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Die Legende der Wächter

Schon mal ne Eule geflogen?

Ein Kinderspiel zu einem Kinderfilm zu einem Kinderbuch. RENNT! Oder bleibt. Denn auch wenn ihr vielleicht - wie ich - noch nie zuvor von den Wächtern des Baumes Ga´Hoole gehört habt, macht das nichts. So weit ich in die Geschichte dank des Allwissens von Wikipedia einstieg, hat die Handlung des Spiels hier nicht viel mit irgendwas zu tun. Außer dass es auch um eine Zivilisation geht, in der es irgendwie intelligente Eulen an die Spitze der Nahrungskette geschafft haben und in Stämmen über das Land verteilt auf Bäumen leben. Unter denen es bestimmt sehr schicklich aussieht, denn das hier sind große Eulen, die keine Kleidung tragen und nicht das Klo erfanden.

Manche Dinge muss man hinnehmen und nach dem Mädchen, das im Hasenloch verschwand, um Tee mit dem verrückten Hutmacher zu trinken, sind sich bekriegende Eulenstämme wirklich kein großes Ding mehr. Und als Spielvorbild eignen sie sich super, weil es mal kein Hüpfspielchen mit mäßiger Technik in verwildertem 3D wurde, sondern eine eigene Art von Flugsimulation mit hübscher Technik in gelungenem 3D.

In Die Legende der Wächter können die Flugviecher nicht auf Schusswaffen zurückgreifen, sondern stürzen sich fast ausschließlich in den Kampf Kralle an Kralle. Stellt euch einen Flugsimulator vor, in dem ihr immer möglichst nah an den Gegner heranmanövriert und möglichst vor ihm zur Attacke per Sturzanflug auf Knopfdruck übergeht. Damit das System handhabbar wird und ihr nicht stets verzweifelt vorbeirauscht, übernimmt die KI den exakten Anflug nach dem Knopfdruck und landet mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Treffer. Genug davon und Krähe/Riesenfledermaus/Kampfeule sinken zu Boden.

Der Ansatz ist fantastisch. Das generelle Fluggefühl passt, die Landschaften sind sehr frei, eignen sich mit Schluchten, großen Bäumen, Höhlen und Bergen zum Herumkurven und das System aus Attacke oder Verteidigung - ebenfalls auf Knopfdruck - scheint fürs Erste erstaunlich solide. Bis es dann immer wieder auseinanderfällt.

Die meisten Szenen finden bei Nacht oder in der Dämmerung statt. Eulen halt.

In vielen Missionen reicht es, den linken Schulterknopf zum automatischen Anvisieren des nächsten Ziels gedrückt zu halten und im Sekundentakt peilt ihr Ziele an und holt sie vom Himmel. Mit nur zwei Tasten ganz ohne Flugkunst. Sehr effektiv, keine Frage, nur leider nicht spannend. Und sich ständig zwingen zu müssen, nicht die Zielerfassung zu nutzen, um mehr Spannung hereinzuholen, fühlt sich irgendwie auch doof an.

Ein Wechsel des Ziels oder eine echte Auswahl ist nicht möglich, was die Bosskämpfe wiederum sehr spannend macht. Es wird alles Mögliche angepeilt, nur nicht die Riesenviecher. Und wenn doch, dann nicht so, wie ihr das wollt. Diese sind leider sehr schnell und wenn eure Eule eins nicht kann, dann sind es schnelle Wendungen. Durch die sehr ausholenden Wendekreise verliert man ohne die Automatik ein einzelnes Ziel leicht aus den Augen oder rammt die im späteren Verlauf zu nahen Wände. Zum Glück fiel die Lebensenergie großzügig und der Bodenkontakt nicht besonders schmerzhaft aus. Das Fliegen einer Eule irgendwie zu simulieren, stelle ich mir nicht leicht vor, ich nehme an, dass hier der Versuch drinsteckt, aber ein weniger "realistischer" und dafür präziserer Ansatz hätte bestimmt weit mehr Spaß gemacht. Das ist nicht komplett daneben hier, man hat gute Momente, aber viel zu oft wird über dieses oder jenes geflucht.

Schade, denn der Rest des Spiels kann sich wirklich sehen lassen. Wies schon gesagt, die Technik in den abwechslungsreichen Szenarien, seien es nun Riesenbäume oder wilde Berglandschaften, glänzt mit schönen Licht- und Nebeleffekten, die Charaktermodelle sehen gut aus und alles in allem liegt das weit über vielen Filmversoftungen, die so kamen und gingen. Die Gestaltung der Areale lädt zum Erkunden ein, sie sind groß genug für weite Rennstrecken durch Ringe als Bonusmissionen oder die etwa 25 umfangreichen Aufträge, die zwischen viel Kampf auch ein paar Eskorten und Bomben-Anflüge - mit heißen Kohlen in den stahlgestärkten Klauen - variieren und wenig Langeweile aufkommen lassen. Dazu kommt noch ein kleines System zum Aufrüsten des Federviehs und die Story um eine elitäre Gruppe von bösen Rassisten-Eulen - was es nicht alles gibt... - hält bis zum Schluss wacker stand.

Aber was hilft das alles einem Flugsimulator, selbst einem realitätsentfernten Fantasy-Vertreter, wenn die Steuerung dem unbeschwerten Spaß immer wieder einen Strich durch die Rechnung macht. Entweder es ist viel zu simpel durch das automatische Anvisieren oder viel zu haarig durch die weiten Kreise, die Eulen so ziehen. Die goldene Mitte, in denen Die Legende der Wächter dann endlich zeigt, was in ihm steckt, ist nicht selten, aber nicht regelmäßig genug, um das hier rund zu machen. In diesem Spiel steckt viel Gutes, sei es die Technik, das schöne Design, die Missionsvielfalt oder die sehr lobenswerte Idee eines alternativen Flusis. Aber gerade an dem Flug-Teil muss man noch ein wenig schrauben. Sollte es eine Fortsetzung geben und man sich dieser grundlegenden Probleme annehmen, dann könnte hier aus einem insgesamt immer noch ganz netten Spiel plötzlich ein überraschend Gutes werden. Ich hoffe es, denn Potential haben die Eulen erstaunlicherweise jede Menge.

Die Legende der Wächter ist für 360, PS3, Wii und DS zu haben.

6 / 10

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Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

In diesem artikel

Die Legende der Wächter

PS3, Xbox 360, Nintendo Wii, Nintendo DS

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