wird) von sich weggestoßen haben. In der nächsten Generation muss einiges passieren, damit ich ins Konsolen-Lager zurückkehre. Die ambitionierte Integration von PS4 und Vita ist schon ein reizvoller Schritt. Aber wenn auch diese Runde wieder acht Jahre dauert …
Explodierende Entwicklungskosten und Fokusgruppen getriebenes Entwickeln
In der festen Annahme, das AA-Segment sei tot, versuchten viele Hersteller, ihre Games mit gewaltigen Marketingbudgets um ein drittes A aufzublasen. Auf einmal war jedes Spiel als Trilogie ausgelegt, alles wurde zum Franchise. Auch das wiederum passiert nicht von allein, weshalb man einfach mehr Leute auf bestimmte Probleme warf, was natürlich nicht komplett kostenlos verläuft. Es ist ein Kreuz, das sich einige ein bisschen zu bereitwillig aufgeladen haben, nur um sich tödlich zu verheben (THQ). Verpulvertes Budget und schließlich bröselnde Unternehmen sind nicht einmal die tragischsten Opfer dieser Entwicklung. Es sind die Spiele, die auf Nummer sicher gehend viel zu oft auf Fokusgruppen schielen mussten und sich dabei eine Uniformität zu eigen machten, die abzustreifen Jahre dauern wird. Zum Glück stießen die Indies in die Lücke die das Sterben der kleinen und mittleren Entwickler gelassen haben, womit zumindest dieser Prozess schon in vollem Gange ist.
Es ist ein Kreuz, das sich einige ein bisschen zu bereitwillig aufgeladen haben, nur um sich tödlich zu verheben.
Wenn das zur Folge hat, dass gewisse Spiele in einer Weile mit dreieinhalb Millionen verkauften Einheiten nicht mehr als ganz so schwerwiegender Misserfolg gewertet werden, dann haben wir uns wieder gesundgeschrumpft. Bis dahin nehmen sich die Großen bitte ein Beispiel an Titeln, die nicht weniger episch, ambitioniert oder vollwertig sind, Games Dark Souls, State of Decay oder Payday 2.
Das Ende von Bizarre Creations
Im Laufe dieser Generation haben wir viele Entwickler kommen und gehen sehen. Doch kein Abgang schmerzte mich persönlich so sehr wie das Ende von Bizarre Creations. Das Project-Gotham-Racing-Team definierte auf Microsofts erster Konsole lange Zeit die Natur von Xbox LIVE und lieferte im letzten Jahr seines Bestehens mit Blur den vielleicht besten Racer dieses Konsolenzyklus, nur um danach den Löffel abzugeben. Unverdient und doch nicht ganz unvorhergesehen, rollte das Spiel zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf einen Markt, der nicht wusste, was da auf ihn zukam. Drei Jahre ist es her und ich vermisse diese Jungs und Mädels immer noch.
Ein großes Stück vom CoD-Kuchen, bitte!
Call of Duty ist ganz bestimmt nicht ohne Grund, wo es gerade ist: An der Spitze dieser Branche aus schaut der kleinste gemeinsame Nenner einer ganzen Popkultursparte auf den Rest herab und lacht sich ins Fäustchen. Nicht über die GTAs, die FIFAs oder gar die florierenden Indies, sondern auf diejenigen, die gerne ein Stück vom CoD-Kuchen abhätten. Das zieht sich über zwei lust- und erfolglose Medal of Honors hinweg und trifft dann schließlich Sachen wie Homefront mit voller Wucht. Gut vier Jahre lang schien diverse Publisher nichts anderes zu interessieren, als die 'CoD-ifizierung' ihrer Veröffentlichungen. Nicht alle gehen dabei so offensichtlich vor wie die oben genannten. Andernorts erinnern schon Skilltrees, angetackerte Mehrspielermodi, ein jährlicher Veröffentlichungsturnus oder die Maxime, Spiele mehr auf 'gritty' zu trimmen, daran, dass dieser Markt seit Modern Warfare schlicht ein anderer ist.
Der Posterboy für Streamlining, Monetarisierung und Spielen als Service hat den Games dieser Generation einige wichtige Lektionen beigebracht, dabei aber die entscheidende ausgelassen: Der Weg zum Erfolg führt in letzter Konsequenz nicht über die Annäherung an die Vorlage, sondern darüber, sich in entscheidenden Bereichen von ihr abzuheben. Die Leute haben ihr CoD schon, sie brauchen nicht noch eines. Spiele wie Titanfall und Destiny haben das begriffen. Es würde mich nicht wundern, wenn eines davon Call of Duty in absehbarer Zukunft beerben würde.