Die Herren der Ringe: Warum Visual Concepts' NBA-2K seit Dreamcast-Tagen das Maß der Dinge darstellt
Eine der wenigen Konstanten im Leben.
Erwischt. Das hier ist nicht mein Test zu NBA 2K16. Der köchelt noch bis morgen auf kleiner, aber heißer Flamme vor sich hin, bis ich alles gesehen habe, was mir für ein abschließendes Urteil fehlt. Was ich bisher zumindest in der Tendenz davon halte, könnt ihr vielleicht daran ablesen, dass mich das bisher Gespielte dazu inspirierte, zwischen Kaffee vier und fünf heute einen Text darüber zu verfassen, warum die Reihe mich seit nunmehr - und ja, ich habe mich erschrocken, als ich nachschaute, wie lange schon genau - 16 Jahren ohne Unterlass jährlich gut 100 Stunden beschäftigt.
Man sagt es viel zu oft, aber ich weiß tatsächlich noch, als wäre es gestern gewesen, wie ich das erste Mal NBA 2K auf dem Dreamcast sah. Ich war selbst noch aktiver Spieler - Bezirksklasse Nord, represent! - und Basketballsimulationen wie Total NBA 96 taten ihren Teil dazu, mich vollends vom Wechsel der Branche in die dritte Dimension zu überzeugen. Aber so etwas wie NBA 2K hatte man noch nie gesehen. Es sah nicht nur auf dem Court und in Aktion viel mehr nach Basketball aus als alles bisher Dagewesene, auch in den Einspielern, Zeitlupen und dem allgemeinen Drumherum wirkte es näher an der Königsklasse des Sports, als man sich jemals wähnte.
Mein Gott, was für ein Spiel das schon damals war: klar erkennbare Spielerpersönlichkeiten, ausdefinierte Muskelpartien. Spielergerede auf einem Court, der die Flutlichter spiegelte, wie man es aus dem Fernsehen kannte, echtes Parkett, das mit unfassbaren 60FPS über den Bildschirm huschte. Und die Korbnetze erst! Das Publikum, das beim Freiwurf ausrastet! Natürlich, nach heutigen Gesichtspunkten wirkt der Spielablauf wenig simulationsartig, viel zu schnell und ohne echte Trägheit flitzen Kobe und Co. über die gewienerten Dielen. Damals jedoch war dieser Titel neben Power Stone, Soul Calibur und später Shenmue einer der ersten, den ich einlegte, um Unwissenden die Vorzüge der in meinen Kreisen beinahe religiös verehrten Dreamcast zu predigen. In diesem Spiel machte die Technik tatsächlich in jeder Hinsicht den Unterschied, weil auch unter der Haube so viele neue Dinge passierten.
Visual Concepts' Nähe zu SEGA half definitiv, das Maximum aus der Dreamcast rauszuholen. Aber es ist wohl ihre Lage in Novato, Kalifornien, nur einen Steinwurf von den Golden State Warriors und keine zwei Stunden vom Staples Center entfernt, die ihnen bis heute ermöglicht, wie keine andere Simulation den Sport abzubilden, den sie sich zum Vorbild nahmen. Nirgends sonst hat man das Gefühl, die Realität würde derart umfassend und in all ihren Facetten abgebildet. Hier steckt wirklich alles drin, was die beste Basketball-Liga der Welt ausmacht: All der Product-Placement-Quatsch, der Marken-Sneaker-Kult, die Gatorade-Endorsements, aber auch wunderbar farbenfroher Kommentar ebenso entspannt wie klug daherplaudernder Fachleute, der Trashtalk auf dem Court, all die endlosen Statistiken. Die Kabinenansprachen, Maskottchen, Wischpersonal, Kameraleute unter dem Korb, Blitzlichtgewitter.
"In jeder Kameraeinstellung, in jeder Wiederholung, steckt eine TV-reife Qualität."
In jeder Kameraeinstellung, in jeder Wiederholung, steckte eine TV-reife Qualität, die schon vor den Jahren, in denen die Reihe kurz ESPN NBA und ESPN NBA 2K5 hieß, Bestand hatte und sich hinterher dem "Real Thing" nur noch mehr annäherte. Das Spiel selbst war schon früh auf dem Platz ziemlich ausgereift und auf allen Positionen bewundernswert gleichmäßig balanciert. Doch von Jahr zu Jahr steigerte es sich in Sachen künstlicher Intelligenz und der spielerischen Flexibilität, die durch kleine, aber feine neue Animationen und (ein bisschen zu oft wechselnde) Steuerungsoptionen möglich wurden. Von Anfang an begriff Visual Concepts außerdem den Personenkult, der dem Sport innewohnt, und verstand es, mit jeder neuen Ausgabe mehr Spielern ihre individuellen Bewegungsabläufe zu verpassen.
Mittlerweile fühlen sich keine zwei Shooting Guards ähnlicher Größe gleich an. Und wo die Individualisierung in früheren Versionen noch nicht so sehr fortgeschritten war, sorgten ausgefuchste Werteaufdröselungen und Spielergattung-Einordnungen dafür, dass auch unbekanntere Akteure ihrem Spielstil gerecht vertreten waren. Das erste NBA 2K ist jetzt einen Zivildienst, eine Berufsausbildung, ein (kurzes) Studium, zwölf Jahre Berufserfahrung, fünf Umzüge, drei Freundinnen, eine Welpenadoption und eine Hochzeit her - diese Serie jedoch war die ganze Zeit über eine Konstante in meinem Leben. NBA 2K wurde mit mir zusammen erwachsen und so im Rückblick auf 17 Spiele ist das irgendwo eine schöne Chronik, die sich da in Jerseys, Shorts und hochgezogenen Socken neben meiner privaten Vita aufreiht.
Natürlich, es liegt in der Natur der Sache, dass man rückblickend nicht jedes Jahres-Update gleich liebgewann. Der Jordan-Modus von 2K11 und die nachspielbaren Klassiker von 2K12 sind bis heute unerreichte Spielvarianten-Einfälle, die mit wechselnden Lizenzverhältnissen leider wieder weichen mussten. Regelmäßige Begleiter dieser Reihe sind ebenso Server-Probleme und, seit der letzten Generation, mal mehr, mal weniger übertriebene Mikrotransaktionen. Aber wie das so ist mit einer lang gehegten Liebe: Manche Dinge nimmt man eben, wie sie sind, und akzeptiert sie auch mit verknacksten Fingern, blauen Flecken auf den Rippen und Souvenir-Fußpilz aus der Mannschaftsdusche.
Ich habe bei Pro Evo und in den Jahren, als ich in FIFA reingeschnuppert hatte, immer gemerkt, hier waren Verehrer des Sports am Werk, Fachleute großen Könnens und Sachverstandes. Bei NBA 2K habe ich das Gefühl, echte Basketballer hätten es programmiert. Man kann es niemandem verdenken, der diese Sorte alle zwölf Monate erscheinendes Sportspiel nur bei jedem zweiten oder dritten Mal kauft, das es herauskommt. Jährliche Updates sind vielleicht nicht die gesündeste Dosis für Normalspieler, sondern eher etwas für gescheiterte Real-Ballschmeißer wie mich. Und doch wäre NBA 2K, da bin ich sicher, bei anderer Erscheinungsweise heute nicht das, was es ist: so sicher wie das Amen in der Kirche, aber trotzdem alles andere als selbstverständlich. In diesem Sinne: auf die nächsten 16, Visual Concepts!