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Nicht mal für einen Euro: XBLA-Indie-Abgründe

"Here be Boobies"? Von wegen! Houchi Play, Dream Divers, Pajamorama und Lolita of Labyrinth auf der Suche nach sehr verzweifelten Männern.

Erst einmal ein paar Worte, wie man überhaupt bis zu dem Kram vorstößt, über den ihr hier lesen werdet: Schaut nach, was das Remake von Resident Evil 4 auf der Xbox 360 kostet. Dann entscheidet, dass ihr grad nicht in der Stimmung seid, das Pfund lockerzumachen und schweift ab auf den Reiter, der "Ähnliches" zeigt. Eins sehr seltsames Wort in diesem Zusammenhang, bedenkt man, dass das wirklich "Ähnlichste" noch das Remake von Crysis darstellt. Immerhin passt da der Remake-Teil. Der Rest führte zu einer Odyssee in japanische oder zumindest fernöstlich angehauchte Abgründe. In jeder Hinsicht.

The Houchi Play

XBLA-Indie, Entwickler: Kohei Gallery, 80 Punkte

Man kann nicht über The Houchi Play sprechen, ohne die Hintergrundgeschichte zu erwähnen. Ihr schlüpft in die Rolle eines 53 Jahre alten IT-Geschäftsmannes, verheiratet, drei Kinder. Seine wahre sexuelle Neigung ist es aber, von Cosplay-Schulmädchen beleidigt zu werden. Also besucht er nun die Bars der Stadt, um nah genug an Mädels in Badeanzügen, Schulmädchenoutfits oder Kellnerinnen-Schürzen - bin mir nicht sicher wie viel davon Cosplay und wie viel allgemeine sexuelle Fantasie darstellt - heranzupirschen und von Angesicht zu Angesicht so richtig beleidigt zu werden. Oder auch mehr, immerhin steigt ein "Liebes-Meter" bei jedem erfolgreichen Versuch in die Höhe. Ich ging zunächst fest davon aus, dass dies der Auftakt zu einem Psychothriller sein würde. Er zersägt die Mädchen wahrscheinlich und Hannibal Lecter muss Edward Norton helfen, diesen IT-Psycho zu stellen. Der Film schreibt sich fast von allein.

Aber davon wird nichts gezeigt und natürlich gibt es auch keine echten Nacktszenen. Die meiste MMO-Werbung hat mehr schlecht gezeichnete Haut zu bieten und jedes Flash-Game hat eine höhere Langzeit-Motivation. Der IT-Psycho sitzt links, das Mädel rechts. Sie steht immer wieder auf, um von dem Irren wegzugucken und ihr nutzt die Chance, um die beiden Trigger abwechselnd zu drücken und auf der seltsam langen Sitzbank näher heranzurutschen. Kommt ihr auf dem Weg dahin zu einer Alkohol-Flasche, gibt es ein Quick-Time-Spielchen, das euch einen Speed-Boost gibt. Seid ihr am Ende bei dem Mädel angekommen, bin ich nicht sicher, was auf der Metaebene zwischen den beiden passiert, aber lange kann es nicht dauern, denn ihr sitzt sofort für Runde zwei wieder am langen Ende und alles geht von vorn los. Nach fünf Durchgängen habt ihr eine Runde geschafft. Irgendwann nach vielen Runden gibt es ein paar Bilder in einer Galerie. Vergeudet ihr genug Zeit auf den hohen Leveln, dürft ihr "die Brüste in der Galerie arrangieren". Oh Gott, er zersägt sie wirklich ...

The Houchi Play: Das ist das ganze Spiel auf einen Blick: Rutscht von links nach rechts ohne gesehen zu werden, um zum Schluss eine Ohrfeige abzufangen. Falls ich mal einen außergewöhnlichen Fetisch brauche, ist Japan auf jeden Fall mein Go-to-Guy.

So lange habe ich beim besten Willen nicht durchgehalten. Drei Mal fünf Runden, dann näherte sich das Wachkoma schnellen Schrittes. Die schiere Existenz einer gleichzeitig so zeitaufwendigen wie unbefriedigenden Ausnutzung der Schlüsselreize, auf die Männer ansprechen, verunsicherte mich für kurze Zeit. Bis ich im Internet nachschaute und feststellte, dass all der Porn immer noch da ist. Damit gibt es dann jedoch keine Erklärung, warum irgendjemand dieses Machwerk länger als eine neugierige Sekunde erträgt. Außer natürlich es gibt wirklich einen Fetisch, der nur von IT-Psycho-Cosplay-Softcore-Porn-Minigames befriedigt werden kann. Und wenn das so ist, will ich nichts weiter davon wissen. Für jeden anderen Spieler ist das hier nicht mal den einen Euro wert. Nicht mal betrunken mit Freunden zum drüber lustig machen. Selbst dafür ist The Houchi Play schlicht viel zu langweilig. Und das erstaunt angesichts der Story schon ein wenig.



Dream Divers

XBLA-Indie, Entwickler: Team Shuriken, 80 Punkte

Der Grad der Anzüglichkeit und des kompletten Wahnsinns im Story-Hintergrund geht bei diesem Game drastisch nach unten. Anime-Mädchen in Bikinis sind nichts wirklich Außergewöhnliches und auf diesem Level bleibt es hier. Lediglich das Bild, wenn euch der Kraken erwischt, kann als zarte Andeutung in eine ganz spezielle japanische Porno-Spezialisierung gedeutet werden. Bleibt aber natürlich hier auch jugendfrei. Und ich hab definitiv zu viel Schrott in meinem Leben gesehen. Eigentlich ein ganz harmloses Bild mit einem irgendwie lüsternen Tintenfisch und einem nicht sonderlich geschockten Bikini-Mädchen. Ein perverser Schelm, wer Böses dabei denkt ...

Dream Divers: Nicht schön, schon gar nicht sexy, aber wenigstens spielbar.

Spielerisch liegen ebenfalls Welten zwischen Dream Divers und The Houchi Play. Der Hauptunterschied dürfte sein, dass das hier Spaß macht. Jeder der fünf Level ist ein Unterwasserlabyrinth mit fünf versteckten Sternen. Euch geht schnell die Luft aus, solange ihr nicht über die verteilten Luftblasen schwimmt. Nicht nur, dass ihr mit Luftblasen nicht ertrinkt, ihr schwimmt auch schneller und die weiblichen Brüste in einem kleinen Bildchen in der Ecke werden größer. Was lediglich tiefes Einatmen symbolisiert und sonst nichts mit nichts zu tun hat. Die Steuerung funktioniert, die billige Flash-Grafik hat einen gewissen Minimal-Charme und die Labyrinthe, gespickt mit zahlreichen Fallen, fordern ganz gut. Das hier ist, Überraschung, ein (sehr relativ) gutes Spielchen, mit dem man eine (halbe) Stunde verbringen kann. Und nicht gleich die eigene Psyche infrage stellen muss.



Pajamorama

XBLA-Indie, Entwickler: Dannobot Games, 80 Punkte

Oh. Mein. Gott. Was zur Hölle spiele ich hier? Spiele ich eigentlich? Ich drücke Knöpfe und das Konzept des Prügelspiels scheint eindeutig. Aber zum einen scheint weder die eine noch die andere Figur meinen Eingaben wirklich zu folgen - oder dies hier ist schlicht die schlechteste Steuerung aller Prügelspiele inklusive Strip Fighter 2 -, zum anderen ist es das, was ich sehe. Mit einer schlechten Karikatur weiblicher Formen in rosa Hauspuschen und Negligé vermöble ich mit einem Kissen eine in Grün kurzberockte Domina, bewaffnet mit einer Reitgerte. Beide leben entweder auf Schlumpfgröße ihre traurige Existenz aus oder das Bett, auf dem sie sich prügeln, hat eine Grundfläche von 40 Quadratmetern. Und all das sieht einfach so schlimm aus, dass die eigenen Augen sich am liebsten um 180 Grad umdrehen würden, um für immer den Frieden der Schwärze im eigenen Schädel zu genießen.

Es geht im Grunde darum, das Gegenüber von der Bettkante zu schubsen - ein auf jedem Level und Abstraktionsgrad vollkommen nachvollziehbares Ziel - und so einen Punkt zu bekommen. Drei Punkte - Sieger. Ich hab es nicht eine Runde ausgehalten. Dass der Indie-Markt seinen Ruf als Abladestation unsagbaren Schrotts nicht immer ganz zu Unrecht hat, sehe ich jetzt ein. Nicht mal für einen einzigen Euro, nicht mal für einen Cent werde ich auch nur eine weitere Sekunde meines Lebens mit Pajamorama vergeuden. Selbst wenn ihr die Sekunde nur nutzt, um euch am Hintern zu kratzen, war es doch eine weit wertvollere Sekunde für euer weiteres Dasein.

Pajamorama: 4 Spieler können gleichzeitig leiden. Was für eine wundervolle Möglichkeit für Freunde masochistischer Gruppenfolter.

Das hier könnte die erste 0-er-Wertung bei Eurogamer sein, aber wenn ich bedenke, dass das hier Geld kostet, ist es als abschreckende Maßnahme gerechtfertigt. Für einen Euro bekommt man so viele schöne Dinge - Snickers, Panini-Bildchen für die EM, die Dankbarkeit eines Punks, der sich dann Bubble-Tea kaufen kann (Berlin...) -, dass hier nichts mehr hilft.



Lolita of Labyrinth

XBLA-Indie, Entwickler: aorz, 240 Punkte

Ok, jetzt muss was Besonderes kommen. Immerhin sind 240 Punkte der Preis, den die ersten drei Games in dieser Sammlung der Absurditäten zusammen kosten. Und in gewisser Weise enttäuscht Lolita of Labyrinth nicht. Wo sonst kann man ein Spiel kaufen, das perfekt demonstriert, dass es in der 16-Bit-Ära nicht nur Mario und Sonic gab, sondern auch eine Shitsturmflut von ranzigen Plattformern. Das hier ist das ebenso unerwartete wie unerwünschte Remake dieses unschönen Habitus vorsintflutlicher Entwickler-Schwächen.

Miserable Sprung- und elendige Schlagmechaniken kreuzen sich geradezu unheilig mit unpräziser Kollisionsabfrage in einem Bilderbuch handgemalter 2D-Sprites, erstellt von dazu erpressten Kindergärtlern. Bevor diese jedoch dazu kamen, noch einen Hintergrund zu fertigen, schritt wohl die Ordnungsmacht ein und so bleibt es oft schwarz im Lolita-Land. Als eine ganz besondere Referenz gibt es noch einen unbedingt notwendigen Slide-Move, der nicht einfach auf einer Taste liegt, sondern so unsinnig und nicht nachvollziehbar ausgeführt wird, dass er nur ein sadistisches Andenken an die herausragenden Schandwerke der SNES-Ära sein kann.

Die falsche Art von Retro. Sieht... okayyy...?...aus, spielt sich wie alle mißratenen Steuerungen der 16-Bit-Ära zusammen.

Umfangreich ist das Ganze, aber wer braucht hier schon Umfang? Jede Minute damit ist eine zu viel und der grenzgestörte - und leider trotz Lolita-Namen und kurzer Röckchen der Protagonistin doch langweilige - Humor mit noch weniger Sex-Appeal nutzt sich schon in der kurzen Antestphase ab. Nein, sofern ihr nicht harte Sammler der schlechtesten Jump'n'Hit'n'Runs der Weltgeschichte seit, sind 240 Punkte genau so viele zu viel.



Der dreckige Bodensatz der Indie-Nische

Wie gesagt, aktiv gesucht habe ich nicht, aber unvermittelt tat sich da eine Senkgrube des Trash auf, deren Existenz an dieser Stelle ich gar nicht vermutet hätte. Schlechte Produkte mit Sex-Appeal an den Mann zu bringen ist ein alter Trick, aber dieser degenerierte Ramsch - Dream Diver zu einem gewissen Maß ausgenommen - lässt mich an der Mentalität aller Beteiligten zweifeln. Die Entwickler werden schon wissen, warum statt ihrer Namen dort Pseudonyme stehen. Ich würde auch nicht näher mit solchen Machwerken assoziiert werden wollen. Und was die Spieler angeht ... Die einzige Zielgruppe, die ich mir vorstellen kann, sind pubertierende Jungs auf der Quest nach Zeichentrick-Boobies, weil die Unterwäsche im Otto-Katalog ihren Reiz verloren hat. Solltet ihr euch in dieser Beschreibung wiederfinden, dann ...

Leute, ihr habt das Internet! Sonst hättet ihr diese Games nicht runterladen können. Wenn ihr es nötig habt, findet ihr da alles, was ihr wollt! Auch der Playboy wird meines Wissens nach noch verkauft. Holt euch nicht diesen Ramsch. Ihr bekommt nicht das, was ihr euch erhofft habt, egal ob das Zeichentrick-Boobies oder Spielspaß war. Verschwendet nicht eure Zeit damit! Ermuntert nicht die Entwickler, noch mehr davon rauszubringen! Der Ruf des XBLA-Indie-Marktes ist angeschossen genug. Ich jedenfalls traue mich da so schnell nicht wieder hin.

Obwohl, Dream Diver ist ja gar nicht so schlecht ... noch mal einen Blick wagen ...

Old Spice Presents: The Perfect Pickup Line?

Ernsthaft?

Ich gebe auf.


(Ich weiß, das war ungerecht. Ich habe im Indie-Markt auch selbst schon Highlights wie I MAED A GAM3 W1TH Z0MBIES 1N IT!!!1 und Cthulhu Saves the World gefunden, beide großartig. Wenn ihr ein paar Indies kennt, die ich mir statt der Gurken in diesem Artikel hätte angucken sollen, dann postet sie. Vielleicht gibt es dann einen Folgeartikel mit Happy-End für den Indie-Marktplatz.)

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