Die Loot-Box bleibt zu!
Wider der neuesten Seuche.
Es ist eine Epidemie, die frisch gestartet ist. Wer Patient Null ist, lässt sich nicht mehr hundertprozentig sagen - ich würde auf Call of Duty tippen, lasse mich aber auch gern berichtigen -, aber gefühlt jedes große Triple-A-Spiel, für das ihr 50 Euro und mehr auf dem Tisch legt, scheint sich infiziert zu haben, als wäre es eine durch die Luft übertragbare Form der Zombifizierung. Die Rede ist von Loot-Boxen, dem aktuellen Reizthema in Sachen Monetarisierung von Videospielinhalten.
Was ist eine Loot-Box? Die Definition ist relativ einfach: Eine virtuelle Kiste, die In-Game-Inhalte aller Art bereithält - Waffen, Skins, Boosts und so weiter -, aber eben geschlossen ist, sodass ihr nicht seht, was die Kiste enthält. Das ist natürlich bildlich gesprochen, im Grunde ist es ein Zufallsgenerator, der auswürfelt, was ihr in der Sekunde, in der ihr die Kiste "öffnet" bekommt. Das ist der große Unterschied zu anderen käuflichen Inhalten, wie der legendären Pferderüstung: Wenn ich die kaufe, gibt es keinen Zweifel im Vorfeld, was ich bekomme. Das gleiche gilt auch für Boosts in MMOs zum Beispiel. Kauft man dort einen 50%-mehr-XP-für-6-Stunden-Boost, ist das auch vorher definiert, es geht bei der Definition der Loot-Box um das Zufallselement, nicht den Preis oder Inhalt.
Nachdem das geklärt ist, lasst mich kurz einfach mal persönlich meine Meinung dazu in Verbindung mit Vollpreisspielen - oder von mir aus auch Mittel- oder Niedrigpreis - loswerden: IT SUCKS! Kurz und bündig. Wer mich aber kennt, könnte nun anführen: "Aber Martin, Du kaufst doch ständig Zufallsdinge in Final Fantasy Brave Exvius! Das ist doch nichts anderes als Lootboxen!" Stimmt. Aber. Brave Exvius ist ein Free-to-play-Titel, der mir jede Woche ein bis zwei neue Inhalte anbietet, sonst aber kein Geld möchte, weder initial noch sonst wann. Hier kann ich die Lotterie der Figurenziehung problemlos akzeptieren, weil es eine Art Spendenlos für eine Art Non-Profit-Organisation ist - ein etwas unpassender Vergleich, aber ihr wisst, was ich meine. Die müssen auch finanziert werden, also kauft man nette Lose für nette Gewinne, die eigentlich nicht das investierte Geld wert sind, aber man tut es in dem Wissen, den Laden am Laufen zu halten: Eine Mischung aus Spende, Anerkennung und Glücksspielreiz bei der Ziehung. Als F2P-Modell für gute Titel dieser Art völlig legitim.
Bei einem Spiel wie Mittelerde: Schatten des Krieges, Forza 7 und anderen wird initial Geld bezahlt. Das ist kein Problem und ist sowas wie das etablierte Modell der Menschheit seit Muscheln gegen Getreide getauscht wurden. Wenn ich dann eine Ergänzung zu dem Produkt haben will und diese angeboten wird, ist es auch okay, dafür Geld zu nehmen. Nein, ich habe kein großes Problem mit DLCs, solange sie nicht in den Spielspaß des Hauptproduktes eingreifen. Das ist das, was fast alle diese genannten Spiele rettet: Sie sind so gut wie sie sind, auch ohne, dass ihr weiter investiert. Und wenn es etwas mehr sein darf, dürfen sie mir das auch gerne anbieten, ich kann dann ja immer noch entscheiden, ob es mir das wert ist. Ich sehe ja, was ich kaufe. Hallo, Loot-Boxen, jetzt sind wir bei euch angekommen.
Geld auszugeben, um vielleicht eine bessere Waffe in einem Spiel zu bekommen, das mir gleichzeitig sagt, dass ich eh alles erspielen kann, wenn ich mir nur die Zeit nehme? Was soll das, wer macht das? Nehmen wir die beiden Beispiele Mittelerde und Forza. In Mittelerde kann ich entweder meine 25 Stunden das reguläre Spiel genießen und einen Haken dahinter setzen oder ich lasse mich auf den langen Grind ein, weil ich das Spiel mag und weitermachen möchte. Die Inhalte der Loot-Boxen nehmen vielleicht Dinge vorweg, die ich eh als Belohnungen für meine Ausdauer bekomme. Es ist kein Mehrwert für das Spiel, das auch so balanciert ist, dass ich nichts davon brauche. Der einzig dreckige Zug dabei war, das zweite Ende hinter den Grind zu setzen, aber selbst das ist als Belohnung akzeptabel und nachdem ich es gesehen habe - es verändert nichts, was man sich eh nicht hätte denken können. Wenn ich dafür zig Loot-Boxen gekauft hätte, um es schneller zu sehen, ich würde mich freiwillig auf Wasser und Brot setzen, um mich für so viel Dummheit zu bestrafen.
In Forza machen die zufallsbasierten Boxen noch weniger Sinn. Ihr bekommt alle Autos, die ihr braucht, um in allen Ligen mitzuspielen und genug extra, um euch hier und da ein Traumauto zu gönnen. Wer aber eine oder ein paar wenige Marken besonders mag und dort am liebsten die ganze Kollektion hätte, der will nicht drauf hoffen, dass der eine fehlende Ferrari drin ist. Da würde ich stattdessen sogar lieber In-Game-Währung kaufen, bevor ich mich auf eine Loot-Box einlasse. Ja, so sehr verachte ich Loot-Boxen: Ich würde lieber echte Währung gegen virtuelle tauschen, als so eine dämliche Box zu holen.
Weitere Artikel zu Loot-Boxen:
Die USK äußert sich zum Thema Lootboxen
Es ist vor allem das Zufallselement. Ich gehe davon aus, dass es kein illegales Glücksspiel ist, auch wenn wir das gerade prüfen lassen. Ich denke, dass es moralisch bedenkliche Kinderabzocke ist, aber nicht mehr als Pokémon-Sammel-Booster. Ich glaube nicht, dass es eine essentielle Einnahmequelle in den meisten Triple-A-Titeln ist und eher da gut funktioniert, wo es einen starken MP-Aspekt mit Vanity gibt, PUGB oder CoD zum Beispiel. Wo ich mir aber ganz sicher bin, ist, dass dieser Unsinn nichts in meinen Vollpreis-Spielen verloren hat. Verkauft mir digitale Inhalte, warum nicht. Manche will ich sogar haben. Aber ich will sie vorher sehen und gezielt aussuchen. Ich geh doch auch nicht in einen Spieleladen, lege 60 Euro auf den Tisch und sage: "Mal gucken, wenn ich Glück habe, bekomme ich diesmal Mittelerde und nicht zum dritten Mal Forza 7."